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Debatte um Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche: Rückzug zum Turm

Der Verzicht vom Chef der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche auf das Schiff des Gotteshauses belebt den Bürgerdialog. Einige Beteiligte sind aber noch misstrauisch.

Potsdam - Es ist die Quasi-Absage für den Wiederaufbau des Kirchenschiffs der Garnisonkirche. „Es geht vorerst nur um den Turm“, sagte der seit einem halben Jahr amtierende Chef der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau, Matthias Dombert, am Mittwochabend im Potsdamer Hauptausschuss. Die Frage des Kirchenschiffs solle späteren Generationen überlassen werden. Dafür will Dombert die Satzung des Vereins ändern lassen, die bisher den „historisch getreuen und vollständigen Wiederaufbau“ der 1968 gesprengten Kirche vorsieht. Die Mitglieder sollen dies in einer Sondersitzung beschließen.

Doch es geht um mehr als eine Satzungsänderung – es ist ein politisches Zeichen. Es geht um ein Aufbrechen der festgefahrenen Fronten, die zwischen Befürwortern und Gegnern des umstrittenen Projektes entstanden sind. Und nicht zuletzt geht es auch ums Geld für den Turm, für dessen Bau noch rund 16,8 Millionen Euro fehlen. Die müssen in den kommenden beiden Jahren eingesammelt werden, weil sonst die Baugenehmigung erlischt. Die Zeit läuft, der Spendenfluss muss wesentlich größer werden.

Landeskirche: Architektonischer Bruch muss vertraglich fixiert werden

Zentral sind für die Bauherren die Verhandlungen mit der Landeskirche über finanzielle Unterstützung, im Raum steht eine Summe von fünf Millionen Euro. Mit seinem Vorstoß zur Satzungsänderung schafft Dombert nun die Voraussetzung für die Finanzhilfe. Die Bedingung hatte der Bischof der evangelischen Landeskirche, Markus Dröge, bei der vergangenen Herbstsynode im November genannt – nämlich den Verzicht „auf eine vollständige historisierende Wiedererrichtung der gesamten Kirche“. Das Gesamtkonzept müsse neben der historischen Kontinuität durch den Wiederaufbau des Turmes den Bruch mit der Tradition zum Ausdruck bringen – für Gegner ist das Gotteshaus ein Symbol des Militarismus. „Ein neuer Geist braucht auch ein erkennbar neues Haus“, hatte Dröge gesagt.

Nun präzisierte der Konsistorialpräsident der Landeskirche, Jörg Antoine, auf PNN-Anfrage: Eine mögliche Förderung werde mit der – auch vertraglich fixierten – Auflage verbunden sein, den geforderten historischen Bruch im und am Kirchenschiff zuzusichern. Insofern sei der Vorstoß Domberts folgerichtig. Denn die bislang noch gültige Satzung der Fördergesellschaft schließe einen Bruch noch aus, erklärte Antoine. Eine nicht vollständig originalgetreue Rekonstruktion sei wiederum bei der Stiftung Garnisonkirche schon jetzt möglich: Dort ist in der Satzung lediglich vom Wiederaufbau des „Kultur- und Baudenkmals“ die Rede.

Eine Förderung durch die Kirche wäre immens hilfreich

Eine finanzielle Aufbauhilfe von der Landeskirche wird von den Befürwortern auch wegen ihrer Signalwirkung als sehr wichtig eingestuft. Nachdem die Bundesregierung den Wiederaufbau bereits als „Projekt mit nationaler Bedeutung“ eingestuft und zwölf Millionen Euro zugesagt hat, wäre eine offizielle Unterstützung durch die Kirche ein weiteres Zeichen – speziell kurz vor dem 500. Reformationsjubiläum im kommenden Jahr, bei dem die Region zum Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin und Wittenberg ohnehin bundesweit in den Fokus rückt. Die Folgen für den Spendenfluss wären katastrophal, würde die Landeskirche die von Dröge selbst ins Spiel gebrachte Finanzhilfe doch nicht einbringen.

Zugleich ist der Dombert-Vorstoß auch ein Zugeständnis an die Gegner. Eingeleitet hatte diesen Prozess – nach dem bei einem Bürgerbegehren mehr als 14 000 Potsdamer gegen den Wiederaufbau unterschrieben hatten – Brandenburgs Ex-Regierungschef Manfred Stolpe (SPD). Der sitze auch im Kuratorium der Stiftung für den Wiederaufbau und hatte bereits Mitte 2014 für eine „Nur den Turm“-Lösung plädiert. Dafür bekam Stolpe viel Zuspruch. In der Folge wechselte die Fördergesellschaft ihre Spitze aus: Mitte 2015 ersetzte der frühere Landesverfassungsrichter und renommierte Verwaltungsrechtler Dombert den bis dahin kompromisslos agierenden Ex- Oberst Burkhart Franck. Domberts Aufgabe: Die Strukturen zur Spendenwerbung professionalisieren, aber auch den Gegnern weniger Angriffsfläche bieten.

Linke-Fraktionschef Scharfenberg reagiert mit Wohlwollen

Am Mittwochabend stand Dombert fast einträchtig mit einem der schärfsten Kritiker des Projekts, Carsten Linke von der Wählergruppe Die Andere, vor den Stadtverordneten im Hauptausschuss. Gemeinsam stellten sie vor, worüber sich Gegner und Befürworter im wieder in die Gänge geratenen Bürgerdialog verständigen wollen – etwa zu einer möglichen Bürgerbefragung, sollte die Baugenehmigung für den Turm mangels Geld doch noch erlöschen (PNN berichteten).

Auch der Satzungs-Vorstoß Domberts stößt auf Wohlwollen bisheriger Gegner. Der Oppositionschef im Rathaus, Hans- Jürgen Scharfenberg (Linke), sprach von einem „wichtigen Schritt“, nun sei ein ergebnisoffener Dialog möglich. Mit dem vorläufigen Verzicht auf das Kirchenschiff sei auch eine langfristige Perspektive für das benachbarte Rechenzentrum möglich, in dem seit vergangenem Jahr mehr als 150 Künstler und Kreative ihre Ateliers haben. Dieses Gebäude müsste weichen, würde das Kirchenschiff gebaut. Allerdings schränkte Scharfenberg ein, auch im Turm müssten Brüche mit der Geschichte der Kirche erkennbar sein. „Über so etwas lohnt es sich zu reden“, sagte Scharfenberg. Mit Blick auf den Spendenstand merkte Scharfenberg an, der Verzicht auf einen allzu originalgetreuen Bau könne auch die Kosten senken.

Simon Wohlfahrt von der „Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ sieht in Domberts Äußerungen hingegen einen Strategiewechsel, um zu retten, was noch zu retten sei. Aus der Not werde eine Tugend gemacht, um den originalgetreuen Garnisonkirchenturm erneut als Kompromiss zu verkaufen. Die „Tricksereien mit Scheindebatten und faulen Kompromissen“ müssten beendet werden. Auch sei eine Bürgerbefragung über das Ja oder Nein zum Garnisonkirchenturm zwingend notwendig, um den Streit zu entschärfen. „Die simulierte Kompromissbereitschaft soll die Tür zu den kirchlichen Steuergelder öffnen“ , sagte Wohlfahrt.

Bei Aktivisten für den Wiederaufbau ist Domberts Vorstoß nicht unumstritten

Zudem stehen Dombert und die Stiftung Garnisonkirche vor der Aufgabe, die Anhänger eines originalgetreuen Wiederaufbaus nicht zu verprellen. Mehr als 19 000 Unterstützer aus aller Welt haben bereits auf der Internetseite für das Projekt unterschrieben. So sagte Wieland Eschenburg, der Kommunikationsvorstand der Stiftung, die Satzungsänderung sei kein Abschied vom Kirchenschiff – sondern ein „Unterstreichen, worauf wir uns konzentrieren.“ Schon seine Kinder könnten sich als „künftige Generation“ um das Schiff bemühen, griff Eschenburg die Formulierung Domberts auf. Und die Initiative „Mitteschön“ erklärte, die Kirche gehöre zu Potsdam mit „äußerer originalgetreuer Rekonstruktion von Turm und Kirchenschiff“, Eine Satzungsänderung der Fördergesellschaft, die auf den Bau des Kirchenschiffes verzichte, „lehnen wir deshalb ab“. (mit Alexander Fröhlich)

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"Wir können allerdings die Entwicklung der letzten Monate nicht ausblenden. Und diese Entwicklung ist davon gekennzeichnet, dass Kritiker unseres Vorhabens zum ersten Mal die Existenz der Baugenehmigung für den Turm anerkennen." Matthias Dombert im PNN-Interview >>

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