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Landeshauptstadt: „Damit würde ich mir eine blutige Nase holen“

Iris Jana Magdowski über das Problemfeld Schulentwicklung, Privatschulen, Gebühren für Sportstätten und die Qualität der Verwaltung

Frau Magdowski, Sie waren in verschiedenen deutschen Städten Dezernentin. Was unterscheidet Potsdam von Duisburg oder Stuttgart?

Potsdam ist die schönste Stadt und mit einer absolut interessanten Bevölkerungsstruktur. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Die Leute aus der Platte prallen auf Menschen mit anderen Biografien, Vorstellungen und Ansprüchen an die Stadt. Das ist absolut spannend.

Die Potsdamer rennen Ihnen gerade die Türen ein, sie sind verärgert. Denn die Schulentwicklungsplanung ist nicht auf dem aktuellsten Stand.

Ich verstehe die Eltern. Wenn ich mein Kind an eine Schule schicke, dann will ich, dass es dort die besten Voraussetzungen hat. Unser Ziel ist es daher, eine Planungssicherheit für die Eltern zu schaffen. Allerdings haben wir eine Verwaltung, die in den letzten Jahren personell sehr stark ausgedünnt worden ist. Ich glaube, dass dies nicht an allen Stellen von Vorteil gewesen ist. Denn die Dienstleistungen der Verwaltung sind außerordentlich wichtig für die Bürger und ihre Qualität spiegelt sich in der Zufriedenheit der Bürger wider.

Die Bürger sind unzufrieden. Wie wollen Sie die Probleme der Schulinfrastruktur lösen?

An allen unseren Gesamtschulen ist die Nachfrage größer als das Platzangebot, also müssen wir bei den Gesamtschulen nachbessern. Da wir auch weiterhin eine gute Nachfrage erwarten, wollen wir dem Bedarf gerecht werden und eine neue Gesamtschule zum nächsten Schuljahr gründen. Würden wir das nicht machen, müssten 200 Kinder auf andere Schulplätze verteilt werden. Das wäre die schlechteste Variante, denn das Kind und seine Entwicklung sollen im Mittelpunkt stehen.

Nutznießer der Schulplanung könnten Privatschulen sein. Es gibt Bestrebungen, zwei freie Gesamtschulen zu gründen. Wie bewerten Sie das?

Ich schätze die Arbeit der Privatschulen. Aber nicht alle sind gut. Es gibt bessere und schlechtere, wie auch bei städtischen Einrichtungen. Und dass Eltern die Arbeit öffentlicher Schulen schätzen, zeigt der Ansturm auf die Gesamtschulen und Gymnasien. Aber die Entwicklung ist dennoch eindeutig. In den vergangenen zehn Jahren hat es massive Verschiebungen gegeben. Die Stadt hatte vor zehn Jahren 17 000 Schüler auf 45 städtischen Schulen, jetzt sind es 12 000 auf 35 Schulen. Die Anzahl der Schulen freier Träger ist im gleichen Zeitraum von sechs auf 15 Schulen gestiegen, auch die Zahl der Schüler hat sich verdreifacht. So etwas hatte ich in Stuttgart nicht, obwohl Baden-Württemberg nachgesagt wird, eine große Affinität zu freien Schulen zu haben.

Welche Rückschlüsse ziehen Sie aus dieser Entwicklung?

Dass wir im Bereich der öffentlichen Schulen etwas tun wollen und müssen. 23 Prozent der Schüler besuchen freie Schulen, bei den Gymnasien gibt es vier private und vier städtische. Da haben wir Nachholbedarf. Ein interessantes Phänomen gibt es übrigens im Bereich der Oberschulen zu beobachten. Die vier städtischen Oberschulen haben jedes Jahr freie Plätze, werden nur schlecht nachgefragt. Nun gründet die Hoffbauer-Stiftung auf Hermannswerder eine freie Oberschule und verzeichnet eine große Nachfrage. Da wird eine Oberschule neben einem Gymnasium eröffnet und man versucht mit einem pädagogischen Konzept, eine große Durchlässigkeit der Schulform zu erreichen. Da haben freie Träger mehr Gestaltungsmöglichkeit als wir. Eltern, deren Kinder in einer schwierigen Phase sind und nicht den Sprung aufs Gymnasium geschafft haben, erhoffen sich von freien Schulen eine bessere Förderung.

Oder ein ruhiges soziales Umfeld?

In Süddeutschland haben Eltern freie Schulen angewählt, damit Kinder nicht in einem Umfeld mit Migranten lernen. Da haben sogar Eltern, die lange aus der Kirche ausgetreten waren, für sich erkannt, dass ihr Kind auf einer konfessionellen Schule am besten aufgehoben wäre. Das haben wir in Potsdam so nicht. Ich würde mir aber wünschen, dass auch freie Schulen evaluiert und in ihrer Leistungsfähigkeit bewertet wird. Das verstößt nicht gegen die Verfassung. Wenn die Schulen öffentliche Gelder erhalten, dann hat man auch das Recht zu schauen, wie die ihre Arbeit machen.

Aktuell brennt es an den Gesamtschulen. Was muss sich in der Schulentwicklungsplanung verändern?

Es gibt zwei Dinge, die in der Planung wichtig sind. Wenn wir über einen mehrjährigen Zeitraum bestimmte Anwahlverfahren registrieren, dann ist es unsere Verpflichtung, darauf zu reagieren. Das werden wir tun. Wir haben aber eine weitere Besonderheit in Potsdam. Viele Schüler kommen nach der Grundschule aus dem Umland. Da müssen wir als kommunaler Träger auch noch die Schulen bauen.

Diese Situation gibt es seit zehn Jahren, das kann also nicht der Grund für die aktuellen Engpässe sein.

Richtig, aber wir hatten in der Vergangenheit das Problem, dass im Schulentwicklungsplan nicht dargestellt wurde, wie neue Schulen finanziert werden. Damit beginnt die Diskussion um die Finanzen erst zu dem Zeitpunkt, an dem die Realisierung des Vorhabens beginnt. Das ist eine Baustelle, an der wir arbeiten müssen.

Welche neuen Schulen sind derzeit nicht finanziert?

Lange Zeit war die Finanzierung des viel diskutierten Schulstandorts Haeckelstraße nicht klar, das ist nun geschafft. Jetzt wird diskutiert, wie die neue Schule am Bornstedter Feld bezahlt werden kann. Derzeit wird dazu ein Wirtschaftlichkeitsgutachten erarbeitet.

Nun wird die Stadt auch noch Geld zur Verfügung stellen, um Ersatzlehrer im Falle von Unterrichtsausfall zu finanzieren. Ist dieser Lehrerpool sinnvoll?

Ich halte es für sehr sinnvoll, sich zumindest mit der Frage auseinanderzusetzen. Es ist ein Versäumnis, wenn das Land keine Möglichkeit sieht, diese Defizite auszugleichen. Wenn wir das als Kommune machen, dann freut das die Eltern. Ich glaube allerdings, dass wir nicht die Kraft haben, flächendeckend für die Stadt die Ausfallstunden zu finanzieren. Da müssen wir das Land stärker in die Pflicht nehmen.

Überarbeitet wird nun auch die Sportentwicklungsplanung. Was erhoffen Sie sich davon?

Wir sind derzeit in der Anfangsphase des neuen Sportentwicklungsplanes. Ich erwarte eine objektive Darstellung des Ist-Zustandes und des Bedarfs. Dazu gehört auch die Sportförderung. Wir haben in Potsdam im Vergleich zu anderen Städten eine Besonderheit: Die Sportstätten der Stadt sind kostenlos. In anderen Städten, in denen ich tätig war, musste man dafür zahlen. Im Gegenzug bekamen die Sportler aber auch eine sanierte Sportstätte.

Vereine zahlen für die Hallennutzung und haben den Anspruch auf sanierte Hallen. Halten Sie dies für ein Modell auch für Potsdam?

Diese Diskussion taucht immer wieder auf. Wir werden am Luftschiffhafen eine Situation bekommen, wo schon aus wirtschaftlichen Gründen gesagt werden wird, hier gibt es Sportstätten, deren Nutzung Geld kostet. Ich bin mir aber sicher, dass wir das für andere Sporthallen nicht einführen. Damit würde ich mir auch eine ganz blutige Nase holen, die Sportstättennutzungsgebühr ist in Potsdam politisch nicht mehrheitsfähig.

Andererseits kosten Sanierung und Neubau viel Geld.

Mir ist es wichtig, dass man mit dem neuen Entwicklungsplan fairerweise sagt, dass weniger auf den Neubau gesetzt wird, sondern auf die Entwicklung vorhandener Flächen. Und wenn ein Neubau nötig ist, dann muss natürlich gesagt werden, wo kommt das Geld her. Es gibt den Wunsch des Fußballverbandes, dass neue Kunstrasenplätze gebaut werden. Eine super Sache. Aber ich weiß nicht, wie die Stadt Potsdam mit 154000 Einwohnern pro Jahr einen neuen Rasen für 700000 Euro schultern soll. Natürlich ist es für den Fußball notwendig, aber wer soll es bezahlen?

Das ist ein Thema für die nächsten Jahre. Aktuell steht der Haushalt 2011 vor dem Beschluss. In den nächsten fünf Jahren müssen 20 Millionen Euro gespart oder mehr eingenommen werden. Bei Kultur und Sport gibt es viele freiwillige Aufgaben , an denen der Kämmerer sparen könnte.

Ich habe mit den Schulen den pflichtigen Bereich, der der Stadt sehr lieb und teuer sein wird. Für die Kultur sehe ich, dass Kultur und Tourismus voneinander profitieren. Im Sport ist es so, dass wir ein über die Jahre gewachsenes Leistungszentrum des Sports mitfinanzieren. Das ist eine freiwillige Aufgabe, mit der Potsdam für das gesamte Land die Fackeln hoch hält. Wir werden im freiwilligen Bereich mit Augenmaß arbeiten müssen.

Gut, dann andersherum: Wird es das heutige Angebot bei Kultur und Sport in fünf Jahren noch geben?

Die Angebote werden sich, allein wegen des Bevölkerungszuwachses, im Sportbereich garantiert nicht verkleinern.

Das Interview führte Jan Brunzlow

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