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Das Gelände mit altem Bahnhof wird zur Zeit durch ein Entsorgungs- und Containerunternehmen genutzt.

© Andreas Klaer

Debatte um Potsdamer Bahnhöfe: Nicht auf demselben Gleis unterwegs

Das Land lässt eine Reaktivierung des Bahnhofs Bornim-Grube prüfen. Im Rathaus ist man verwundert - denn Potsdam hat eigentlich andere Ideen.

Potsdam - Im wachsenden Potsdam und seinem Umland gehört der Verkehr seit Jahren zu den wichtigsten Problemen. Doch offenbar sind Stadt und Land bei dem Thema jüngst nicht auf demselben Gleis unterwegs. Zwar sind sich beide Seiten einig, dass es mehr und bessere Zugverbindungen geben soll. Aber wenn es um die Details geht, funktioniert die Kupplung wohl nicht.

Aktueller Anlass ist der unscheinbare Bahnhof Bornim-Grube, der vor fast 28 Jahren stillgelegt wurde. Der frühere Haltepunkt befindet sich an der Strecke des Berliner Außenrings zwischen den Bahnhöfen Golm und Marquardt. Jahrzehntelang hielten dort unter anderem die Züge des sogenannten Sputnik, der zum S-Bahntarif um das damals eingemauerte Westberlin herumfuhr. Seit 1994 rauschen die Züge ungebremst vorbei. Es gibt nicht mal einen Bahnübergang. Ein Teil des früheren Bahnhofsgeländes wird von einem Autohandel und einem Entsorgungsunternehmen genutzt. Adresse: Am Bahnhof (Grube).

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Doch geht es nach dem Brandenburger Infrastrukturministerium (MIL), könnte es in Zukunft ganz anders aussehen. Denn das Ministerium hat wie berichtet jüngst bei 32 Strecken prüfen lassen, wo sich ein Wiederaufbau lohnt. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen in den neuen Landesnahverkehrsplan 2023-27 einfließen, teilte das Ministerium mit. „Eine besondere Bedeutung hat zudem der Schienenpersonennahverkehr (SPNV), der alle Regionen Brandenburgs miteinander verknüpfen und damit schnelle Verbindungen im ganzen Land ermöglichen soll“, sagte Minister Guido Beermann (CDU).

Beauftragt mit der Potentialanalyse wurde die „PTV - Transport Consult GmbH“ - ansässig unweit des KaDeWe in Berlin. Die Strecken und Haltepunkte wurden auf mehrere Kriterien untersucht: „Verkehrspotential im Einzugsbereich“, „Infrastrukturzustand“ und „Netzwirkung“. Nun sollen sie in Machbarkeitsstudien in zwei Arbeitspaketen detailliert auf eine Aktivierungsmöglichkeit untersucht werden. Diese untersuchten Strecken und 35 Halte seien Ergebnis einer vorher erfolgten Abfrage des MIL bei den Landkreisen und kreisfreien Städten gewesen, heißt es aus dem Ministerium.

Bahnhof Satzkorn hat zu geringen Einzugsbereich

Für Bornim-Grube haben die Analysten herausgefunden, dass in einem Zehn-Minuten-Radius 3800 Menschen leben, wobei davon 20 Prozent in ein Auto steigen müssten, um den Bahnhof zu erreichen, 30 Prozent müssten ein Fahrrad nutzen und 50 Prozent zu Fuß gehen. Dieselben Kriterien wurden auf den Bahnhof Satzkorn angewandt. Dort kam man aber nur auf 1056 Menschen im Einzugsbereich. Deshalb wird dessen Reaktivierung nicht weiterverfolgt.

Der Bahnhof Bornim-Grube hingegen landete landesweit in der Spitzengruppe. Allerdings müssten die Anwohner gut zu Fuß sein: Der Ortskern von Grube mit den zuletzt 434 Einwohnern ist gut 1,3 Kilometer entfernt. Der kürzeste Weg zur Bornimer Kirche ist gut zwei Kilometer weit - falls es eine Möglichkeit gäbe, die Gleise zu überqueren. Und die meisten Häuser in dem Ortsteil mit zuletzt rund 3400 Einwohnern sind weiter entfernt. In der Umgebung des Bahnhofs selbst gibt es nur Wiesen und Äcker.

Früher wurden die Gleise oft von Fußgängern als Abkürzung zwischen den Ortsteilen Bornim und Grube überquert.
Früher wurden die Gleise oft von Fußgängern als Abkürzung zwischen den Ortsteilen Bornim und Grube überquert.

© Andreas Klaer

Im Potsdamer Rathaus ist man vom Interesse an dem abgelegenen Haltepunkt überrascht. „Vorgeschlagen hat die Landeshauptstadt den Bahnhof Bornim-Grube nicht für eine Reaktivierung", heißt es auf PNN-Anfrage. Der Bereich Golm-Eiche-Bornim-Bornstedt tauche zwar im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (Insek 2035) als Prüfgebiet für künftige Erweiterungen des Tramnetzes auf. „Nicht im Fokus steht jedoch eine (Re-)Aktivierung als Haltepunkt für den regionalen Bahnverkehr.“

Diese Ideen hat die Stadt

Die Stadtverwaltung hat andere Ideen. Dort favorisiert man den Bahnhof Satzkorn. Auch dieser Bahnhof befindet sich am Berliner Außenring und wurde ebenfalls Anfang der 1990er Jahre stillgelegt. „Im direkten Umfeld des Haltepunktes befindet sich der Friedrichspark, in welchem geplant ist, in den nächsten Jahren Gewerbe mit einem Potenzial von mindestens 1200 Beschäftigten", so Stadtsprecherin Christine Homann. „Eine Realisierung der in den entsprechenden Bebauungsplänen vorgesehenen Bebauung ist bis zum Jahr 2027 geplant.“ Und die Beschäftigen sollen möglichst nicht ins Auto steigen, sondern den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Unterstützen werde die Stadt dieses Ziel mit einer Anbindung an das städtische und regionale Busnetz, was das Potenzial des Haltepunktes weiter erhöhen würde.

Ein Comeback des Bahnhofs Bornim-Grube wird nicht zum ersten Mal diskutiert. Bereits 2010 hatten die Industrie- und Handelskammer (IHK) und das Standortmanagement des Wissenschaftsparks Golm dazu ein Gutachten vorgelegt. Von dort sollten Züge nach Berlin-Spandau und zum Flughafen BER fahren. Daraus wurde aber nichts.

Bewegung soll es dagegen an einem anderen Bahnhof im Potsdamer Nordwesten geben. Wie berichtet soll der Bahnhof Marquardt zu einer Mobilitätsdrehscheibe für den Potsdamer Norden ausgebaut werden. Die Stadt will dazu das Bahnhofsumfeld modernisieren - eine Ausschreibung läuft. „Sollten wir über das Verfahren eine Baufirma beauftragen können, wird im Frühjahr 2022 mit dem Bau der Verkehrsanlagen begonnen“, so Homann. Das umfasse einen P+R-Platz, Bushaltestellen und Fahrradstellplätze sowie die Zufahrten von der B 273 aus.

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