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Die Kräfteverhältnisse im Stadtparlament haben sich geändert.

© Sebastian Gabsch.

Das war 2019: Positive und negative Überraschungen in Potsdam

2019 war ein Jahr der neuen Impulse für Potsdam. Es gab positive und negative Überraschungen, in langjährige Dauerstreitthemen kam endlich wieder Bewegung. Aber wohin geht die Reise?

Einiges ist in Bewegung gekommen in Potsdam in diesem Jahr. Aber ist die Stadt auf dem richtigen Weg? Das scheint zum Jahresende nicht ausgemacht. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hat in seinem ersten Jahr im Amt eine beachtliche Zahl von Themen auf die Agenda geholt. Gleichzeitig stellte er sich offensiver als sein Vorgänger der direkten Diskussion mit den Bürgern. Die veränderten Kräfteverhältnisse im Stadtparlament nach der Kommunalwahl vom Mai ermöglichten die neue Rathauskooperation aus SPD, Grünen und Linken. Sie steht für einen Kurs, der die Stadt sozial gerechter, ökologischer und nachhaltiger machen will.

Aber trotz neuer Impulse bleiben bislang viele Fragen offen, wenn es um entscheidende Potsdamer Themen geht: den Spagat zwischen behutsamer Stadtentwicklung und der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für mittlerweile mehr als 180.000 Einwohner, den umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche, die Herausforderungen des Klimawandels auf lokaler Ebene. Diese Aufgaben sind aber auch größer, als dass man sie in einem Jahr erledigen könnte.

Die Rettung des Minsk

In einem Fall zumindest ist die Sache klar: Das ehemalige Terrassenrestaurant Minsk am Brauhausberg, um dessen Schicksal jahrelang gestritten wurde, bleibt erhalten – und wird sogar wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Potsdam-Mäzen Hasso Plattner will das Haus mit seiner Stiftung restaurieren und zum Museum für ostdeutsche Kunst machen. Diesen Coup konnte Oberbürgermeister Schubert nach Gesprächen mit Plattner im März verkünden, die Stadtverordnetenversammlung fällte die notwendigen Beschlüsse in Windeseile. Die Begeisterung für die Pläne in der Stadt war nahezu einhellig. Eine Sternstunde für Potsdam.

Im Klimanotstand

Die Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) mahnten schon lange vor der menschengemachten Klimakrise. Mit der von der schwedischen Schülerin Greta Thunberg ins Rollen gebrachten weltweiten „Fridays for Future“-Bewegung fordert die junge Generation den nötigen politischen Kurswechsel ein – im März besuchte Thunberg das PIK. Auch in Potsdam riefen jugendliche Aktivisten jeden Monat zur Demonstration für das Klima auf, mit steigender Resonanz.

Tausende Potsdamer folgten im September dem Aufruf von „Fridays for Future“ zur Demonstration für das Klima, die Veranstalter zählten rund 5500 Menschen.
Tausende Potsdamer folgten im September dem Aufruf von „Fridays for Future“ zur Demonstration für das Klima, die Veranstalter zählten rund 5500 Menschen.

© Andreas Klaer

Am 20. September waren rund 5500 Potsdamer auf der Straße, ein Rekord. Indes litt Potsdam erneut unter extremem Wetter, es gab ungewöhnliche Trockenheit einerseits und im Juni einen Starkregen, der den Bassinplatz über Tage in einen See verwandelte. In den Schlösserparks sind die Schäden des zweiten Dürresommers in Folge schmerzhaft spürbar geworden, hunderte Bäume könnten sterben. Mit der Ausrufung des Klimanotstands griff die neue Stadtverordnetenversammlung im August das Thema auf und fällte ihre erste Grundsatzentscheidung. Was das konkret bedeutet? Das blieb auch nach dem ersten Zwischenbericht des Rathauses im Dezember noch vage: Mehr Geld und Personal sind nötig, hieß es.

Keine Versöhnung

Der Turm der Garnisonkirche ist in die Höhe gewachsen, die Kritiker und Befürworter stehen sich aber nach wie vor unversöhnlich gegenüber. Daran hat der überraschende Vorstoß von Oberbürgermeister Schubert im September nichts ändern können.

Sein Kompromissvorschlag: Anstelle des Kirchenschiffes könnte eine moderne Jugendbegegnungsstätte entstehen, die einen Bruch zum historisch rekonstruierten Turm sichtbar macht. Dafür gab es zwar aus Kirchenkreisen Zustimmung, aber sowohl Befürworter des historischen Wiederaufbaus als auch Sympathisanten des Rechenzentrums – das bekanntlich weichen soll – sahen sich verraten.

Für Empörung bei einigen Aufbaubefürwortern sorgte die Abschaltung des einst für die Kirche gespendeten Glockenspiels, das schweigen soll, bis Historiker die umstrittenen Inschriften bewertet haben. Unterdessen haben die Stadtverordneten im Mai ein neues Kreativquartier in der Mitte als Ersatz für das Rechenzentrum beschlossen, im November wurde der Siegerentwurf vorgestellt. Abgeschlossen sind damit weder die Debatte um das Rechenzentrum noch um die Garnisonkirche. Für Januar 2020 hat Schubert eine Anhörung zur Garnisonkirche geplant, er will auch einen neuen Stadtverordnetenbeschluss.

Rückschlag im Norden

Ein neuer Wachstumskonsens für Potsdam, wie ihn Oberbürgermeister Schubert bei Amtsantritt angekündigt hatte, steht noch aus. Eine erste Bürgerrunde im September verlief ohne Nachhall. Wer das Wahlkampfversprechen von der behutsamen Stadtentwicklung noch im Ohr hatte, konnte sich zwischenzeitlich über die Schlagzahl an Großvorhaben wundern: Die Stadt kündigte ein neues Entwicklungsgebiet im Landschaftsschutzgebiet nördlich von Fahrland an, auf einer Brache am Kirchsteigfeld soll ein Gewerbe- und Wohngebiet entstehen, die Planungen für das RAW-Areal am Hauptbahnhof wurden vorangetrieben, die Entscheidungen für den Waldstadt-Schulcampus gefällt, die seit langem vorgesehene Verkleinerung des Volksparks in Angriff genommen. Auf Eis gelegt sind hingegen die Pläne für die Pirschheide, wo hunderte Wohnungen entstehen sollten – Schubert will dort zuerst ein Dialogverfahren mit Bürgern.

Unfreiwillig auf die Bremse treten musste die Stadt ausgerechnet bei ihrem wichtigsten Entwicklungsprojekt: Krampnitz. Auf dem Kasernenareal im Potsdamer Norden soll Wohnraum für bis zu 10.000 Menschen entstehen, ein autoarmer Stadtteil der kurzen Wege, 2021 sollen die ersten Bewohner einziehen. Soweit die Theorie. Aber bei der Tramanbindung hakt es enorm, wie sich im Frühjahr abzeichnete: Erst vier Jahre später als geplant, 2029, wird die erste Tram fahren können, wie die Stadt im Dezember einräumen musste. Auch mit der gebremsten Entwicklung des Viertels droht jahrelanges Verkehrschaos, gleichzeitig kommt dringend nötiger neuer Wohnraum später. Beunruhigende Aussichten für Potsdam.

Eine herbe Niederlage musste die Stadt auch beim Uferweg am Griebnitzsee einstecken: Auch im zweiten Anlauf scheiterte der Bebauungsplan, die Bemühungen für einen öffentlichen Uferweg sind damit um Jahre zurückgeworfen. Schubert machte aber klar: Der Weg bleibt das Ziel.

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