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Landeshauptstadt: „Das ist ein Skandal“

Uni-Präsident Oliver Günther über die unzureichende Erhöhung der Hochschulmittel in Brandenburg

Herr Günther, die rot-rote Regierung hat sich in den Koalitionsvereinbarungen darauf geeinigt, für die Hochschulen 100 Millionen Euro mehr auszugeben. Reicht das nun aus, um bundesweit aufzuholen?

Nein, auf keinen Fall. Denn die 100 Millionen Euro beziehen sich auf den gesamten Zeitraum der Legislatur, also fünf Jahre. Wenn man das in jährliche Aufwüchse umrechnet, entspricht das 6,6 Millionen Euro mehr pro Jahr. Bei einem Hochschulhaushalt um die 300 Millionen Euro sind das gut zwei Prozent mehr, das entspricht ungefähr den zu erwartenden Kostensteigerungen. Wir freuen uns über die 100 Millionen Euro, da sie real dazu führen, dass wir zumindest keine weiteren Abstriche hinnehmen müssen. Das gewährleistet eine Konstanz in der Mittelausstattung. Aber der ersehnte Durchbruch ist das nicht. Brandenburgs Hochschulen brauchen nicht 6,6, sondern 50 Millionen Euro mehr pro Jahr, um bundesweit aufzuschließen. Es geht darum, die Studienqualität nachhaltig zu verbessern und die vom Land – und auch von uns – erwünschten Zusatzangebote zu erbringen. Das ist so nicht möglich.

Durch die Bafög-Übernahme durch den Bund ist auch für Brandenburg finanzieller Spielraum entstanden.

Von den insgesamt 185 Millionen Euro, die im brandenburgischen Landeshaushalt in den kommenden fünf Jahren dadurch frei werden, landen gerade einmal 25 Millionen Euro bei den Hochschulen. Das ist ein Skandal. Vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren stark angestiegenen Studierendenzahlen ist die Qualität der Lehre und Forschung an den Hochschulen nach wie vor massiv bedroht. Ein Umdenken in der Politik ist dringend geboten. Die SPD hatte fünf Millionen Euro pro Jahr mehr im Wahlkampf angekündigt. Es ist gut, dass sie das nun umsetzen will und mit den Bafög-Millionen ein wenig aufgestockt hat. Dass aber von den Bafög-Mitteln entgegen der Erwartung des Bundes nur ein kleiner Bruchteil an die Hochschulen gehen soll, ist für uns ein herber Rückschlag. 160 der 185 Millionen sollen nun in andere Bereiche fließen, für die das auch gut sein wird. Aber die Hochschulen schauen wieder einmal in die Röhre.

Warum braucht es mehr Mittel für die Hochschulen?

Wir denken immer für das Land insgesamt. Es geht nicht darum, an den Hochschulen die berühmten goldenen Wasserhähne einzubauen. Es geht darum, mehr jungen Leuten den Zugang zu den Hochschulen zu ermöglichen, mehr begabte Menschen nach Brandenburg zu holen und hier zu halten, die Studierenden besser auszubilden, sie gerade auch für den brandenburgischen Arbeitsmarkt gut auszubilden und gleichzeitig den wichtigen Bereich der Spitzenforschung nicht zu kompromittieren. Das kostet Geld, ist aber für eine moderne Hochschullandschaft wichtig. Hinzu kommt der wirtschaftliche Effekt: Jeder Euro der in die Hochschulen finanziert wird, rentiert sich auch kurzfristig, denn wir holen zusätzliche Drittmittel ins Land, das Steueraufkommen aus diesen Hochschulinvestitionen wird direkt spürbar und langfristig entstehen neue Wirtschaftskraft, Ideen und Innovationen.

Welche Folgen hat die aktuelle Unterfinanzierung?

Mittelfristig stellt sich die Frage, ob man Brandenburg bei 50 000 Studierenden halten kann. In Potsdam können wir uns vor Bewerbern kaum retten, diesmal waren es acht Bewerber pro Studienplatz. Sieben davon mussten wir abweisen, und diese Zahl wird wohl noch weiter steigen. Auch wollte man die Studienzeiten und die Abbrecherquote senken. Das wird mit der anhaltenden strukturellen Unterfinanzierung nicht funktionieren. Auch der vom Land gewünschte Ausbau der dualen Studiengänge wird nicht so umfangreich machbar sein wie gewünscht. Und was vielleicht am schlimmsten ist: Die von uns allen gewünschte Durchlässigkeit – der Hochschulzugang für die sozial und finanziell Benachteiligten – wird durch die falsche Weichenstellung bei den Bafög-Millionen nicht einfacher.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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