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Gegen Corona. Das neue Impfzentrum am Klinikum „Ernst von Bergmann“ befindet sich in der Gutenbergstraße, in Höhe der Nummer 63, direkt neben der Einfahrt der Kinder-Notaufnahme. 

© Andreas Klaer

Die Corona-Lage in Potsdam am Donnerstag: Nur noch mit Negativ-Test shoppen

Für Potsdams neue Corona-Strategie gibt es einige Hürden. Vor allem fehlt die Zustimmung des Landes für ein zentrales Vorhaben. Zugleich steigt die Inzidenz. 

Potsdam - Potsdam will mit schärferen Corona-Regeln und mehr Schnelltests im Alltag die Lockerungen der vergangenen Wochen gegen das Virus verteidigen. Doch bei dem Konzept, das Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) seit Montag bewirbt, gibt es noch eine Menge Unbekannte – nicht zuletzt die auch in Potsdam stetig steigende Zahl der Neuinfektionen, verursacht durch die Ausbreitung der infektiöseren und wohl auch gefährlicheren Virusmutante B.1.1.7. Die PNN geben einen Überblick zu den wichtigsten Fragen.

Shoppen jetzt nur noch mit Negativ-Test?

Aus Sicht der Stadt: ja. Und zwar schon bald. So wird der Krisenstab im Rathaus am Freitag (19.3.) über eine Allgemeinverfügung sprechen, wonach Potsdamer ab nächster Woche nur mit einem aktuellen negativen Schnelltest den wieder geöffneten Einzelhandel besuchen dürfen. Das gilt jedoch nicht für Läden des täglichen Bedarfs wie Supermärkte und Drogerien, die auch im Lockdown geöffnet sind. Das bestätigte ein Stadtsprecher den PNN. Mit der Testpflicht soll sichergestellt werden, dass Menschen nicht unerkannt das Virus weiter verbreiten. „Masken alleine reichen nicht mehr aus“, hatte Oberbürgermeister Schubert schon am Mittwoch erklärt.

Als Hilfe dafür ist angekündigt, dass Potsdamer sich, mitfinanziert von der Stadt, weiter zweimal pro Woche in Apotheken und anderen Testzentren auf Corona untersuchen lassen können – der Bund übernimmt nur einen Test pro Woche. Mit den Testergebnissen soll, so Schuberts Ansatz, auch wieder mehr Kultur und Sport möglich sein. Hier allerdings müsste das Land Brandenburg für Potsdam einen Modellversuch genehmigen, wie dies aktuell in Tübingen in Baden- Württemberg passiert. Für einen Versuch in Fitnessstudios hatte die Stadt bereits eine Absage des Landes erhalten. Am Donnerstag machte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) deutlich, dass Lockerungen nicht angezeigt seien.

Wie sieht das Tübinger Modell aus?

Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen.
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen.

© dpa

Beispielgebend für die aktuellen Bemühungen der Stadt Potsdam ist das Modell von Tübingen. In der 90 000-Einwohner-Stadt in Baden-Württemberg ist diese Woche ein Modellprojekt zu mehr Öffnungsschritten in Corona-Zeiten gestartet. An mehreren Teststellen in der Stadt können dort nun die Menschen kostenlose Tests machen, das Ergebnis wird bescheinigt. Mit diesem Zertifikat über einen negativen Corona-Test kann man in Läden oder zum Friseur. 

Aber auch Außengastronomie und Kultureinrichtungen wie das Theater dürfen Gäste mit Zertifikat empfangen und bedienen. Bei dem Modellversuch „Öffnen mit Sicherheit“ wird geschaut, welche Möglichkeiten es durch intensiven Einsatz von Schnelltests gibt, ohne dass Infektionen deutlich ansteigen. „Jetzt kommt es drauf an, ob wir zeigen können, dass mehr Öffnungen und mehr Sicherheit zusammengeht“, sagte Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) zum Auftakt. 

Die Universität Tübingen begleite den auf drei Wochen angelegten Versuch wissenschaftlich, sagte Palmer. Das baden-württembergische Staatsministerium unterstützt den Modellversuch, der womöglich auf andere Regionen übertragen werden könne. Allerdings liegt die Inzidenz im Landkreis Tübingen niedriger als in Potsdam mit aktuell rund 75: Am Mittwoch lag der Wert dort bei 45,5, vor einer Woche sogar nur bei um die 30. Am Donnerstag stieg die Inzidenz dann auf 52,9.

Wann kommt die Luca-App für Potsdam?

Das kann noch einige Tage dauern. Als technische Hilfe hatte Potsdam wie berichtet am Mittwoch einen öffentlich noch nicht näher bekannten Vertrag mit dem Anbieter der bundesweit bekannten Kontaktverfolgungs-App Luca geschlossen. In dieser sollen künftig auch Testergebnisse abgespeichert werden – das wird aber erst noch programmiert.

Ferner muss Luca noch mit dem Potsdamer Gesundheitsamt vernetzt werden. Dass dies schnell möglich ist, zeigte am Donnerstag auch die Stadt Cottbus, die diesen Schritt, also die Vernetzung mit der Gesundheitsbehörde, in einer Erklärung verkündete. „Mit der Luca-App kann man seine Anwesenheit in einem Geschäft, einem Restaurant oder einem Museum ganz einfach und anonym dokumentieren“, so ein Cottbuser Stadtsprecher. 

Damit sollen die Ämter einfacher Infektionsketten verfolgen können. Man sei damit die erste Kommune in Brandenburg, die Luca nutze. Schubert hatte für Potsdam erklärt, er wolle mit der von ihm angestrebten Erweiterung der Luca-App eine „All-in-one-Lösung“ auch zum Speichern der notwendigen Schnelltestergebnisse. Unklar ist, wie teuer diese Lösung für Potsdams Stadthaushalt wird. Neben der App soll es aber auch für Menschen ohne Handy weiter möglich sein, einen Schnelltest in Papierform als „Eintrittskarte“ für den Handel vorzuzeigen.

Wird das Impftempo gesteigert?

Vermutlich, wenn genügend Impfstoff da ist. So will die Stadt Potsdam in Zusammenarbeit mit ihrem Bergmann-Klinikum das Tempo beim Impfen beschleunigen. Seit Donnerstagmorgen ist dort nun ein innerhalb von drei Tagen aufgebautes Impfzelt in Betrieb. Dort werden zum Beispiel vom Land extra gelieferte Biontech-Dosen an Potsdamer verimpft, die sich auf einer Online-Warteliste der Stadt eingetragen haben, die es seit der vergangenen Woche gibt. Etwa 1200 Termine können somit in den kommenden Tagen vermittelt werden, teilte die Stadt bereits am Mittwochabend mit. 

Ein frisch Geimpfter berichtete den PNN von einer perfekten Organisation vor Ort. Wie berichtet hatten sich schon mehr als 2400 Menschen auf der Warteliste eingetragen. Bergmann-Chef Hans-Ulrich Schmidt teilte mit, wichtig sei es aber auch, „die Hausärzte in die Impfanstrengungen einzubinden, denn nur gemeinsam können wir zeitnah die Impfquote steigern“. Seit Wochen pochen mehrere Potsdamer Hausärzte darauf, endlich auch selbst impfen zu können – statt dies nur in teuer zu betreibenden Impfzentren zu tun.

Wie sind die Reaktionen auf Schuberts Pläne?

Unterschiedlich. Skepsis kam von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam. Deren Regionalcenter-Leiter für Potsdam und Potsdam-Mittelmark, Daniel Hönow, kritisierte zwar nicht den Ansatz an sich – vermisste aber mehr Planungssicherheit, auch in Potsdam. Die Folge sei eine „große Verunsicherung“. So sei für den Wareneinkauf, die Personalplanung und die Vorbereitung aufs Ostergeschäft mehr Verlässlichkeit nötig.

Von der Stadtpolitik kommt die Forderung nach mehr Einbindung in Schuberts Überlegungen. Die Linken-Fraktionschefin Sigrid Müller sagte, eine Meinungsbildung zu dem Konzept sei bisher nicht möglich gewesen, weil es nicht vorliege. „Es ist zu begrüßen, wenn langfristige und transparente Regelungen erarbeitet werden, gerade dann ist aber die Einbindung der Politik wichtig“, so Müller. Von der Rathausspitze hieß es, das Konzept werde den Fraktionen zugestellt – die meisten Punkte seien vorbesprochen.

Wie ist die Lage in den Kliniken?

Die Zahlen steigen auch dort – und es gibt Veränderungen im Vergleich zur ersten Welle, die vor allem ältere Patienten getroffen hatte, zu vielen Todesfällen gerade in Seniorenheimen führte. Doch in dieser Generation sind nun schon viele geimpft. So liegen aktuell im Bergmann-Klinikum 24 Patienten, davon sind noch sieben über 81 Jahre alt. Sechs weitere Patienten sind laut einer Sprecherin zwischen 61 und 80 Jahren und elf sind unter 60. „Wegen des aktuell jüngeren Alters der Covid-Patienten gehen wir jedoch von einer längeren Liegedauer aus“, sagte die Sprecherin. Zur Erklärung: Corona-Experten wie der Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (SPD) haben bereits gewarnt, dass auch in der Altersgruppe Ü50 viele schwere Covid-Verläufe riskiert würden: „Die Behandlung am Beatmungsgerät dauert bei 50-Jährigen viel länger, falls der Patient doch stirbt. Ein über 80-Jähriger stirbt deutlich schneller, wenn er einen schweren Verlauf hat“, so Lauterbach.

Wie ist die Corona-Lage?

Schwierig. Denn die Zahlen steigen. Die Sieben-Tage-Inzidenz für Potsdam lag am Donnerstag schon bei 75,4. Am Vortag betrug der Wert 65,4 – und vor einer Woche 44,4. In absoluten Zahlen kamen 38 Neuinfektionen hinzu. Damit liegt Potsdam auf dem Niveau von Anfang November 2020, als die zweite Corona-Welle ins Rollen kam. Nach PNN-Informationen geht man im Rathaus auch davon aus, dass die Zahlen in den kommenden Tagen weiter drastisch steigen. Auch vier Todesfälle wurden gemeldet, nunmehr sind 228 Potsdamer wegen einer Infektion gestorben – 5277 waren oder sind insgesamt infiziert.

Kurzfristig soll gegen die steigenden Zahlen ab Samstag wieder eine erweiterte Maskenpflicht gelten, auch in Babelsberg und der Brandenburger Vorstadt.

Haben die Tests Grenzen?

Ja. Das zeigt sich an der Schnellteststrategie in den Kitas, wo sich Erzieherinnen und Erzieher zweimal die Woche mit Corona-Spucktests untersuchen sollen. Seit Beginn hätten sich bisher alle Tests, die positiv ausfielen, im Nachhinein – also nach einem PCR-Test – als falsch erwiesen, erklärte eine Stadtsprecherin auf Nachfrage. Zunächst hatte die Stadt dabei auf den Spucktest „Joysbio“ gesetzt, nunmehr auf „Clungene“. „In allen Fällen handelt es sich um zugelassene Laientests“, so die Sprecherin. Mit Tests in Apotheken hatte man hingegen schon mehrere Infizierte entdecken können.

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