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&#Die Villa Jacobs. Ludwig Persius errichtete das Gebäude 1835/36 im Stil toskanischer Villen. Nach einem Brand wurde die Villa 1981 abgetragen und 2008 wiederaufgebaut.

© Manfred Thomas;

Landeshauptstadt: Der vergessene Zuckerbaron

Gebhard Falk forschte zum Leben des Unternehmers Ludwig Jacobs

Nauener Vorstadt - Gäbe es die prachtvolle Villa Jacobs in der Bertinistraße nicht, die 2008 wiederaufgebaut wurde, der Name Ludwig Jacobs (1794-1879) wäre längst vergessen. Dabei gibt es wesentlich mehr über den erfolgreichen Potsdamer Zuckerbaron zu sagen, außer dass der Schinkel-Schüler Ludwig Persius ihm die erste aller Potsdamer Turmvillen im florentinischen Stil erbaute.

Gebhard Falk versucht Licht ins Dunkel zu bringen und den großen Stadtbürger dem Vergessen zu entreißen. Der Historiker und Archivar ist aber nicht über die Villa Jacobs, sondern über den Revolutionär Max Dortu auf Jacobs aufmerksam geworden: „Jacobs hatte nicht nur geschäftlich mit Dortus Vater zu tun, sondern beide Familien waren auch in der Bertinistraße benachbart“, so Falk. Als eines Tages drei der elf Kinder Jacobs’ mit einem Ruderboot auf der Alten Fahrt kenterten, sprang Dortu, der dies vom Ufer beobachtet hatte, sofort ins Wasser und konnte einen der Jungen retten, für die anderen kam die Hilfe zu spät. Diese Tat war es wohl, die Jacobs 1849 veranlasste, vor Friedrich Wilhelm IV. als Fürsprecher Dortus aufzutreten, um ihn vor der Hinrichtung zu retten – vergebens.

Abgesehen von solchen Spuren jedoch „erinnert heute kaum noch etwas an Jacobs“, sagt Falk. Doch auf historischen Bildnissen der Stadt ist sie deutlich zu sehen, die große, qualmende Zuckerfabrik am westlichen Havelufer gegenüber der Freundschaftsinsel, die Jacobs zu einem der reichsten Männer Potsdams machte und die damals neben den Eisenbahnwerkstätten die zweitgrößte Fabrik der Stadt war. Auch eine Schokoladenfabrik gab es seinerzeit (direkt neben der Nikolaikirche), denn Potsdam war als Residenzstadt einer der wenigen Orte, wo man mit dem Luxusprodukt Zucker einen wirklichen Markt fand.

„Jacobs hatte sich früh in der Stadt etabliert“, sagt Falk. Bereits 1827 – ein Jahr, nachdem er in die Stadt gekommen war – wurde Jacobs Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Unzählige weitere Ämter folgten, er war Abgeordneter des preußischen Landtags, 1861 wurde er in den Adelsstand erhoben. Das Haus der Jacobs sei ein Treffpunkt des gesellschaftlichen Lebens in Potsdam gewesen, so Falk, und auch als Mäzen zeitgenössischer Künstler habe er sich hervorgetan: Jacobs besaß eine große Gemäldesammlung, darunter auch das berühmte Flötenkonzert Friedrichs II. von Adolph Menzel, dass Jacobs persönlich beim Künstler erstanden hatte.

So angesehen Jacobs auch war, bei den Anwohnern sorgte besonders der ständig qualmende Schlot der von zehn Dampfmaschinen betriebenen Fabrik und der damit verbundene Ascheregen für erheblichen Unmut, auch wenn Jacobs abwiegelte, seine Fabrik produziere nicht mehr Rauch als „ein Bäckerschornstein“. Geheizt wurde mit Torf, ein Grabungsversuch Jacobs’ nach Braunkohle im Brauhausberg schlug damals fehl.

1828 hatte Ludwig Jacobs mit der Zuckerproduktion begonnen und baute dabei weltweite Handelsbeziehungen auf, die auch Auswirkungen auf Potsdam hatten: Der großzügige Investor war maßgeblich am Ausbau der Eisenbahnverbindung von Potsdam nach Magdeburg beteiligt. Sie war nötig, um den von Hamburg über die Elbe nach Magdeburg verschifften Rohrzucker schneller nach Potsdam zu transportieren. Dadurch hatte Jacobs auch wesentlichen Einfluss auf den heutigen Standort des Potsdamer Hauptbahnhofs, der natürlich möglichst nah an seiner Fabrik liegen sollte.

Der Rohrzucker kam aus Übersee und wurde in Jacobs Fabrik zu großen festen Zuckerhüten verarbeitet, die vom Endverbraucher erst mit dem Hammer zerkleinert werden mussten. Später förderte Jacobs auch den beim Adel verpönten Rübenzucker aus der Region, um der Sklavenarbeit in den englischen und niederländischen Kolonien entgegenzuwirken, aus denen der Rohrzucker kam.

Jacobs sei ein Unternehmer mit sozialem Gewissen und humaner Gesinnung gewesen, so Falk, und habe sich etwa für die Steuergleichheit des Adels eingesetzt oder 1847 Nahrung für die sozial Benachteiligten der Stadt finanziert. 1858 arbeiteten 223 Männer und zwei Frauen in zwölfstündigen Arbeitstagen in Jacobs Fabrik, Kinderarbeiter, also Jugendliche unter 14 Jahren, gehörten jedoch nicht dazu. „Die Löhne waren aber relativ gut“, sagt Falk, außerdem habe Jacobs bereits damals eine Art Betriebskrankenkasse für seine Angestellten eingerichtet.

„Ludwig Jacobs hat es verstanden, ein Familienimperium aufzubauen, bei dem er alle Bereiche des Unternehmens selbst in der Hand hatte“, fasst Falk zusammen. Nach Jacobs’ Tod folgte jedoch der langsame Niedergang des Imperiums, der Erste Weltkrieg bedeutete schließlich das Aus. Im Laufe der Zeit wurde die Erinnerung an den großen Unternehmer fast ausgelöscht, der für fast ein halbes Jahrhundert das Gesicht und die Geschicke der Landeshauptstadt mitgeprägt hat.

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