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Landeshauptstadt: Der 21. März vor 80 Jahren in Potsdam Eine Chronologie des „Tags von Potsdam“

Die nationalbürgerlich-konservative „Potsdamer Tageszeitung“ widmete dem „Tag von Potsdam“ eine Sonderausgabe. Darin sind die Berichte der Journalisten zusammengefasst, die den Tag offenbar recht unkritisch und voller Begeisterung erlebten.

Von Katharina Wiechers

Die nationalbürgerlich-konservative „Potsdamer Tageszeitung“ widmete dem „Tag von Potsdam“ eine Sonderausgabe. Darin sind die Berichte der Journalisten zusammengefasst, die den Tag offenbar recht unkritisch und voller Begeisterung erlebten. So wird beispielsweise mit keinem Wort erwähnt, dass SPD und KPD die Veranstaltung boykottierten. Um den Ablauf des Tages nachzuvollziehen, ist die Ausgabe aber ein wichtiges Dokument. Sie bildet die Grundlage für folgende Chronologie des 21. März 1933 in Potsdam.

6.30 Uhr: Bei eisigen Temperaturen spielen die beiden Kapellen des Infanterie-Regiments Nr. 9 eine Reveille, also einen Weckruf. Damit hat der „Tag von Potsdam“ offiziell begonnen.

7.30 Uhr: An der Garnisonkirche werden Lautsprecher in die Bäume gehängt und Filmkameras aufgebaut.

8.30 Uhr: Vom Bahnhof strömen Besuchermassen in die Innenstadt. Schon seit 6 Uhr sind die Stadtbahnzüge überfüllt. Mehrere Zehntausend Menschen verfolgten das Ereignis angeblich.

9 Uhr: Auf den Straßen herrscht Verkehrschaos. Der Alte Markt ist überfüllt, die Fenster rundherum dicht besetzt, auch Dächer und Balkone. Alte Damen haben sich Klappstühle mitgebracht, um nicht stehen zu müssen. Ein kleines Mädchen hat sich in der Masse verlaufen und wird von einem Schupo auf’s Pferd gehoben. Er ruft „Martha Müller gefunden“, kurz darauf taucht die Mutter auf und nimmt das Kind entgegen. Außerhalb der Feststraßen ist Potsdam hingegen wie ausgestorben.

10 Uhr: Glockengeläut kündigt an, dass der Gottesdienst beginnt und dass Hindenburg in Potsdam eingetroffen ist.

10.30 Uhr: Die Reichstagsabgeordneten fahren an der Nikolaikirche vor, dann Hindenburg im Auto. Pfarrer Horst Lahr empfängt sie an der Freitreppe. In der Kirche warten schon Mitglieder der Reichsregierung, des Staatsrates, Vertreter der Stadt, der Geistlichkeit und Abgeordnete. Generalsuperintendent Otto Dibelius hält die Messe. Sie wird via Lautsprecher auf den Wilhelmplatz (heute Platz der Einheit) übertragen. Nach der Messe wird Hindenburg in Richtung Park Sanssouci gefahren. Parallel gibt es auch in der katholischen Kirche St. Peter und Paul einen Gottesdienst.  Zu den Gästen zählen Vertreter von Behörden, des Militärs, der Stadtverwaltung und des Diplomatischen Korps. Reichskanzler Adolf Hitler erscheint nicht, er besucht währenddessen die Gräber der zu Tode gekommenen SA-Männer auf dem Luisenstädtischen Friedhof in Berlin.

11 Uhr: Hindenburgs Wagen erreicht Park Sanssouci. Er macht eine Spazierfahrt zum Schloss Sanssouci und zum Neuen Palais.

12 Uhr: In der Garnisonkirche sitzen die neu gewählten Reichstagsabgeordneten, in der Mitte Hindenburg sowie Reichskanzler Hitler samt Kabinettsmitgliedern. Hindenburg hält eine Rede, anschließend spricht Hitler. Danach legt Hindenburg in der Gruft Kränze an den Gräbern von Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. ab. Anschließend fährt er im offenen Wagen durch die Breite Straße.

Abends: Angeblich rund 30 000 Menschen versammeln sich am Sportplatz Luftschiffhafen, eine Kapelle spielt Marschmusik. Dann ziehen die Verbände ein: „Braunhemden und immer wieder Braunhemden umziehen mit wehenden Hakenkreuzfahnen das Rund des Stadions“, schreibt ein Reporter. Oberbürgermeister Arno Rauscher hält eine Rede, den Abschluss bildet ein Feuerwerk.

Nach Einbruch der Dunkelheit: Rund 3000 Menschen ziehen mit Fackeln durch die Zeppelin-, die Luisen- und die Brandenburger Straße zum Bassinplatz. Entlang des Fackelzugs entsteht ein „geradezu lebensgefährliches Gedränge“. Mit dem Löschen der Fackeln auf dem Bassinplatz ist auch der Tag von Potsdam zu Ende. Katharina Wiechers

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