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Dichtung und Wahrheit: Fontane nahm es in Potsdam nicht immer ganz genau

Neue Infotafeln in Potsdam zeigen auf, welche Orte Theodor Fontane einst besuchte. Nicht immer hielt sich der Dichter bei seinen Schilderungen an die historischen Fakten.   

Von Birte Förster

Potsdam - Manchmal befindet sich selbst einer wie Theodor Fontane auf dem Holzweg. In seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ erwähnte der Dichter die Dorfkirche in Groß Glienicke und beschrieb deren Altarbild, auf dem er den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg zu erkennen glaubte. „Er trägt Allongenperücke, dunkles, enganschließendes Samtkleid, Spitzenmanschetten und Feldbinde“, schrieb Fontane. Aber er täuschte sich. Bei der Figur handelt es sich um den Stifter der Kirche, Hans Georg III. von Ribbeck

Sieben Infotafeln in den Ortsteilen

Das ist auch auf der neuen Informationstafel zu erfahren, die Ortsvorsteher Winfried Sträter und Gundula Zachow, Pfarrerin der Evangelischen Gemeinde Groß Glienicke, am Montag neben der Dorfkirche in Groß Glienicke enthüllt haben. Sträter sprach von einem „Markierungspunkt im historischen Netz“.  Die Tafel ist eine von sieben Infotafeln, die seit der vergangenen Woche in den Potsdamer Ortsteilen anlässlich des Fontane-Jahres 2019 angebracht wurden und historische Bauwerke beschreiben, die in Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ erwähnt werden. Veranlasst hat das der Bereich Marketing der Stadt Potsdam. Zu finden sind die Tafeln auch an der Bornstedter Dorfkirche und dem Friedhof, an der Nedlitzer Nordbrücke, zuvor Persiusbrücke genannt, am Schlosspark Marquardt, der Fahrländer Kirche sowie an der Kita „Fahrländer Landmäuse“, wo sich einst das von Fontane erwähnte Amtshaus befand. Die Tafeln sind eingebettet in den historischen Parcours, der mehr als 40 Sehenswürdigkeiten umfasst. Ziel sei, dass mehr Touristen in die unterschiedlichen Ortsteile kommen, erklärte Anke Lucko von der Marketing-Abteilung der Stadt. Der ländliche Raum soll belebt werden. 

Historiker Johannes Leicht recherchierte die Historie der Orte

Die Schilderungen des berühmten Wanderers geben Aufschluss darüber, wie die jeweiligen Ortsteile aussahen, als Fontane sie im 19. Jahrhundert bei seinen Streifzügen durch die Mark besuchte. Ergänzt und korrigiert wurden diese durch den Potsdamer Historiker Johannes Leicht. Dieser las Fontanes „Wanderungen“, recherchierte in weiteren Schriften und Aufsätzen über die Ortsteile und verschaffte sich einen Eindruck über die Bauwerke vor Ort. Hieraus entstanden Texte, die nun auf den Infotafeln zu lesen sind.  Anfang der 1870er-Jahre besuchte Fontane demnach die Dorfkirche in Groß Glienicke und hielt seine Eindrücke des historischen Bauwerks in seinen Schriften fest. In letzteren ist auch nachzulesen, wie sich der Ortsteil über die Jahrhunderte verändert hat. Fontane schrieb von 279 Einwohnern, die damals in Groß Glienicke lebten. Mittlerweile seien es fast 5000, erzählte der Ortsvorsteher am Montag. 

Kein Bild von vor 1900

Während Historiker Leicht aus mehreren schriftlichen Quellen schöpfen konnte, um die Geschichte des Ortsteils und der Kirche zu rekonstruieren, gestaltete sich die Suche nach historischem Bildmaterial etwas schwieriger. Es sei nicht möglich gewesen, ein Bild der Kirche aus der Zeit von vor 1900 zu finden, sagte Leicht. Letztendlich musste er mit einer Fotografie von 1970 vorliebnehmen – sie ist nun auf der Infotafel abgebildet. Zwar sehe die Kirche darauf nicht aus wie zu Fontanes Zeiten, sagt Leicht. Zu erkennen ist aber, dass sich in unmittelbarer Nähe keine weiteren Gebäude befanden. Früher sei dort ein freies Feld gewesen, weiß der Historiker. „Heute ist die Kirche eingebunden.“ 

Umfangreiche Bauarbeiten über die Jahrhunderte

Die Dorfkirche Groß Glienicke gilt als das älteste noch genutzte Gebäude Potsdams. Nach umfangreichen Restaurierungen in der Kirche, die sich laut Sträter über fast 20 Jahre erstreckten, sehe die Kirche heute wieder wie zu Fontanes Zeiten aus, berichtet der Ortsvorsteher, der ebenfalls Historiker ist.  Im Laufe der Jahrhunderte veränderte sich das Bauwerk. Auf der Infotafel ist zu lesen, dass Hans Georg III. von Ribbeck, also jener, den Fontane nicht erkannte, um 1680 umfangreiche Bauarbeiten vornahm: Unter anderem ließ er den einfachen Saalbau der Kirche aus dem 13. Jahrhundert verändern, die Feldsteinwände wurden mit Ziegeln um zwei Meter aufgemauert, die Kirchenfenster vergrößert und ein Glockenturm aufgesetzt. Das Innere der Kirche ließ er im barocken Stil der damaligen Zeit gestalten.  Fontane schien all das bei seinem Besuch der Kirche und des Ortsteils nicht bewusst gewesen zu sein, als er Hans Georg III. von Ribbeck für den Großen Kurfürsten hielt. Was der Zeitzeuge beschrieben hat, müsse nicht immer stimmen, weiß der Ortsvorsteher. Umso wichtiger sei es daher gewesen – vor allem auch für die Bewohner von Groß Glienicke – Fontanes Beobachtungen zu korrigieren, sagte Sträter: „So bekommt man gleich noch gespiegelt, was literarisch geschrieben und was der historische Gehalt ist.“ 

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