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Defibrillator-Standorte in Potsdam: Erste Hilfe für das Herz

Ein Defibrillator kann Leben retten. Wer in Potsdam ein solches Gerät braucht, steht allerdings vor einem Problem.

Potsdam - Beim Fall der verstorbenen Schwimmerin im Sport- und Freizeitbad blu war trotz Reanimation letztendlich zwar keine Rettung möglich. Doch unabhängig vom Ausgang dieses Unglücks betonen Ärzte und Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) immer wieder: Wenn es um Menschen mit Herzkreislaufstillstand geht, zählt jede Minute. Ein Defibrillator kann Leben retten – wenn er denn schnell zur Hand ist. Allerdings gibt es in Potsdam weniger als 20 öffentlich zugängliche Geräte. Und kein zentrales Verzeichnis, das die Standorte ausweist.

Bei einem Herzkreislaufstillstand sinkt die Überlebenschance laut Experten mit jeder Minute um zehn Prozent. Pro Jahr sterben in Deutschland rund 65 000 Menschen an plötzlichem Herztod – zum Vergleich: im Straßenverkehr sind es 3200 Tote.

Im Notfall 112 wählen

Im Ernstfall sollte zuerst der Notruf 112 verständigt werden – etwa wenn jemand im Einkaufszentrum, auf der Straße oder am Bahnhof zusammenbricht und nicht mehr auf Ansprache oder leichtes Schütteln reagiert. Bis der Rettungswagen kommt, vergehen wertvolle Minuten. „Dann sollte man unbedingt sofort mit einer Herzdruckmassage beginnen“, sagt der Berliner Kardiologe Dietrich Andresen. „Wenn noch ein zweiter Helfer vor Ort ist, kann er einen Defibrillator holen, wenn einer in der Nähe ist.“ Die Herzdruckmassage bleibe dabei die wichtigste Maßnahme. Andresen sitzt auch im Vorstand der Deutschen Herzstiftung, die derzeit im Rahmen der bundesweiten Herzwochen zum Thema schwaches Herz informiert.

Einen Defibrillator kann man im Ernstfall nicht falsch benutzen

Seit einigen Jahren gibt es Defibrillatoren, die auch von Laien bedienbar sind. Die so genannten Automatisierten Externen Defibrillatoren (AED) hängen an einigen öffentlichen Orten. Bei einem Notfall kann sie ein Passant benutzen. Seit der Erfindung des Laien-Defibrillatoren haben einige Supermärkte, Einkaufszentren oder Sportvereine solche AEDs angeschafft. Die Geräte sind selbsterklärend, die meisten sprechen und geben genaue Anweisungen – die Scheu vieler Menschen vor einer Anwendung ist also unbegründet. „Man kann nichts falsch machen, außer nichts zu machen“, sagt Andresen über einen solchen Notfall. Während eine Herzdruckmassage einen künstlichen Blutkreislauf aufbaut, um das Gehirn mit Sauerstoff zu versorgen und die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zu überbrücken, kann ein Defibrillator das Herz wieder zum Schlagen bringen und für die Wiederherstellung der normalen Kreislaufverhältnisse sorgen. Kombiniert werden müssen immer beide.

Öffentlich zugängliche Defibrillatoren in Potsdam nicht zentral erfasst

Doch wo finde ich einen AED? Diese Frage zu beantworten ist gar nicht so einfach, wie es scheint. Denn: Es gibt kein verpflichtendes Register. Eine Sprecherin des Landesgesundheitsministeriums bestätigte auf PNN-Anfrage, dass die Anzahl der öffentlich zugänglichen AEDs nicht zentral erfasst werde und die Meldung der Standorte freiwillig sei. Hier sei auch keine Veränderung geplant. Auch bei der Stadtverwaltung wird nicht erfasst, wo in der Stadt Defibrillatoren hängen. Immerhin: Im Januar 2018 schafft die Stadt selbst sechs „Defis“, wie sie häufig genannt werden, an. Für insgesamt 5000 Euro Miete im Jahr werden sie unter anderem im Rathaus, im Haus 1 der Stadtverwaltung und im Naturkundemuseum hängen, sagte ein Stadtsprecher.

Anbieter von verschiedene Webseiten oder Smartphone-Apps haben bereits versucht, die AEDs zu erfassen, um im Ernstfall schnell auf einer Karte anzuzeigen, wo der nächste ist. Da die Angaben aber freiwillig sind, ist die Datenlage sehr eingeschränkt und nicht vollständig. Auf der Webseite www.defikataster.de findet man andere AEDs als in der Defi-App des DRK, auf der Homepage mydefi.de sind es wieder andere. Bringt man die Daten der verschiedenen Netze zusammen und ergänzt sie durch weitere Standorte, die beispielsweise auf Vereinsseiten gemeldet werden, kommt man auf knapp 20 AED-Geräde im Potsdamer Stadtgebiet.

„Definitiv zu wenig“ öffentliche Defis in Potsdam 

„Das sind definitiv zu wenig“, sagt Detlef Günter, der in Potsdam eine Selbsthilfegruppe für Herzpatienten leitet. „Es ist ein ganz großes Problem, dass es kein zentrales, verpflichtendes Register gibt“, bestätigt auch Steffen Pluntke, Teamleiter Bildung beim DRK-Landesverbandes. Die Apps seien oft nicht vollständig, nicht aktuell und es sei nicht erkennbar, ob das AED-Gerät auch zugänglich sei, wenn beispielsweise die Läden geschlossen sind. Eine mögliche Lösung sieht er in einer automatisierten Meldung. Manche Geräte der neuesten Generation seien schon mit Simkarten ausgestattet und meldeten automatisch, wenn der Akku leer ist oder das Gerät gewartet werden muss. „Es könnte auch eine Meldung an eine zentrale App abgeben, sodass auch Öffnungszeiten und Verfügbarkeit erfasst würden“, schlägt Pluntke vor.

Auch Mihaela Hoffmann, Oberärztin in der kardiologischen Abteilung des städtischen Bergmann-Klinikums, sieht Handlungsbedarf. Allein in ihrer Klinik werden pro Woche im Schnitt zwei bis drei reanimierte Patienten behandelt. Die Medizinerin ist überrascht, dass es keine zentrale Erfassung gibt. „Vielleicht könnte eine Arbeitsgruppe mit der Stadtverwaltung, der Kassenärzlichen Vereinigung und anderen Beteiligten überlegen, wie ein zentrales Portal geschaffen werden könnte“, schlägt sie vor. Sie sei überzeugt, dass die Ärzte das unterstützen würden.

Wie es gehen kann, zeigt beispielsweise Brandenburg/Havel. Vor mehr als zehn Jahren startete der Verein „Gesund in Brandenburg“ dort eine Kampagne für mehr Defibrillatoren in der Stadt. Inzwischen sind es mehr als 30 – fast doppelt so viele wie in Potsdam, bei weniger als halb so vielen Einwohnern. Die Standorte sind auf der Homepage der Stadt verzeichnet und übersichtlich aufgelistet.

Ärzte wünschen sich flächendeckende Ausstattung

Der Kardiologen Andresen wünscht sich sogar eine flächendeckende Ausstattung mit öffentlich zugänglichen Defibrillatoren. Zwar werde jedes Gerät im Schnitt nur alle sechs Jahre einmal benutzt, aber auch Feuerlöscher würden ja nur im Notfall gebraucht. Länder wie Dänemark gehen mit gutem Beispiel voran, berichtet Andresen: Wenn jemand einen Rettungsdienst ruft, schaut dieser während dem Telefongespräch in einer App nach, wo der nächste AED-Standort ist, und sagt dem Ersthelfer sofort, wo er diesen finden kann.

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