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Bei der Impfaktion in der Markthalle gab es teils Wartezeiten von mehr als zwei Stunden.

© Andreas Klaer

Das nächste Impfchaos in Potsdam: Impfwillige müssen stundenlang warten

Bei den mobilen Impfaktionen in Potsdam herrschte zuletzt großer Andrang. Das Land verweist auf die Hausärzte, die Stadt prüft eine Ausweitung des Angebots.

Potsdam - Hunderte Menschen aus Potsdam und dem Umland wollen sich gegen Corona impfen lassen. Doch die Nachfrage ist weitaus größer als das Angebot bei den Hausärzten und den mobilen Impfaktionen der Stadt Potsdam. Dennoch bleibt das brandenburgische Gesundheitsministerium bislang bei der Entscheidung, die Impfzentren nicht wieder zu öffnen.

Wie groß der Bedarf ist, zeigte sich auch Ende vergangener Woche am Potsdamer Markt-Center: Dort standen am Donnerstag und Freitag hunderte Menschen Schlange, um sich an den zwei Impfaktionen von Rewe Grube zu beteiligen – viele warteten vergeblich. „Am Donnerstag haben wir rund 250 Personen impfen können, mussten aber über hundert Leute wieder wegschicken“, sagte Siegfried Grube, der die Aktionen initiiert hat. Durchgeführt wurden sie von der Stadt in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz. „Impfstoff ist genug da, aber das Problem ist die Zeitbegrenzung“, erklärt Grube. An beiden Tagen hatten zwei Impfärzt:innen jeweils sechs Stunden lang ohne Pause durchgearbeitet.

Rewe-Marktleiter Siegfried Grube war Initiator der Impfaktion.
Rewe-Marktleiter Siegfried Grube war Initiator der Impfaktion.

© Andreas Klaer

Die Schlange reichte teilweise bis zum Luisenplatz

Das mobile Impfzentrum befand sich in den ehemaligen Räumen einer Bankfiliale im Markt-Center, die Schlange reichte an beiden Tagen bis zum Luisenplatz, wo auch viele Ältere bei kühlen Temperaturen stundenlang auf eine Impfung warteten. Mitarbeiter:innen von Rewe und DRK stellten Stühle zur Verfügung, damit zumindest ein Teil der Wartenden sitzen konnte. „Richten sie sich auf zwei bis zweieinhalb Stunden Wartezeit ein!“, sagte eine DRK-Mitarbeiterin am Freitag zu den Menschen in der Mitte der Schlange.

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Gastronom Pit Witter wollte sich impfen lassen, weil er sonst ein Berufsverbot fürchtet.
Gastronom Pit Witter wollte sich impfen lassen, weil er sonst ein Berufsverbot fürchtet.

© Andreas Klaer

Viele Menschen waren am Freitag bereits um 11 Uhr gekommen, obwohl die Impfaktion erst um 12 Uhr begann. Pit Witter war kurz nach zwölf angekommen und stand in der Mitte der Schlange. Er war für die Erstimpfung hier: „Mir droht ein Berufsverbot“, sagte der 34-jährige Potsdamer den PNN. „Ich bin Gastronom und wenn ich mich nicht impfen lasse, darf ich nicht weiterarbeiten.“ Es gebe verschiedene Gründe, warum er sich erst jetzt zur Erstimpfung entschlossen hatte: „Ich bin nicht von der Impfung überzeugt. Ich fürchte, dass der Impfstoff, den wir jetzt bekommen, vielleicht nicht gegen die ganzen Mutationen des Virus helfen wird, die es schon gibt“, sagte Witter. Zudem habe er eine Nadelphobie.

Beim Hausarzt gibt es keine Termine, obwohl die Drittimpfung fällig ist, berichten einige

Auch ein anderer Potsdamer, der in der Schlange wartete, gab berufliche Gründe für seine Erstimpfung an: „Mir werden Steine in den Weg gelegt für meinen weiteren beruflichen Werdegang, ich fühle mich mehr oder weniger zur Impfung gezwungen“, sagte der 40-Jährige, der lieber anonym bleiben will. Er habe „Bedenken und Misstrauen“ gegenüber der Impfung, ging jedoch nicht ins Detail.

Viele Ältere versuchten, an eine Booster-Impfung zu kommen, bei manchen waren die sechs Monate seit der Zweitimpfung schon lange vorbei: „Beim Hausarzt komme ich nicht weiter, ich hätte da frühestens im Januar einen Termin bekommen“, sagte die 62-jährige Cornelia Rochhausen aus Potsdam. Sie wurde im Mai mit Johnson & Johnson geimpft, die Ständige Impfkommission empfiehlt hier schon nach vier Wochen eine Auffrischung. „Wir wollen einfach das normale Maß wiederhaben, wir wollen unsere Kinder treffen und keinen schweren Verlauf haben“, sagte Rochhausen. Sie finde es furchtbar, wie in Köln und Düsseldorf gerade Karneval gefeiert werde, während für Kinder wieder Maskenpflicht in den Schulen gelte: „Das ist eine bodenlose Frechheit!“

Peter Rogge reiste aus Falkensee an.
Peter Rogge reiste aus Falkensee an.

© Andreas Klaer

Auch Peter Rogge aus Falkensee war für eine Drittimpfung in Potsdam: „Im September waren die sechs Monate seit der Zweitimpfung vorbei“, sagte der 79-Jährige, der am Freitag bereits um 11 Uhr erschienen war. „Ich versuche durchzuhalten, bis ich drankomme.“

Nicht zum ersten Mal sehr lange Wartezeiten

Elena Serbach aus Potsdam hatte Unterstützung von ihrer Tochter: Sie hatte sich für ihre Eltern extra früher angestellt, damit diese nicht so lange auf ihre Zweitimpfung warten mussten. „Ich hätte die Impfung bei meinem Hausarzt erst im Januar bekommen, das wäre zu spät gewesen“, sagte die 48-Jährige. Sie und ihr Mann hatten es am Mittwoch bereits bei der Impfaktion in Waldstadt versucht, mussten nach drei Stunden Wartezeit aber wieder unverrichteter Dinge gehen. Anfangs habe in Waldstadt nur ein Arzt geimpft, erst im Laufe der Aktion war ein zweiter dazugestoßen.

Zweiter Anlauf: Elena Serbach hatte es schon in der Waldstadt vergeblich versucht.
Zweiter Anlauf: Elena Serbach hatte es schon in der Waldstadt vergeblich versucht.

© Andreas Klaer

Auch andere PNN-Leser:innen berichteten von den langen Wartezeiten am Mittwoch: „Ich habe fünf Stunden in der Kälte gestanden“, sagte der 75-jährige Otto Bovenderd. „Da die Ärzteschaft – trotz zügiger Arbeit – überlastet war, mussten um 16 Uhr mindestens 100 Personen, die auch schon drei bis vier Stunden in der Kälte gestanden hatten, nach Hause geschickt werden.“ Ähnliches berichtete die PNN-Leserin Angelika Rix: „Ich habe mit meiner 92-jährigen Schwiegermutter eineinhalb Stunden vor der Waldstadtbibliothek gewartet, weil ihr Hausarzt nicht gegen Corona impft.“ Freundlicherweise hatten sie mehrere Menschen in der Schlange vorgelassen.

Grube will beim Gesundheitsministerium auf die Wiedereröffnung der Impfzentren dringen

Für Siegfried Grube zeigt der Andrang bei den letzten Aktionen deutlich, dass es eine hohe Impfbereitschaft in der Bevölkerung gibt. „Viele, die jetzt anstehen, haben sich auch wegen der neuen 2G-Regeln dazu entscheiden“, so Grube. Er kündigte an, Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) zu schreiben: „Ich will sie bitten, die Impfzentren wieder aufzumachen, damit dieser Bedarf gedeckt werden kann.“ Am 10. und 11. Dezember will Grube zwei weitere Impfaktionen durchführen.

Bislang plant das brandenburgische Gesundheitsministerium jedoch keine Wiedereröffnung der Impfzentren, man setzt weiter auf ambulante und mobile Impfangebote, heißt es von Seiten des Ministeriums. Die Stadt Potsdam bestätigt das: „Die Gesundheitsministerkonferenz hat vor wenigen Wochen die Entscheidung getroffen, die Verantwortung für die Corona-Impfungen den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zu übertragen“, sagt Pressesprecherin Juliane Güldner. „Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben dabei stets signalisiert, ein Massenimpfgeschäft im Herbst und Winter ohne die kommunalen Impfzentren leisten zu können.“ Die mobilen Impfaktionen der Stadt seien nur eine Ergänzung, so Güldner.

Die Stadt plant trotz Absage des Landes an Impfzentren die Erweiterung der Angebote

Dennoch prüft die Landeshauptstadt derzeit eine Erweiterung ihres Impfangebotes: „Dazu zählt neben den mobilen Angeboten auch die Einrichtung einer Impfstelle, die zu vereinbarten Zeiten ein Impfangebot unterbreitet“, sagt Güldner. Die Gespräche mit dem Land dazu laufen bereits. Auch eine Erweiterung der mobilen Impfteams sei bereits in die Wege geleitet worden. Dabei sollen auch künftig zwei Ärzt:innen pro Impfaktion im Einsatz sein.

Seit Oktober konnten bei den mobilen Impfaktionen 1862 Personen geimpft werden – die Aktion von Freitag nicht mitgerechnet. Dabei handelte es sich zu 63 Prozent um Erstimpfungen, zu 22 Prozent um Zweitimpfungen und zu 15 Prozent um Drittimpfungen. 55 Prozent der Impfwilligen bei den Aktionen hatten ihren Wohnsitz in Potsdam, der Rest kam also größtenteils aus dem Umland. Ein Grund dafür ist das mangelhafte Impfangebot in den benachbarten Landkreisen: Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming bieten keine mobilen Impfaktionen an, Mittelmark verweist auf seiner Homepage sogar ausdrücklich auf Potsdam.

Kritik an fehlenden Angeboten in Potsdam-Mittelmark

Tatsächlich gibt es neben den Haus- und Betriebsärzt:innen in Potsdam-Mittelmark nur ein zentrales Impfangebot: Das Bergmann-Klinikum in Bad Belzig hat dafür einmal pro Woche für vier Stunden geöffnet, donnerstags von 12 bis 16 Uhr. „Das ist für einen Landkreis mit knapp 220 000 Einwohnern bei der derzeitigen Lage ein unhaltbarer Zustand“, sagte Hans-Peter Goetz, FDP-Kreisvorsitzender und Kandidat für die Landratswahl 2022. „Der Kreis muss sofort alles dafür tun, die die Impfkapazitäten hochzufahren und vor allem den älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern eine Booster-Impfung zu ermöglichen“, so Goetz.

Alle Informationen zu den nächsten mobilen Impfterminen in Potsdam finden Sie hier.

HINWEIS: Im Text war ursprünglich von einer Potsdamer Impfquote von 63 Prozent Erstimpfungen, 22 Prozent Zweitimpfungen und 15 Prozent Drittimpfungen die Rede. Die Zahlen beziehen sich jedoch ausschließlich auf die mobilen Impfaktionen. Der Text wurde am 24.11. 2021 entsprechend geändert.

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