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Landeshauptstadt: Der Märchenschimmel von Babelsberg

Wie sich Potsdamer an den Dreh des Kultfilms „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ erinnern

25 Mark gab es für einen Drehtag. Und mit gut 30 Jahren Verzögerung gratis dazu dieses unbezahlbare Glänzen in den Augen der Enkel, wenn die ihren Opa heute im Märchenklassiker „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ wiedererkennen. „Das ist bei uns zu Weihnachten immer groß im Gespräch“, sagt Dieter Wilhelm. Der 71-jährige Potsdamer stand 1973 mit seiner Frau Astrid vor der Kamera, als einer der schönsten Märchenfilme in den Defa-Studios gedreht wurde. Drei Tage lang schlüpften die Wilhelms in die Rolle von Festgästen am Königshof. Nur tanzen durften die Hobby-Tänzer des Tanzsport-Clubs „Rot-Gold“ Potsdam zu ihrer Enttäuschung dann nicht.

Wie der legendäre Märchenfilm des tschechischen Regisseurs Václav Vorlícek mit Rolf Hoppe als königlichem Vater und Libuse Safránková als Aschenbrödel in einer Koproduktion zwischen den Prager Barrandov-Studios und der Defa seinerzeit entstand, wird momentan in einer Ausstellung auf Schloss Moritzburg bei Dresden gezeigt. Das malerische Barock-Schloss war Außenkulisse für den Dreh. Auf rund 2000 Quadratmetern sind dort nun unter anderem Originalkostüme des Babelsberger Kostümbildners Günther Schmidt, nachgebaute Kulissen, Requisiten und Aschenbrödel-Memorabilia zu sehen. Eine am Babelsberger Filmgymnasium entstandene Dokumentation beleuchtet die Hintergründe der Entstehung des Wintermärchens, die Stahnsdorfer Modellgestalterin Marion Fleischer hat unter anderem eine Trickkamera entwickelt, mit der die Besucher per Kurbeldreh ein Kleid aus einer Haselnuss springen lassen können. Auch ein Modell des Ballsaals hat Marion Fleischer für die Ausstellung gebaut – und vom Vorhang über den getäfelten Boden bis hin zu den Kronleuchtern detailgetreu ausgestattet.

Es war dieser Ballsaal, in dem sich die Wilhelms an einem Januartag 1973 einfinden sollten – eingekleidet in märchenhaften Kostümen aus dem Fundus. Dass die Defa beim Tanzsport-Club nach Komparsen anfragte, war nicht ungewöhnlich, erinnert sich Dieter Wilhelm. Für die eigentlichen Tanzszenen in „Aschenbrödel“ waren allerdings Ballett-Tänzer engagiert worden. „Wir standen praktisch am Rand, einen Fuß vor, einen zurück“, erzählt er. Umso mehr Zeit blieb, um den Filmdreh zu beobachten: Jede Kamerafahrt durch die Festgesellschaft war genau geplant. Als Hauptdarstellerin Libuse Safránková durch einen falschen Tritt der Schleier abgerissen wurde, gab es eine lange Drehpause.

Doch nicht nur Komparsen, auch Aschenbrödels Pferd kam aus Babelsberg. Das hat der Potsdamer Christoph Müller recherchiert – die Ergebnisse sind in der Ausstellung in der Moritzburg dokumentiert. Anders als im Film hieß der Schimmel nicht Nikolaus, sondern Kalif, erzählt der 45-Jährige. Und viele Potsdamer dürften ihn vom Voltigieren im Babelsberger Park kennen. Denn dort gehörte er zum Stall der Betriebssportgemeinschaft der Defa – auch Müller, der heute als Pferdepfleger in Uetz arbeitet, saß als Kind auf Kalifs Rücken.

Märchenhaft mutet indes die Geschichte des Pferdes an: Es war 1965 von den Dreharbeiten zum Indianerfilm „Söhne der großen Bärin“ aus Jugoslawien mitgebracht worden – die Vorbesitzer vom Zirkus Busch, die den Schimmel in Ägypten gekauft haben wollten, hatten sich in den Westen abgesetzt und das Tier auf einem Bahnsteig stehen gelassen.

In Babelsberg entwickelte sich Kalif durch seine umgängliche Art nicht nur zum Liebling bei den Kindern, auch für Filme stand er einige Male vor der Kamera: So etwa 1966 in „Frau Venus und ihr Teufel“ mit Manfred Krug und Inge Keller, 1971 in „Der große und der kleine Klaus“ und eben für „Aschenbrödel“. Kalif soll etwa 33 Jahre alt geworden sein. Er wurde auf einer Wiese am Stall in Babelsberg vom Tierarzt eingeschläfert.

„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ wird heute und am Sonntag jeweils 16 Uhr im Filmmuseum, Breite Straße, gezeigt. Die Dokumentation zum Film von Schülern des Filmgymnasiums ist am 15. November um 18 Uhr zu sehen – der Eintritt ist frei.

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