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Landeshauptstadt: „Der Himmel reißt auf“

Wolfgang Hering war 30 Jahre lang Pfarrer der Nikolaikirche in Potsdam. Heute reist er viel und hat einen Roman geschrieben

Von Sarah Kugler

Dicht an dicht reihen sich Bücher an der Wand. Auf der gegenüberliegenden Seite hängt eine verblasste Kopie der russischen Dreifaltigkeitsikone von Andrei Rubljow. Eine aufgeschlagene Bibel liegt auf dem Schreibtisch. Familienfotos sind überall verteilt. Das Arbeitszimmer von Wolfgang Hering ist gefüllt mit Zeugnissen seines Lebens, von denen nicht wenige im Bezug zu seinem Glauben stehen.

Vierzig Jahre lang war er Pfarrer im Dienst der evangelischen Kirche, davon 30 Jahre in der Potsdamer Sankt Nikolaikirche. Seit zehn Jahren ist er nun schon im Ruhestand – und dabei so aktiv wie eh und je: Er unternimmt viele Reisen, hält immer noch den einen oder anderen Gottesdienst und schreibt Texte verschiedenster Art. Nun ist sein erster Roman „Der Himmel reißt auf – Eine Entführung im Heiligen Land“ erschienen, der im Wesentlichen eine Abenteuergeschichte erzählt, dabei aber auch wichtige Fragen rund um Glaube und Religion stellt.

In dem Buch unternimmt der religionslose Protagonist Paul mit seiner katholischen Lebenspartnerin eine Kreuzfahrt in den Norden. Dabei lernen die beiden ein muslimisches Paar kennen, mit dem sie sich anfreunden. Als sie die neuen Freunde in deren Heimatstadt Bethlehem besuchen, geraten sie in die Fänge von Kriminellen und es beginnt eine lebensgefährliche Entführung und Flucht durch die Wüste Sinai. Am Ende stellt sich Paul nicht nur die Frage, wer dahintersteckt, sondern auch, ob es nicht doch eine höhere Macht gibt.

„Natürlich ist das Ganze eine große phantasievolle Abenteuergeschichte“, sagt Wolfgang Hering, der 1939 in Guben geboren wurde. „Aber mir war es auch wichtig, mit diesem Buch die Sinnfrage zu stellen im Zusammenhang der unterschiedlichen Kulturen.“ Auch die Wandlung des Protagonisten vom Atheisten zum Gläubigen, ausgelöst durch eine extreme Notsituation, sei etwas, das er oft erlebt hätte. „Viele Menschen richten sich in physischer oder seelischer Not an eine höhere Macht“, so Hering. „Egal ob sie einer Religion angehören oder nicht.“

Das Schlüsselerlebnis, das ihn schließlich zum Schreiben des Romans veranlasst habe, war aber etwas ganz anderes. Während seiner Zeit im Ruhestand war Hering auch oft als Schiffspastor auf Kreuzfahrtschiffen tätig. Bei einer Nordlandreise über Island bis Spitzbergen fuhr das Schiff an der Insel Jan Mayen im Nordatlantik vorbei. „ Es war vollkommen neblig und man sah gar nichts“, so Hering. „Dann riss auf einmal der Nebel auf und der Große Beerenberg wuchs vor uns empor. Das war ein sehr beeindruckendes Erlebnis – und der Titel des Buches war geboren.“ Auch das Titelbild des Romans stammt von dieser Reise.

Insgesamt war er sechsmal als Schiffspastor unterwegs. Davon ist ihm neben der Nordatlantikerfahrung noch die Fahrt von Moskau nach St. Petersburg im Jahr 2012 in Erinnerung geblieben. „Als Schiffspastor war man eigentlich immer nur gerade so geduldet, der Zulauf hielt sich sehr in Grenzen“, sagt Hering. „Aber die damalige russische Kreuzfahrtschiffsmannschaft war sehr interessiert an dem, was ich mache. Denn die waren zwar alle getauft, aber niemand erklärte ihnen so richtig den theologischen Hintergrund. Das habe ich dann übernommen.“ Daran erinnert ihn bis heute das Bild der Dreifaltigkeitsikone in seinem Zimmer, über die er mit den Russen viel gesprochen hat.

Neben seiner Tätigkeit als Schiffspastor war Hering auch auf vielen Pilgerreisen unterwegs. So beging er den Jakobsweg bis nach Santiago die Compostella und pilgerte mit Gruppen unter anderem nach Rom, Israel und Istanbul. Als Vorsitzender der „Potsdamer Pilgerwege“ bietet er regelmäßig Pilgerführungen zu verschiedenen Themen in Potsdam an. „Man muss ja nicht immer in die Ferne reisen, um eine religiöse Erfahrung zu machen“, sagt der siebenfache Vater und stolze Opa von 15 Enkelkindern schmunzelnd. „Das Schöne dabei ist, einmal hinter die äußere Fassade der Kirchen zu schauen, mehr über das Gefühl darin zu erfahren. Die Leute staunen oft, was sie dabei noch über Potsdam erfahren können.“

Auch als sogenannter Urlaubspastor war Hering viel in der Welt unterwegs, was nichts anderes bedeutet, als dass er deutschen Urlaubern oder auch deutschen Auswanderern die Möglichkeit gibt, an evangelischen Gottesdiensten teilzunehmen oder ihnen als Seelsorger zur Seite steht. Im Jahr 2004 war er unter anderem auf Fuerteventura, wo er seine Gottesdienste in Gaststätten, Hotels, im Freien oder auch in Katholischen Kapellen abhielt. „Ich habe dort auch einmal eine Trauung am Strand miterlebt, die ganz schrecklich war“, erzählt er lachend. „Es war furchtbar windig und alles flog davon: Meine Zettel, mein Talar, das Kleid der Braut – das kann ich wirklich keinem empfehlen.“ Es gab aber auch sehr ernste Momente: „Ich habe unter anderem eine schwer kranke Frau seelsorgerisch begleitet, die davon ausging, bald zu sterben“, so Hering. „Unerwartet wurde sie doch wieder gesund. Das war sehr bewegend und eine Bestätigung, dass Wunder möglich sind.“

Zweifel am Glauben oder seinem Beruf hätte er nie gehabt, es sei von Anfang an eine Berufung gewesen, die ihn nie wieder losgelassen hätte. Allein über Ostern hält er wieder insgesamt vier Gottesdienste – aber auch das nächste Buch ist schon in Arbeit. „Diesmal werden es drei Kurzgeschichten, die von verschiedenen Erlebnissen aus meinem Leben erzählen“, so Hering.

Somit wird er auch die nächsten Jahre nicht wirklich zur Ruhe kommen und weiterhin Erinnerungsstücke für seine Wände sammeln.

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