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Der Islam und die Integration: Was in Potsdams Moschee gepredigt wird

Der Journalist und Grimme-Preisträger Constantin Schreiber hat Freitagsgebete in ganz Deutschland besucht - und fragt nach ihrem Wert für die Integration von Flüchtlingen. Sein Befund für die Moschee in Potsdam ist ernüchternd. Der Imam der Gemeinde widerspricht.

Der Imam der Muslime in Potsdam gerät in die Kritik. In einem Buch mit dem Titel „Inside Islam“ prangert der ARD-Journalist und Grimme-Preisträger Constantin Schreiber an, dass der muslimische Geistliche einen streng konservativen Islam vertrete, der ein Hindernis für die Integration der Gläubigen darstellen könne. Der Imam Kamal Abdallah, Chef des Vereins der Muslime in Potsdam, bestreitet dies.

Für das Buch, das am Montag erscheint, hat der 37-jährige Journalist Schreiber zwischen Juni und Dezember 2016 insgesamt 13 Moscheen besucht und dort die Freitagsgebete aufgenommen, übersetzen lassen und in voller Länge veröffentlicht. Schreiber spricht fließend Arabisch, er war unter anderem Korrespondent der Deutschen Welle in Dubai. Die Biosphäre, in deren Orangerie der Muslime-Verein seine Freitagsgebete abhalten darf, besuchte Schreiber am 16. Dezember 2016.

Predigt beim Freitagsgebet in Potsdam streng konservativ

Seine Bewertung der Predigt fällt ernüchternd aus. Der streng konservative Charakter der Predigt sei schon in der Einführung klar geworden. Der Imam habe so begonnen: „Jede Neuerung ist Ketzerei. Und Ketzerei ist Irrtum. Und Irrtum endet im Feuer.“ Auffällig sei auch eine weitere in der Predigt geäußerte Warnung: „Es gibt einige Brüder, die wegen des Euros auf ihr Gebet verzichten, wegen des Euros auf ihre Prinzipien verzichten, wegen des Jobcenters. Wir respektieren das Jobcenter und das Lageso und dieses Land, aber wir respektieren nicht den Menschen, der seine Religion aufgibt.“

Schreiber fasst das so auf, dass die Religion wichtiger sei als wirtschaftlicher Erfolg. „Diese Haltung könnte als Integrationshindernis wirken.“ Ebenso sei die Predigt als klarer Aufruf zur Missionierung zu werten. Im Buch ist folgende Passage dokumentiert: „Wahrlich, meine Brüder im Glauben, die größte Sache ist es, dass durch dich ein Nichtmuslim oder eine Nichtmuslimin rechtgeleitet wird und durch dich den Islam annimmt.“

Werden Flüchtlinge dazu aufgerufen, keine Freundschaften zu Deutschen zu schließen?

Schreiber beurteilt dies als bedenklich, da fast alle Besucher Flüchtlinge gewesen seien, viele nicht Deutsch sprachen. „Sie können die Umgebung um sich herum überhaupt nicht einschätzen. Glauben sie wirklich, sie sollen in Potsdam Menschen ansprechen und sie zum Übertritt zum Islam überreden?“, fragt der Journalist. Ebenso stößt er sich an einem weiteren Kerngedanken: „Befreunde dich also mit deinen rechtschaffenen Brüdern.“

Das bedeute im Umkehrschluss: Schließe keine Freundschaften mit Nichtmuslimen. „Eine Predigt, die zur Verbreitung des Islams aufruft und auch sagt, man solle sich nicht mit Nichtmuslimen anfreunden, fördert mit Sicherheit nicht das Ankommen in Deutschland“, so Schreiber. Auffällig sei, dass der Imam mehrfach soziale Medien wie Facebook erwähnt habe, die genutzt werden sollten, um Menschen zu einem islamtreuen Leben zu animieren. Zu einem angefragten Gespräch nach der Predigt habe der Imam nicht zur Verfügung gestanden.

Syrer sagten, die Predigt sei konservativer als in ihrer Heimat

Schreiber, der für seine N-TV-Sendung „Marhaba“, in der er Flüchtlingen auf Arabisch Deutschland erklärte, mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, hat zu seinem Buch dem Magazin „Stern“ ein Interview gegeben. Darin nennt er seine Erfahrung in Potsdam als außergewöhnlichste während der Recherche – auch wegen des Ortes des Gebets. Er sagt zudem, dass Besucher aus Syrien ihm erklärt hätten, dass sie die Predigt konservativer als bei sich zu Hause fanden.

In allen 13 Moscheen, die er für sein Buch besuchte, habe er keine Freitagspredigt gehört, „die ich wenigstens okay fand. Fast alle waren sehr konservativ. Und wenig integrativ“. Integration sei eher als Bedrohung der reinen Islam-Lehre dargestellt worden. Zumindest habe es keine Gewaltaufrufe gegeben: „Aber mir hat gereicht, was ich sonst gehört habe“, so Schreiber.

Imam widerspricht: Integration ist wichtig

Der Potsdamer Imam Abdallah nahm am vergangenen Freitag vor dem Gebet gegenüber den PNN Stellung zur Veröffentlichung in dem Buch „Inside Islam“. Er sagte, er wisse nicht mehr, ob er an jenem 16. Dezember die Predigt gehalten habe oder ein Stellvertreter. Im Buch heißt es dazu: „Der Imam kommt aus Syrien, das ist an seinem Arabisch klar zu erkennen.“

Abdallah sagte dagegen, er sei im Libanon geboren. Es gehe dem Verein nicht um Missionierung. Man verstehe sich als Botschafter, wolle mit Informationen ein „gutes Bild vom Islam zeigen“. Zwang sei dabei untersagt – zumal Glauben „eine Herzenssache“ sei. Er versuche, die Gläubigen zum Erlernen der deutschen Sprache zu motivieren. „Für uns ist Integration eine wichtige Angelegenheit.“ Allerdings könne man zum Beispiel auf das Freitagsgebet nicht verzichten, neue und andere Formen des Gebets seien im Islam nicht denkbar. Gleichwohl seien eine geregelte Arbeit für den Lebensunterhalt und religiöse Handlungen miteinander vereinbar. Auch Freundschaften zu Nichtmuslimen seien wichtig, „ich selbst habe viele“. Alle Menschen stammten von Adam und Eva ab: „Wir sind Brüder.“ Er habe das Gefühl, das neue Buch wolle ein negatives Bild des Islam vermitteln, so Abdallah.

Sozialbeigeordneter Schubert: Keine Hinweise auf Äußerungen gegen freiheitliche-demokratische Grundordnung

Der Verfassungsschutz des Landes hatte die Potsdamer Gemeinde in den vergangenen Jahren als unauffällig eingestuft. Das war nicht immer so. Laut einem Verfassungsschutzvermerk von 2004 hatte der Imam damals regelmäßig gegen Juden, andere Religionen und den Westen gepredigt. Nach einem Rechtsstreit mit Abdallah musste die Behörde dessen Namen allerdings wieder streichen.

Auf die Beschreibungen in dem Buch reagierte am Freitag auch Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) – auf seine Vermittlung kann der Verein seit Herbst den Saal der kommunalen Biosphäre nutzen, das kostet die Stadt 1500 Euro pro Freitagsgebet. Auslöser war die Platznot in der Al-Farouk-Moschee in der Straße Am Kanal, Gläubige mussten auf dem Gehweg vor der Moschee beten.

Schubert erinnerte daran, dass der Verein zu diversen Veranstaltungen eingeladen habe und dabei in den interreligiösen Dialog eingetreten sei. „Auch in persönlichen Gesprächen mit Mitgliedern des Vorstandes wurde seitens der Muslime Weltoffenheit und Toleranz signalisiert.“ Schubert betonte, die Stadt würde aber Äußerungen, in denen die freiheitlich demokratische Grundordnung infrage gestellt wird, nicht tolerieren. „Solche Äußerungen sind uns aktuell aber nicht bekannt.“ (mit Alexander Fröhlich und Sabine Schicketanz)

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Constantin Schreiber spricht im PNN-Interview über seine Recherche beim Potsdamer Freitagsgebet – und warum er sichtbar macht, was in Moscheen geschieht.

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