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Landeshauptstadt: „Das ist Weltklasse“

Auf der Suche nach einem großen künstlichen Lichtraum: Der Potsdamer Architekturprofessor Bernd Albers über den Langen Stall und das Palais Barberini und ob sich diese Gebäude für eine Kunstsammlung eignen

Zwei namhafte Bauten der Potsdamer Stadtgeschichte werden in nächster Zeit neu realisiert, das Palais Barberini und der Lange Stall. Beide Gebäude sind als Orte für die Kunst im Gespräch, doch welches ist dafür besser geeignet?

Beide sind geeignet. Doch man müsste den Begriff Kunstausstellung aufweiten und differenzieren. Ein Museum für zeitgenössische Kunst, da rechne ich das 20. Jahrhundert mit ein, wäre sicherlich besser im Langen Stall unterzubringen, viel besser als im Palais Barberini. Während eine Sammlung Alter Meister in einem palaishaften Gebäude wie dem Barberini gut unterzubringen wäre.

Moderne Kunst im Langen Stall, Alte Meister im Palais Barberini?

Ich würde von Kunstmuseum Barberini und Kunsthalle Langer Stall sprechen. Das klingt ja schon im Namen mit: Der Stall bietet eher eine großräumliche Möglichkeit, Kunst auszustellen. Auch mit stärker wechselndem Charakter, auch mit Skulpturen. Natürlich hat der Stall die einzigartige Qualität, wegen des geschlossenen Daches schon per se einen Kunstlichtraum zu ermöglichen. Das muss im Barberini dagegen mühsam erzeugt werden, da die meiste Kunst extrem lichtempfindlich ist.

Das riesige Stalldach muss nicht Last, sondern kann Chance sein?

Ja, das ist eine Chance. Man muss das zusammen sehen mit anderen Potsdamer Typologien. Wir haben eine ganze Reihe langer Gebäude, die zum Teil auch eine stallähnliche Tradition haben. Ich würde sogar mal so kühn sein und die Gemäldegalerie, die soeben neben dem Schloss Sanssouci wiedereröffnet wurde, typologisch in diese Serie mit einbeziehen. Die Gemäldegalerie hat die Ausmaße 80 Meter Länge mal 15 Meter Breite. Das ist im Grunde ein Raum, hat ein Dach – das ist genau das Programm vom Langen Stall. Das ist genau die Dimension, die für eine vernünftige Bespielung gebraucht wird. Wir haben eine Tradition, die da ist, die es in Potsdam gibt, die im Typus drin ist: das lange Haus, der Lange Stall. Für Potsdam ist das die Chance, mit Kunstpräsentationen in die Gegenwart zu kommen.

Zunächst hatte die Stadt für den Wettbewerb zum Langen Stall Wohnen als Nutzung vorgeschrieben. Nun haben die Stadtverordneten das Thema noch einmal aufgemacht und einen Workshop vorgegeben: Wohnen versus öffentliche Nutzung steht zur Debatte. Sie begrüßen das, denke ich?

Ich habe ja mit Barbara Kuster von Mitteschön wesentlich dazu beigetragen, dass diese Diskussion über ein Kunsthallen-Projekt so geführt wurde, wie sie geführt wurde – teilweise mit etwas schwierigen politischen Fronten. Ich habe intensiv am Langen Stall gearbeitet, zuerst auch mit Studenten, und wir haben es für denkbar gehalten, dass man dort Wohnungen bauen kann. Aber wenn man sich ernsthaft anschaut, wie die Geschichte dieses Ortes war und wie die Zukunft sich an dieser Geschichte orientiert, dann ist die rekonstruierte Plantage, die wiederaufgebaute Garnisonkirche, der bestehende Giebel von Unger und das rekonstruierte Dach des Langen Stalls eine Einheit, die Weltklasse ist. Das ist Weltklasse. Weil es so widersprüchlich ist: Eigentlich passt gar nichts zusammen, aber es passt in dieser Konstellation genial zusammen. Wenn man dann in den Langen Stall Wohnungen hineinbauen will, geht das mit dem riesigen Giebeldach nicht zusammen. Ich habe es im Wettbewerb für den Langen Stall selber probiert, es war ein schöner Versuch, hat aber letztlich nicht überzeugt. Wenn man aber die große Figur mit dem Dach jetzt aufgibt, wird die ganze Anlage banalisiert. Die Garnisonkirche bekommt komische Nachbarn, lauter private Nutzer mit Terassen zur Plantage. Die Nutzung der Erdgeschosse mit Wohnen ist ohnehin Unsinn an dieser Stelle. Das sind alles Gründe, warum ich nun eine öffentliche Nutzung, womöglich als Kunsthalle, propagiere und warum ich das Moratorium der Stadtverordneten sehr begrüße.

Die Stadt ist für Wohnen, weil ein Drittel des Langen Stalls einem Wohnbauinvestor gehört. Sie warnt, dass die Einheit des Langen Stalls verloren gehen könnte.

Das ist doch die Debatte „Glas halb voll, Glas halb leer“. In der Position der Stadt steckt drin, man könne besser ohne Langen Stall auskommen als mit zwei Drittel des Langen Stalls.

Lieber zwei Drittel des Langen Stalls ganz als den ganzen Langen Stall gar nicht?

Ja. Der strategisch wichtigere Teil ist ohnehin der südliche Teil am Unger-Portal, an der Garnisonkirche.  

Ist Wohnen nicht praktikabel, weil die Investoren Schlange stehen? Wie kann, da Hasso Plattner für seine Kunsthalle bereits abgewunken hat, eine Kunsthalle im Langen Stall überhaupt möglich sein?

Beim Stadtschloss und auch beim Palast Barberini stand am Anfang die Idee, diese Gebäude zu rekonstruieren. Erst danach kam die Frage der Nutzung. Beim Barberini haben sich viele gewünscht, es würde ein Hotel. Das hat nicht funktioniert, nun wird es möglicherweise ein eher kleinteiliges Museum, das in die historische Bauform gepresst wird. Die Frage des Langen Stalls und eines heute noch unbekannten Bauherren kann doch nur geführt werden, wenn dieser Gegenstand Langer Stall überhaupt zur Diskussion gestellt wird. Durch dieses Moratorium kann nun auch vonseiten der Stadt – wenn sie klug ist – dieses Angebot politisch unterstützt werden.

Erst muss eine Wille da sein und dann findet sich auch ein Weg?

Ohne Wille findet sich kein Weg. Der Druck auf die Frage der Gestalt des Langen Stalls war nie so groß wie heute. Ich denke, der Oberbürgermeister wird das als Chance begreifen und den Langen Stall zu einem Angebot machen für Dritte. Klar ist, dass die Stadt das nicht aus eigenen Mitteln finanzieren kann.

Sie sprachen von einem eher kleinteiligen Museum im Palais Barberini. Können Sie das präzisieren?

Das ist offensichtlich. Es gibt Probleme mit der Fassade respektive mit den Fenstern. Die stehen im Widerspruch zu den Anforderungen der Sammlung. Stichwort Lichtempfindlichkeit, Stichwort fehlende Wände, die man, wenn Fenster da sind, nicht mehr hat. Das Palais hat eine relativ komplizierte räumliche Konfiguration. Der U-Typ mit den drei Geschossen ist alles andere als ein selbstverständliches Museum. Im Gegenteil. Es ist die Frage, wie sich die Seitenflügel darstellen sollen, wie viel Persius, Unger oder Gontard da noch stattfinden kann, wenn die Anforderungen der Lichttechnik dort erfüllt werden müssen. Es stellt sich die Frage, wie der Durchgang vom Alten Markt zum Wasser funktionieren kann.

Ein Paradox: Hier ein fensterreiches Barberini, dessen anvisierte Nutzung sich mit Fenstern nicht verträgt. Und dort ein Stall, dessen Problem darin besteht, ein riesiges Dach ohne Fenster zu haben.

Ich kann's jetzt ja sagen, ich habe Hasso Plattner die Kunsthallen-Entwürfe für den Langen Stall gezeigt. Er hat mir geschrieben, er finde es interessant, sei aber bereits eine andere Verpflichtung eingegangen. Dieser komme er jetzt nach. Hasso Plattner ist bei der Diskussion um das Hotel Mercure leider auch ein Stück weit instrumentalisiert worden. Dass er das nicht zweimal mit sich machen lässt, ist doch klar. Verständlich, dass er sich nun mit einem privaten Bauherren verabredet. Die Frage ist nun, ob seine Sammlung und seine Vorstellung von Kunsthalle in einem Palais Barberini untergebracht werden kann aufgrund der Zwänge, die offensichtlich sind. Aber der Bauantrag, der wohl dieser Tage für das Palais Barberini gestellt wird, ist noch keine Baugrube und noch lange kein fertiges Haus. Die Stadtgesellschaft ist sehr gespannt, wie der Entwurf des Palais Barberini als Kunstmuseum aussieht. Die Seite zum Alten Markt ist relativ unstrittig. Die Frage der Rekonstruktion ist da mehr oder weniger geklärt. Aber spannend wird sein, wie sich das Haus zur Alten Fahrt darstellt, welche Architektur dort entstehen wird.

Auch zum Wasser hin steht die Aufgabe, ein zweites Gesicht zu schaffen, nicht nur eines nach vorn zum Alten Markt.

Es gibt schöne und weniger schöne Gesichter. Mein Versuch war als Architekt seinerzeit, die Seitenflügel im Sinne Gontards, weniger im Sinne Persius’, weiterzudenken. Das ist ein sehr feinsinniger Unterschied, aber man kann den auch sehen. Das ist der Versuch, die schöne Geschichte des Barberini zu einem glücklichen Ende zu bringen. Das Barberini ist ja zunächst nur als Fassade entstanden in den 1770er-Jahren, dann wurden in den 1840er-Jahren die Seitenflügel und die Säle gebaut. Ich hoffe, dass die Fassaden der Seitenflügel nun nicht den Vordergründigkeiten einer Museumstechnik geopfert werden.

Noch einmal zurück zum Workshop Langer Stall: Welche Fragen müssen dort gestellt und geklärt werden?

Er wird von der Stadt durchzuführen sein. Ich hoffe, dass die Leute, die die Kraft und die Energie haben, das zu einem glücklichen Ende bringen zu wollen, berücksichtigt werden. Ich hoffe auch, dass die Bauverwaltung die Diskussion nicht nur aussitzt, sondern positiv besetzt. Die Aufgabe wird sein, über Alternativen der Nutzung nachzudenken. Ein großer Raum mit entsprechenden Bespielungen könnte ein Thema sein. Ich habe in meinem bisherigen Entwurf ein zweigeschossiges Haus vorgesehen – vielleicht ist das gar nicht notwendig. Dann wird man über die rückwärtigen Areale nachdenken, da, wo heute die alte Feuerwache ist. Da halte ich es nicht für so geschickt, dass da noch so eine großmaßstäbliche Wohnanlage vorgesehen ist. Das wäre, in Rufweite zum Alten Markt, aufgrund der Tiefe des Grundstücks der ideale Ort für eine kleinteiligere Struktur, vielleicht auch für eine andere Eigentumsstruktur. Eine, die nicht von den großen Wohnmaschinen geprägt ist. Sondern die, im Rücken des Langen Stalls, eine kleinteiligere, privatere Struktur hat. In Potsdam setzt man beim Thema Wohnen immer gleich auf die großen Bauherren für die großen Grundstücke. Das ist eine denkwürdige Vergabepolitik.

Das Interview führte Guido Berg

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