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Landeshauptstadt: Der Kulanzfall

Während des Auslandsaufenthaltes krank in Deutschland? Ein Potsdamer Paar ringt mit der Versicherung

Guido Große ist ein hochgewachsener Mann, 30 Jahre alt, verheiratet. Er hat in Freiberg studiert und am Alfred-Wegener-Institut in Potsdam promoviert. Sein Fachgebiet erlebt derzeit einen ungeahnten Aufschwung. Guido Große ist Polarforscher, das rangiert auf der Hitliste etwa auf dem Niveau der Klimaforschung: Ganz oben. Klimaerwärmung ist in aller Munde. Treibhausgase verursachen eine Erwärmung der Atmosphäre, das Eis der Polkappen schmilzt. Guido Großes Spezialgebiet sind Dauerfrostböden. Die beginnen aufzutauen und Methan freizusetzen, ein Treibhaus-Gas. Mehre Expeditionen führten ihn bisher ins nördliche Sibirien. Die Krankenversicherung für die Zeit in den unwirtlichen Permafrostgebieten besorgte sein Institut. Alles lief gut.

Bei seinem derzeitigen Drei-Jahres-Stipendium an der Universität von Fairbanks in Alaska sollte das anderes sein. Er arbeitet dort im Rahmen der weltweiten Forschungsinitiative „Internationales Polarjahr“. Im Mai 2006 trat er seine Post-Doc-Stelle in dem 49. US-Bundesstaat an. Bei der privaten Deutschen Krankenversicherungs AG (DKV) schloss er eine Auslandskrankenversicherung ab. Sie bezieht auch seine Frau Ulrike mit ein, die mit ihm nach Fairbanks ging. Mitte vergangenen Jahres wurde die Psychologin schwanger. Im November kehrte sie für einen verlängerten Weihnachtsurlaub nach Potsdam zurück. Für den 3. Januar war der Rückflug nach Alaska geplant.

Doch es kommt zu Komplikationen. Am 30. Dezember wird die 29-Jährige in die Notaufnahme des St.-Josefs-Krankenhauses aufgenommen. „Wegen der akuten Gefahr einer Frühgeburt“, sagt Guido Große. Noch am selben Tag wird sie ins Klinikum „Ernst von Bergmann“ verlegt. Neun Wochen muss sie strengste Bettruhe halten. Sie darf nicht aufstehen, nicht einmal, um auf die Toilette zu gehen. Die ersten Rechnungen bezahlt die DKV. Wenn auch verspätet. Jemand vom Klinikum kommt an ihr Bett und erklärt, wenn die Versicherung nicht zahlt, müssen erst einmal ihr die Behandlungskosten in Rechnung gestellt werden. Ihr Mann ist zu der Zeit noch in Alaska.

Dann will die DKV nur noch die Hälfte zahlen. Die Auslandsversicherung erlaube nur einen dreimonatigen Aufenthalt in Deutschland, erklärt DKV-Sprecher Christian Heinrich. Die Drei-Monats-Frist läuft am 14. Februar 2007 ab. Am 3. März bringt Ulrike Große im siebenten Schwangerschaftsmonat ihren Sohn Jonas zur Welt. Er wiegt 1900 Gramm und muss zunächst in den Inkubator. Am Freitag vergangener Woche überschreitet er zur Freude der jungen Eltern die 2500-Gramm-Marke. „Er hat schon Pausbäckchen“, freut sich Ulrike Große. Wann Jonas das Klinikum verlassen kann, ist noch nicht absehbar. Mit der Leistung des Klinikums sind die Eltern sehr zufrieden, nicht aber mit der der Versicherung.

Einen Tag zuvor bekommt das Paar die vorläufige Klinikumsrechnung über 16 400 Euro. Die DKV aber will nur 8800 Euro übernehmen. Ulrike Große habe die „Grenzverweildauer“ im Klinikum überschritten, so DKV-Sprecher Heinrich. „Es kann nicht sein, dass man nur ein Kind kriegt und sich deshalb über Jahre verschuldet“, sagt Guido Große. Er hat seinen Jahresurlaub genommen und ist nach Potsdam geflogen. Er bringt die Hoffnung mit, eine Versicherung der Uni Fairbanks werde die Kosten übernehmen, später.

DKV-Pressesprecher Heinrich bemüht sich. Er will mit der Fachabteilung sprechen, die den Fall Große bearbeitet. Er scheint nicht glücklich mit der Situation. Er scheint zu wissen, dass die Drei-Monats-Frist für den Heimaturlaub bei einer Auslandskrankenversicherung ein Fallstrick ist. Jedenfalls für Versicherte, die in dieser Zeit eine lange Krankenhaus-Behandlung benötigen.

Am Freitagmittag sagen Guido und Ulrike Große, sie wollten 2009 nach Potsdam zurückkehren. Es sei hier „ziemlich nett“. Am Nachmittag ruft DKV-Sprecher Heinrich bei den PNN an. Ja, die DKV-Versicherung werde „die gesamten 16 400 Euro übernehmen“.

Aus Kulanz, wie er sagt.

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