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Andreas Kalesses Verdienste um die Rettung der Potsdamer Innenstadt sind immens. An seinem Stil gab es allerdings auch viel Kritik.

© Andreas Klaer

Denkmalschutz mit Biss: Andreas Kalesse: Potsdam als Vermächtnis

Seit 25 Jahren ist Andreas Kalesse Stadtkonservator von Potsdam – gefürchtet, geachtet und vielfach kritisiert. Ein Rückblick.

Von Peer Straube

Potsdam - Für viele Bauherren ist allein sein Name wie ein rotes Tuch, für andere ist er schlicht der Heilsbringer für die Potsdamer Denkmallandschaft. Kaum ein Rathausmitarbeiter hat gegen so viele Widrigkeiten gefochten, so viele Stürme – auch selbst verursachte – überstanden wie Andreas Kalesse. Seit genau 25 Jahren ist er jetzt Stadtkonservator von Potsdam. Er war und ist ebenso gefürchtet wie geachtet, auch wenn er öffentlich kaum noch in Erscheinung tritt.

Potsdam wäre ohne ihn nicht die Stadt, die sie heute ist

Die Verdienste des 63-Jährigen um den Erhalt des baulichen Erbes der Landeshauptstadt sind immens, seine fachlichen Qualifikationen über jeden Zweifel erhaben. Potsdam wäre ohne ihn nicht die Stadt, die sie heute ist. Als Kalesse, der in Berlin geboren wurde und in Spandau lebt, im Januar 1991 nach Potsdam kommt, sind Grau und Schwarz die dominierenden Farben an den Häuserfassaden. Die barocke Innenstadt mutet in weiten Teilen an, als wäre der Krieg gerade erst zu Ende gegangen. „In der Stadt sah es grausam aus“, sagt er rückblickend. Das Holländische Viertel sei zu 70 Prozent eine einzige Ruine gewesen und nahezu unbewohnt.

In den Folgejahren stellt Kalesse die Weichen für eine denkmalgerechte Rekonstruktion des historischen Stadtkerns – und bricht eine Lanze für die Potsdamer Mitte: Bereits damals plädiert der Stadtkonservator für die Wiederherstellung des Stadtkanals und fordert als Erster den Wiederaufbau des Stadtschlosses als neuer Brandenburger Landtag – mit beidem ist er seiner Zeit weit voraus.

Kampf gegen Bausünden

Vor allem aber kämpft er öffentlich und lautstark gegen die Bausünden, die sich gerade in den 90er-Jahren in Potsdam häufen: Die Bebauung des Glienicker Horns und die Dimensionen des Potsdam-Centers nebst neuem Hauptbahnhof bringen Potsdam auf die Rote Liste der Unesco. Der Stadtkonservator wettert schon früh gegen die „dritte Stadtzerstörung“, spricht von Scheußlichkeiten im Umfeld des Welterbes und prangert die Bauverwaltung um ihren einflussreichen Chef Detlef Kaminski öffentlich an. Er habe kein Vertrauen mehr in die Bauleitplanung der Stadt, sagt Kalesse damals. Worte, die ihm den Unmut der Rathausspitze einbringen – und einen Maulkorb vom damaligen Oberbürgermeister Horst Gramlich. Den verpassen ihm auch Gramlichs Nachfolger – Kalesse hält sich freilich selten daran.

Für die Stadt ist es ein Segen, dass Kalesses Einfluss am größten ist, als es Potsdam am nötigsten hat. Mit seinem Leitspruch, wonach Potsdams Hauptaufgabe darin besteht, „schön zu sein“, bildet er offen einen Widerpart zu Kaminski, der damals provokant fragt, „ob sich Potsdam so viele Denkmäler überhaupt leisten“ könne. Dass Potsdam noch Welterbestadt ist, dass Kompromisse möglich und die größten Bausünden zumindest abgemildert werden, daran hat Kalesse maßgeblichen Anteil. Er engagiert sich auch für die Russische Kolonie, die Alexander-Newskij-Kapelle zählt neben der Kirche in Groß Glienicke zu seinen Lieblingsdenkmalen.

Verdienstorden für Kalesse

Eine Anerkennung für seine Leistungen bekommt er nicht, jedenfalls nicht von der Stadt Potsdam. Im Gegenteil: Dafür, dass der Stadtkonservator im Jahr 2000 die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhält – eine der höchsten Auszeichnungen, die der Staat zu vergeben hat –, ist der Regierende Bürgermeister von Berlin verantwortlich. Kalesse wird für seine Verdienste um den Erhalt der Spandauer Altstadt geehrt – aber ausdrücklich auch für sein Engagement für die Potsdamer Kulturlandschaft.

Wirklich hart trifft Kalesse die Degradierung, die nur wenig später folgt. Schon unter Gramlich und Kaminski wird die Eingliederung des damals zum Kulturressort gehörenden Denkmalamtes in die Bauverwaltung betrieben, doch es ist Gramlichs Nachfolger Matthias Platzeck, der als Oberbürgermeister diesen Schritt tatsächlich vollzieht.

Bauherren klagen über rüden Umgangston

Leicht gemacht wird ihm sein Job innerhalb der Verwaltung ohnehin nie – was auch daran liegt, dass keinem der Baustadträte und -dezernenten seit der Wende der Denkmalschutz in Potsdam wirklich am Herzen lag. Es liegt eine gewisse Tragik darin, dass Kalesse, der stets allerhöchste Ansprüche im Denkmalschutz stellt, schließlich eine Dauerverteidigungshaltung annimmt, die ihn auch kompromissloser – und extremer – werden lässt.

Der Freigeist in der Bauverwaltung, der Querulant, der Unbequeme – Kalesse gefällt sich zusehends in dieser Rolle, wird eins mit ihr – und überzieht dabei nicht selten. Bauherren klagen zunehmend über einen rüden Umgangston, der Stadtkonservator agiert mitunter selbstherrlich.

Günther Jauch kritisiert Denkmalpflege

Zum Eklat kommt es 2007, als der TV-Moderator und Wahl-Potsdamer Günther Jauch, der in Potsdam zahlreiche Häuser saniert, öffentlich über Ämterwillkür in der Potsdamer Bauverwaltung, speziell in der Denkmalpflege, klagt. Als Konsequenz kündigt Jauch an, vorerst keine Denkmale mehr in Potsdam instand setzen zu wollen. Kalesse kontert mit einem bissigen Brief: „Dass Sie sich eine ,Investitionspause’ verordnen, ist gut. Dann können Sie in Ruhe vergleichen.“

Ein von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in Auftrag gegebener Prüfbericht des Verwaltungsrechtsexperten Ullrich Battis bestätigt Jauchs Vorwürfe. Den Ton von Kalesses Brief sieht Battis als stellvertretend für den Umgangsstil vieler Denkmalschützer in Potsdam an. Zugleich lobt Battis die Behörde unter fachlichen Aspekten aber auch als eine der besten in Brandenburg. Als Konsequenz aus der Affäre wird Kalesses Einfluss nach außen hin weiter beschnitten. Unabgestimmt öffentlich zu Wort melden darf er sich seitdem nicht mehr – erstmals aber hält er sich auch weitgehend daran.

Kalesse wettert gegen Chef der Schlösserstiftung

Ausnahmen gibt es trotzdem, etwa vor zwei Jahren, als er in einem Zeitungsinterview Hartmut Dorgerloh, den Chef der Schlösserstiftung, angreift. Ihn erzürnt dessen ablehnende Haltung zur Rückkehr der acht Attika-Figuren vom Dach der Berliner Humboldt-Uni auf das Potsdamer Stadtschloss, auf dem sie einst standen. Es sei an der Zeit, Dorgerlohs „Arroganz der Macht“ in „die Schranken zu weisen“, wettert Kalesse.

Inzwischen scheinen die größten Stürme überstanden und auch mit der Eingliederung der Denkmalbehörde in die Bauverwaltung hat er seinen Frieden gemacht. Auf lange Sicht, sagt er heute, habe sich dieser Schritt dann doch „eher als sinnvoll“ erwiesen. Und er ist stolz auf das Erreichte. „Tiefe innere Zufriedenheit“ erfülle ihn, wenn er heute durch die Innenstadt gehe, sagt Kalesse. „Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, die barocken Häuser innerhalb so kurzer Zeit in einen so guten Zustand zu versetzen.“

Noch lange nicht amtsmüde

Gut zwei Jahre hat Kalesse noch bis zum Ruhestand, von Amtsmüdigkeit ist keine Spur: Die Forschung über den Jüdischen Friedhof, den ersten unter Unesco-Schutz in Deutschland, will er noch abschließen und auch die Restaurierung und wissenschaftliche Untersuchung der Russischen Kolonie zu Ende bringen.

Bei aller, auch berechtigter Kritik an seinem Stil: Potsdams heutiger Zustand ist Kalesses Vermächtnis. So sieht er es auch selbst. Wenn Denkmal-Experten von außerhalb heute die Stadt bewerten, „spielt Potsdam immer in der obersten Liga“, sagt er zufrieden. „Das ist es, was zählt.“

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