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Daniel Willner kaufte am Samstag im Rewe-Markt im Volkspark-Center an der Nedlitzer Straße in Potsdam ein. Die leeren Regale haben ihn überrascht. 

© Carsten Holm

„Das hat niemand in dieser Dimension erwartet“: Ansturm auf Supermärkte aus Sorge vor Corona-Quarantäne

Es war kein normaler Samstag in Potsdams Supermärkten. Nudeln, Dosensuppen, Wasser - viele Einkäufer deckten sich ein, manche sogar für mehrere Hundert Euro.

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Potsdam - Quarantäne zu Hause, zwei Wochen, bis ein Verdachtsfall geklärt ist? Zwei Wochen ohne die Möglichkeit, einkaufen zu gehen  - während die Vorräte im Küchenschrank Tag für Tag kleiner werden? Die Angst vor den Folgen der Corona-Pandemie treibt offenkundig auch viele Potsdamer um. In der S-Bahn nach Berlin trugen einige Fahrgäste bereits Mundschutz. Und zahlreiche Potsdamer versuchen, sich für eine mögliche Quarantänezeit abzusichern – und kaufen seit Freitag in Supermärkten Lebensmittel in Massen ein.  

Dosensuppen, Spaghetti und Fertigsaucen

Meterweise sind Regale in vielen Lebensmittelmärkten der Stadt leergeräumt, die Menschen mühen sich mit überladenen Einkaufswagen in Richtung Kasse. Sie fühlen sich offenbar besser, wenn sie möglichst große Mengen Dosensuppen, Spaghetti und andere Nudeln samt Fertigsaucen, aber auch Gemüse wie Karotten, Erbsen und Sauerkraut in Gläsern sowie Wasser gebunkert haben – ihre Hamsterkäufe eben. Das ergab am Samstag eine Recherche der PNN in Potsdamer Supermärkten.

„Die Leute haben eingekauft, als ob es kein Morgen gibt“, beschreibt eine Mitarbeiterin des Aldi-Markts an der Berliner Straße das Geschehen. „Himmel und Hölle haben wir hier erlebt“, sagt eine Mitarbeiterin im Lidl-Markt an der Zeppelinstraße, „so unglaublich viele Hamsterkäufe“. Am Freitag musste dort die gerade angelieferte Ware zunächst in den Kartons bleiben, weil Inventur angesetzt war. Erstaunlicherweise klappte es mit dem Nachschub aber so gut, dass am Samstag kaum Lücken erkennbar waren. 

"Die Leute kaufen schneller, als wir nachfüllen können"

Im Kaufland in der Waldstadt war das anders: Dort klaffen am Samstagmittag große Lücken in den Regalen mit haltbaren Lebensmitteln. Vor allem bei den Dosengerichten herrscht Ebbe in einer Weise, "wie ich das hier noch nie gesehen habe", sagt ein Kunde sichtlich beeindruckt.

"Die Leute kaufen schneller, als wir nachfüllen können", sagt ein Mitarbeiter. Neben Fertiggerichten seien vor allem haltbare Lebensmittel wie Tee, Reis, Nudeln und Wasser gefragt. Positiv wirkt sich das auf den Umsatz aus. Ein "paar Zehntausend" mehr als sonst betrage der binnen weniger Tage, sagt der Mann.

Ausgedünnt sind die Regale auch bei teuren Fonds

Im Discounter im Bornstedt-Carree sind am Samstag viele Konserven ausverkauft, sowie natürlich Nudeln und Taschentücher. Und auch im Bornstedter Rewe-Markt von Michael Batz kauften Kunden in Mengen, um in ihren Speisekammern und Vorratskellern unterschiedliche Nudelsorten wie Spaghetti, Fussili oder die „Windrad“-Pasta Girandol stapeln zu können. Viele fühlen sich in dieser Zeit daheim offenkundig wohler - das lässt sich aus den Vorräten in den Regalen folgern - wenn sie sich dort bedient haben, um größere Reserven an Küchentüchern, Toilettenpapier und Papiertaschentüchern anzulegen.

Aber auch die Feinschmecker mögen in der möglicherweise auf sie zukommenden Not nicht auf Erlesenes verzichten: Die Regale der teuren Rinder-, Geflügel-, Lamm- und Fischfonds, der Basis etwas anspruchsvollerer Hobby-Köche für exzellente Suppen und Saucen, waren ziemlich ausgedünnt.

Leere Regale bei Kaufland im Waldstadt-Center.
Leere Regale bei Kaufland im Waldstadt-Center.

© privat

Sehr überrascht war Daniel Willner, als er am Samstag seinen Einkaufswagen durch den Rewe-Markt im Volkspark-Center an der Nedlitzer Straße schob. Gähnende Leere in etlichen Regalen von der obersten Lage bis zum Boden, Kartoffelsuppe und Graupentopf ausverkauft. Wo sonst Dutzende Dosen und Gläser von Rinder- oder Schweinefleisch im eigenen Saft stehen, wo Erbsen, Bohnen und Linsen in ihren Gläsern auf Käufer warten, lassen nur noch die Preisschilder mit den Produktbezeichnungen ahnen, wer und was an diesem Platz vermisst wird. „Ich verfolge in den Nachrichten ja, was geschieht“, sagt Willner, „aber dass das so schlimm ist mit den Hamsterkäufen, hätte ich mir nicht vorstellen können.“

Einkäufe für 600 bis 700 Euro in Bornstedt

Tom Papenhagen, Chef des Rewe-Markts, ist selbst überrascht von der explodierenden Nachfrage: „Das hat niemand in dieser Dimension erwartet.“ Die Berge von Lebensmitteln, die sich in manchem Einkaufswagen so hoch türmten, dass nicht allzu großgewachsene Kunden dahinter kaum mehr zu orten waren, bescherten Rewe im Volkspark-Center ungewohnte Umsätze. „Zwischen 600 und 700 Euro haben manche Kunden bei uns gelassen“, sagt Papenhagen. Immerhin: Anfang der kommenden Woche, wenn die Lastwagen mit Nachschub anrollen, wird wieder aufgefüllt. Bis zum nächsten Besuch der Hamster-Kolonnen.

Der Rewe-Markt im Volkspark-Center an der Nedlitzer Straße in Potsdam.
Der Rewe-Markt im Volkspark-Center an der Nedlitzer Straße in Potsdam.

© Carsten Holm

Im Babelsberger Netto-Markt an der Großbeerenstraße dagegen gibt es nicht viele Leerstellen in den Regalen. Pech hatte am Samstag nur, wer am Nachmittag Fertiggerichte wie Schweinegeschnetzeltes, aber auch Reis, Sauerkraut, Kichererbsen oder Reis kaufen wollte. Die Produkte waren ausverkauft - oder lagen wie die letzte von Dutzenden fertigen Hacksteak-Packungen einsam in einem Regal herum. Windeln eines Herstellers waren vergriffen, Wasser wurde in Großpackungen mitgenommen, bis nur noch wenig Reserve da war.

Auch der Lidl-Markt am Horstweg im Schlaatz ist am Samstagmittag voller als sonst. Mit den Einkaufswagen schieben sich die Kunden langsam durch die vollen Gänge. Allerdings scheinen die Wagen nicht voller als sonst. Auch die Regale sind prall gefüllt. Obst, Gemüse, Fleisch, Käse, Käse, Tiefkühlwaren – alles ist ausreichend vorhanden. Nur bei lange haltbaren Lebensmitteln ist es merklich leerer als gewöhnlich.

„Ein bisschen Sorgen mache ich mir schon“, sagt eine Kundin, die ihren Namen nicht nennen möchte. Alle redeten überall ständig über das Coronavirus. Nun hat auch sie sich vorsorglich mehrere Packungen Reis und Nudeln in ihren Einkaufwagen gelegt. Aber nicht, weil sie glaubt, dass es bald eine Quarantäne gibt. „Ich habe davon gehört, dass viele jetzt Hamsterkäufe machen. Ich habe eher Angst, dass alle aus Panik die Regale leer kaufen und ich nichts mehr bekomme“, sagt die Frau. Die Aussagen mancher Wissenschaftler, wonach sich möglicherweise 60, gar 70 Prozent der Menschen in Deutschland anstecken werden, beunruhigen sie: "Ich hoffe, dass unsere Ärzte und Krankenhäuser das bewältigen können.“

Brotbackmischungen sind vergriffen

Bei Lidl Am Kirchsteigfeld sowie in den Rewe-Märkten am Filmpark sowie am Johannes-Kepler-Platz am Stern dagegen schien auch am Samstag alles normal: keine leeren Regale, kein großer Andrang. Im Real-Markt im Stern-Center war - wie offenkundig stadtweit in allen Drogerien, Apotheken und Supermärkten - das Desinfektionsmittel ausverkauft. Speisekartoffeln waren nur noch in der teuren Variante erhältlich, Brotbackmischungen ganz vergriffen, genau wie Büchsensuppen - und zwar jene, die gerade im Werbeprospekt abgebildet sind. Es sei Betrieb wie an jedem Samstag, sagt die Real-Kassiererin, nur hätten die Potsdamer mehr Lebensmittel in Dosen gekauft.

"Das ist nur der normale Wochenendeinkauf"

„Wir lassen uns doch nicht verrückt machen“, sagt dagegen Karin Dietrich vor dem Lidl-Markt an der Zeppelinstraße. Sie packt eine größere Menge Lebensmittel in den Kofferraum ihres Autos. Ein Vorratskauf? „Nein“, antwortet die Mutter von zwei Kindern, „wir sind eine Familie. Das ist nur der normale Wochenendeinkauf.“  

Auch Carola Göricke ist durch die immer neuen Nachrichten über die Ausbreitung des Virus nicht so schnell zu verunsichern. Sie verfolgt die Entwicklung täglich im Fernsehen, neigt aber nicht zu Panik. Auch sie hat mit ihrer Mutter Christa Tornow bei Lidl eingekauft, aber in normalen Mengen. „Wenn sich die Lage wirklich sehr verschlimmert, ich in Quarantäne muss und meine Wohnung nicht mehr verlassen darf, weiß ich, wer mir hilft und mir Lebensmittel vor die Tür stellt: mein Sohn, meine Tochter, meine Nachbarn.“

Der Netto-Markt in der Großbeerenstraße in Babelsberg.
Der Netto-Markt in der Großbeerenstraße in Babelsberg.

© Carsten Holm

Auch der Potsdamer Hartmut Kuhlmey hält „nichts von der Hysterie“, die sich nach seinem Empfinden zu entwickeln scheint. „Ich mach' das nicht mit“, sagt er vor dem Aldi-Markt  an der Zeppelinstraße – und hebt etliche Kartons und Packungen in den Kofferraum seines Autos: „Das ist nur der Wochenendeinkauf.“

Mehr Informationen zum Thema:

>> Coronavirus in Deutschland - der Newsblog

>> Wie Potsdam reagiert

>> Die 45 wichtigsten Fragen und Antworten zum Coronavirus

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