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DER ABRISS: Holland kommt wieder

Vor dem Baustart neben der Französischen Kirche: Eine Wohnungs- Genossenschaft will auf der Freifläche direkt am Bassinplatz ein altes Karree wieder aufbauen – allerdings nicht ganz originalgetreu

Schon weit mehr als 200 Jahre weilt er nicht mehr unter den Lebenden. Er, der Initiator des einstigen Gebäudeensembles direkt neben der Französischen Kirche. Doch im Jan-Bouman-Haus im Holländischen Viertel konnte man ihn, den großen König, am gestrigen Montag tatsächlich hören. Flötenmusik, geschrieben von seiner Majestät, Friedrich II. daselbst. Hedda Batsch, Schülerin der Städtischen Musikschule „Johann Sebastian Bach“, brachte Übungsstücke zu Gehör, die Friedrich der Große einst selbst komponiert haben soll.

Batsch eröffnete mit ihrem Flötenspiel eine Veranstaltung des Fördervereins zur Pflege Niederländischer Kultur, in der am gestrigen Montag ein Bauprojekt in Potsdams Mitte vorgestellt wurde. Die Potsdamer Wohnungsgenossenschaft 1956 (PWG) plant, in unmittelbarer Nähe der Französischen Kirche am Bassinplatz ein altes Gebäudeensemble wieder entstehen zu lassen. Von dem auf Geheiß von Friedrich II. in den Jahren 1751/52 errichteten Häusern fehlt im Stadtbild seit einem Vierteljahrhundert jede Spur. Dort, wo heute neben der Kirche eine große Freifläche ist, hatte der König den Bau von drei Häusern angeordnet. Als Architekt dafür holte er sich seinen Hollandexperten Jan Bouman heran. Der Architekt, der auch das Holländische Viertel entworfen hatte, gestaltete das kleine Gebäudeensemble in eben jenem Stil, den er auch dem Quartier in der Benkert- und der Mittelstraße verpasst hatte.

Binnen zwei Jahren, also bis 2015, soll jener Holländische Stil direkt neben der Französischen Kirche wieder erlebbar werden. Keine komplette Kopie des alten Zustands, aber doch voll von Zitaten und Anlehnungen an die historischen Vorbilder, sagte Architekt Herbert Knopf auf der gestrigen Veranstaltung, mit der zugleich im Jan-Boumann-Haus eine Ausstellung zur Geschichte des alten Quartiers an der Französischen Kirche eröffnet wurde. Die Schau zur Historie der drei Häuser wird noch bis zum 15. September zu sehen sein.

Wie Wolfram Gay, Kaufmännischer Vorstand der PWG, während der gestrigen Ausstellungseröffnung mitteilte, ist die Baugenehmigung für das Gebäudeensemble bereits erteilt. 31 Wohnungen sollen hier künftig entstehen. Dazu soll es in den drei Häusern auch Gewerbeflächen geben. Und einer Besonderheit der späteren Nutzung will die PWG schon beim Bau der Häuser Rechnung tragen: In den Gebäuden werden künftig Bewohner eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts einziehen. Die dafür erforderlichen Gemeinschaftsräume sind bereits in den Planungen vorgesehen. Pia Wehner, die als Designerin in der Uckermark arbeitet, gab gestern schon einmal einen kleinen Einblick in das künftige Leben im Quartier. Es werde sich jeweils ganz klassisch um abgeschlossene Wohnungen handeln. In den Gemeinschaftsräumen könnten die Bewohner dann aber selbst Projekte entwickeln. Je nach Qualifikation und Neigung seien Kurse und Aktivitäten der unterschiedlichsten Art vorstellbar. Ob Mal- oder Sportkurs, Basteln oder gemeinsames Wandern – die Bewohner müssten dies dann selbst entscheiden. Es werde sich in den nächsten Monaten ein Verein gründen, dem die zukünftigen Bewohner dann angehören müssen.

Wie PWG-Vorstand Gay mitteilte, werden die Wohnungen 44 bis 83 Quadratmeter groß sein. „An dieser exponierten Stelle“ verzeichne man schon jetzt eine starke Nachfrage von Interessenten, die hier künftig wohnen wollen, sagte er.

Für die Geschäftsbücher der PWG wird das Projekt wahrscheinlich nicht das glanzvollste sein, wie Gay durchblicken ließ: „Es rechnet sich für uns knirsch“, meinte der Kaufmännische Vorstand. Die Gesamtinvestitionssumme bezifferte er auf über sechs Millionen Euro. Die künftigen Wohnungen werde man zu einem Quadratmeterpreis von mindestens zwölf Euro brutto – also inklusive Betriebskosten - zur Miete anbieten.

Nachdem eines der drei Häuser bereits einer Gründerzeitbebauung zum Opfer fiel, wurden im Jahr 1988 die letzten beiden historischen Häuser des ursprünglichen Ensembles abgerissen – gegen den Bürgerwillen, der sich unter anderem in den Bürgerrechtsgruppen Arche und Argus organisiert hatte. Es hieß damals, der Platz werde für einen Hubschrauberlandeplatz des damaligen Bezirkskrankenhauses gebraucht. Doch irgendwie schien das Schicksal dieser Häuser auch die Verantwortlichen in der Verwaltung nicht kalt zu lassen. Noch zu DDR-Zeiten ließ die Administration verlauten, man baue das Ensemble ab 1990 wieder auf. Wie Norbert Blumert, Kurator der jetzt im Jan-Bouman-Haus eröffneten Ausstellung am Montag sagte, sei der wahre Grund für den Abriss gewesen, dass man die Häuser nicht mehr habe instand halten können.

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