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Landeshauptstadt: „Das Interesse der Unternehmen ist groß“

IHK-Chef Mario Tobias über Chancen für die Region nach der Einigung im Atomstreit mit dem Iran

Herr Tobias, wegen der Einigung mit dem Iran will der Westen die Wirtschaftssanktionen gegen das Land aufheben. Die IHK Potsdam und die Zukunftsagentur Brandenburg planen deshalb bereits eine Unternehmerreise in den Iran. Was erhoffen Sie sich und wann geht es los?

Mit dem Implementation Day am 16. Januar hat die EU bereits wesentliche Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen den Iran aufgehoben. Auch für die Brandenburger Wirtschaft sind an dem Tag zahlreiche Hemmnisse im Iran-Geschäft entfallen. Gleichzeitig wird es sicher noch etwas dauern, bis das Land wieder an das internationale Zahlungssystem angeschlossen ist und Exportfinanzierungen deutscher Banken möglich sind. Nun gilt es für unsere Unternehmen, ehemalige Geschäftskontakte zu reaktivieren und bestehende Beziehungen auszubauen. Die geplante Erkundungsreise in den Iran dient diesen Zielen. Einen Termin gibt es noch nicht.

Wäre dies die erste Reise einer brandenburgischen Wirtschaftsdelegation in den Iran?

In der Tat ist das eine Premiere: Noch nie hat eine Brandenburger Wirtschaftsdelegation den Iran besucht. Gerade deshalb hat die IHK Potsdam ihrem neuen Leitbild folgend initiiert, dass unsere märkischen Unternehmen frühzeitig eine gute Startposition erhalten.

Womit können explizit Unternehmen aus dem Raum Potsdam punkten?

Aufgrund des großen Investitionsstaus im Iran ergeben sich vielfältige Möglichkeiten insbesondere in der Investitionsgüterindustrie wie Maschinenbau, Mess-, Steuer- und Regeltechnik, Medizintechnik sowie Energie- und Umwelttechnik. Da haben Firmen aus Potsdam und dem Potsdamer Umland viel zu bieten. Allerdings werden reine Exportgeschäfte von der iranischen Seite weniger favorisiert. Man erhofft sich Kooperationen mit lokalen Wertschöpfungsanteilen. Hier gibt es bereits gute Erfahrungen.

Wie weit sind die Pläne für die Reise bereits ausgearbeitet? Gibt es schon erste Anfragen von interessierten Unternehmen aus dem Raum Potsdam oder Anmeldungen?

Das Interesse der Brandenburger Unternehmen ist groß. Bereits am Montag nach Aufhebung der Sanktionen gingen zahlreiche Anfragen ein. Wir sind uns jedoch mit dem Wirtschaftsministerium und der ZAB einig, im ersten Schritt mit den Unternehmen in den Iran zu reisen, die bereits über Geschäftskontakte verfügen. Im besten Falle können wir hierauf für die nächsten Jahre aufbauen und ausbauen. Wer auf eigene Faust plant, bekommt von den Fachberatern unserer Kammer selbstverständlich wertvolle Tipps.

Es gibt Unternehmen aus der Region, die schon länger Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran pflegen. Welche Bedeutung hat das Land für die brandenburgische Wirtschaft?

Brandenburger Geschäftsbeziehungen mit dem Iran gibt es schon sehr lange. Denken Sie nur an den legendären Ludwigsfelder Lkw-Exportschlager W 50. Während der schwierigen Zeit sich ständig verschärfender Sanktionen haben Brandenburger Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen mit dem Iran unter Einhaltung des Rechtsrahmens nicht abreißen lassen. Während sich Großunternehmen fast komplett aus dem Land zurückgezogen hatten, taten sich auch neue Chancen für Mittelständler auf, die auch beherzt genutzt wurden. Somit kletterten die Iran-Exporte aus Brandenburg 2014 um fast 50 Prozent auf 42 Millionen Euro.

Wie stark hatten die Sanktionen die Wirtschaftsbeziehungen beeinträchtigt?

Unterschiedlich. Einerseits behinderten insbesondere die Finanzsanktionen und die Abkopplung des Irans vom internationalen Inter-Banken-Finanztransaktionssystem Swift sowie die Bürokratie die Abwicklung der Geschäfte massiv. Da aber die Brandenburger Unternehmen weder im Rüstungsgeschäft noch in Nukleartechnik oder im Dual-Use-Segment tätig sind, waren Geschäfte auch weiterhin möglich.

Was für ein wirtschaftliches Potential sehen Sie im Iran? Wie wichtig kann das Land für die brandenburgische Wirtschaft werden?

Mit seinen 80 Millionen Verbrauchern ist der Iran ein besonders wichtiger Markt im Mittleren Osten. Die Brandenburger Wirtschaft ist sehr breit aufgestellt. Besonders gute Chancen bestehen im Bereich der Bahntechnik, bei industriellen Investitionsgütern, der Energie- und Umwelttechnologie und in der Medizintechnik. Mittelfristig erwarten wir eine Verdopplung der Exporte. Langfristig wäre sogar eine Verfünffachung möglich.

Die Fragen stellte Matthias Matern.

Mario Tobias ist seit Herbst 2014 Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK). Er ist zudem Honorarprofessor für Betriebswirtschaft an der TU Braunschweig.

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