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Helfer sortieren vor Beginn der Ausgabe bei der Potsdamer Tafel die Lebensmittel-Spenden aus den Supermärkten. 

© Soeren Stache/dpa

Der Virus zwingt zur Umstellung: Corona erschwert die Arbeit der Tafel

Sechs Monate nach Pandemiebeginn scheinen viele soziale Einrichtungen wieder zum Normalbetrieb zurückzukehren. Bei einigen wachsen jedoch finanzielle Nöte. Denn Rettung gibt es nicht für alle.

Potsdam - Von der Tür bis zum Ende des Gebäudes und den Gehweg entlang: Eine halbe Stunde vor Öffnung stehen die Menschen vor der Potsdamer Tafel schon mindestens 25 Meter an. Ganz vorne steht Khavani mit ihrer Tochter Mariam. Wie all die anderen in der Schlange sind sie gekommen, um sich ihre Lebensmittelration für die kommenden Tage zu holen. „Wir sind sehr froh, wieder hier sein zu können“, sagt Khavani. Normalerweise kommen sie jeden Freitag zur Potsdamer Tafel. Aber die Türen blieben wochenlang geschlossen.

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Denn genauso überraschend wie Corona für die meisten Menschen kam, wurden auch die Tafeln vom Virus überrascht. Im April war knapp die Hälfte der 949 Tafeln in Deutschland vorübergehend geschlossen. Damit keiner der Kunden auf die Grundnahrungsmittel verzichten musste, haben sie vielerorts geliefert.

Einige hatten den Lieferdienst schon im Programm, andere setzten einmalige Versandaktionen um. „Wir haben den Tafelbetrieb quasi einmal von links auf rechts gedreht“, sagt die Tafel-Leiterin in Potsdam, Imke Eisenblätter. Seitdem sind über 14.000 Tüten mit Lebensmitteln gepackt und ausgeliefert worden. Fünf Touren pro Tag für insgesamt knapp 80 Einzelhaushalte. Hinzu kamen bis zu 70 Familien sowie mehrere Gemeinschaftsunterkünfte. Selbst mit neuen freiwilligen Fahrern waren die Anfragen nicht alle zu bewältigen.

Imke Eisenblätter, Leiterin der Potsdamer Tafel e.V.
Imke Eisenblätter, Leiterin der Potsdamer Tafel e.V.

© Soeren Stache/dpa

Seit Juli können Menschen, wie Mariam und ihre Mutter, wieder persönlich ihre Lebensmittel holen. Vom Gemüse, das ganz vorne an der Theke ausgegeben wird, bis zum Brot am hinteren Ende ist nun alles hinter Plexiglas. Maximal vier Besucher dürfen zeitgleich im Ausgaberaum in der Waldstadt sein. Mit Abstand und Mundschutz. Alle Ehrenamtler tragen während der Bedienung Handschuhe.

Kundenzahl wird steigen

Trotz aller Bemühungen: Wegen der Abstandsregeln erreiche die Tafel weiterhin nicht alle, die Hilfe benötigen, sagt der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Jochen Brühl. „Das macht uns große Sorge, da wir gleichzeitig eine neue Hilfsbedürftigkeit in der Bevölkerung spüren.“

Er geht von deutlich mehr Kunden in den kommenden Wochen und Monaten aus. Darum müsse die Tafel-Logistik ausgebaut werden. „Um dies zu realisieren, sind wir auf finanzielle Unterstützung des Bundes angewiesen“, sagt er. Das könne nicht alleine durch Spenden und ehrenamtliches Engagement umgesetzt werden.

Die Tafeln finanzieren sich neben Spenden über die symbolischen Beträge, die Menschen für die Lebensmittel zahlen. Wird der Betrieb eingestellt, wie es nun der Fall war, fallen die Einnahmen weg – während Fixkosten wie Mieten weiterlaufen. Um die durch das Coronavirus entstandenen finanziellen Nöte sozialer Einrichtungen aufzufangen, hat der Bund kurz nach Beginn der Krise das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) verabschiedet. Seit Ende März können Zuschüsse gewährt werden.

Ohne Liquiditätshilfen geht es nicht

Der Bund habe durchaus versucht, die soziale Infrastruktur in Deutschland aufrecht zu erhalten, sagt die Sprecherin für Behindertenpolitik der Grünen, Corinna Rüffer. „Aber wir stellen fest, dass es erhebliche Leerstellen gibt.“ Denn das Bundesfinanzministerium erklärt auf seiner Infoseite: „Nicht antragsberechtigt ist ein Verein insbesondere dann, wenn er sich überwiegend über Mitgliedsbeiträge finanziert und der wirtschaftlichen Tätigkeit auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Vereins nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt.“ Genau das trifft auf die Tafeln zu. Grünen-Frau Rüffer fordert einen zivilgesellschaftlichen Schutzschirm und unbürokratische Liquiditätshilfen, damit diese Einrichtungen „nicht auf der Strecke bleiben“.

Für Khavani ist der freitägliche Gang zur Potsdamer Tafel in der Waldstadt eine Möglichkeit, ihrer Tochter ansonsten unerschwingliche Wünsche zu erfüllen. Auch wenn sie für die Lieferungen sehr dankbar ist: Eine standardisiert gepackte Tüte könne nicht das gleiche bewirken, wie die eigene Auswahl. Sie kommt freudig lächelnd aus dem Ausgaberaum und holt eine Packung Donuts aus der Tasche. „Schau mal Mariam, was ich dabei habe.“ Die Sechsjährige strahlt und schnappt sich einen der pink glasierten Kringel mit den bunten Streuseln. „Da habe ich mich so drauf gefreut.“ (dpa)

Monia Mersni

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