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Corona-Regeln bei der Tafel. Aus der Potsdamer Ausgabestelle in der Waldstadt wird der Publikumsverkehr ab Montag komplett herausgehalten, um Ansteckungsgefahren zu minimieren.

© Andreas Klaer

Coronavirus: Potsdamer gründen „Quarantänehilfe“

Bei Facebook werden private Hilfsangebote organisiert. Die Potsdamer Tafel aktiviert einen Corona-Notfallplan.

Potsdam - In Potsdam müssen derzeit 74 Menschen (Stand: Freitag 15 Uhr) in häuslicher Isolation bleiben – doch wie kommen sie an Lebensmittel, Medizin, Hygieneartikel oder andere Dinge des täglichen Bedarfs? Im Internet hat sich nun ein Helfernetzwerk zusammengefunden, das Potsdamern in Quarantäne helfen will: Am Freitag wurde die Facebook-Gruppe „Quarantänehilfe Potsdam“ gegründet, der schon in kurzer Zeit 260 Mitglieder beitraten (Stand: Freitag 15 Uhr).

Ins Leben gerufen hat die Gruppe die Potsdamerin Jessy König: „Ich habe mitbekommen, dass es in Berlin ähnliche Initiativen gibt“, sagt sie. Außerdem sei sie durch eine Situation in einem Potsdamer Supermarkt darauf aufmerksam geworden: „An der Kasse sagte jemand zur Kassiererin: Diese Einkäufe sind für eine Person in Quarantäne, ich komme gleich nochmal wieder.“

In der Gruppe meldeten sich umgehend über 50 Personen, die sich bereiterklärten, Einkäufe für Potsdamer in häuslicher Isolation oder Quarantäne zu erledigen, 16 waren zudem bereit, Hunde von Betroffenen Gassi zu führen. Wie genau sich Bedürftige und Helfer finden sollen, ist allerdings noch nicht ganz klar: König will Umfragen erstellen, wer betroffen ist und wer helfen will, und dann beide Gruppen zusammenführen. „Wir sind gerade noch ganz stark im Aufbau“, gibt sie zu.

Gelebte Solidarität

Gerade Ältere, die nicht internetaffin sind, sind natürlich schwer zu erreichen. In der Gruppe wurde auch die Vorlage für einen Aushang gepostet, den man ausdrucken und in Hausflure hängen kann: Darauf befindet sich eine Liste, in die sich jeder, der helfen möchte, mit Telefonnummer eintragen kann.

Für König geht es bei der Initiative nicht nur darum, Botengänge zu erledigen, sondern auch darum, Menschen nicht vereinsamen zu lassen: „Ich denke, für viele, die auch im normalen Leben nicht viele Sozialkontakte haben, ist es besonders schwer, 14 Tage in häuslicher Isolation zu bleiben. Da schwingen große Ängste mit, mit denen man alleine gelassen wird.“ In der Gruppe meldeten sich darum auch Personen, die bereit wären, Telefonate zu führen oder Bücher und Spiele auszuleihen.

Auch die Potsdamer Tafel reagiert auf die Einschränkungen und Gefahren um den Covid-19-Erreger. So gibt es Beschränkungen an den Ausgabestellen der Tafel im Potsdamer Stadtteil Waldstadt sowie in Teltow: „Wir werden ein Screening an der Eingangstür machen, wo wir schauen, ob jemand Krankheitssymptome hat oder nicht“, sagte Imke Eisenblätter, Vorsitzende der Potsdamer Tafel und SPD-Stadtverordnete auf Nachfrage der PNN. Wer Symptome wie Husten oder Schnupfen habe, dürfe die Ausgabestelle aus Vorsichtsgründen nicht betreten, sondern bekomme die Lebensmittel nach draußen gebracht. „Wir haben unseren Kunden auch erklärt, dass sie sich großflächig auf dem Gelände verteilen sollen, wenn sie warten“, sagt Eisenblätter.

Ab Montag kein Publikumsverkehr

Ab dem kommenden Montag wird dann ein Notfallplan aktiv, den die Tafel erarbeitet hat. Dabei wird der Publikumsverkehr komplett aus den Ausgabestellen herausgehalten: An der Vordertür läuft dann wie üblich die Anmeldung, an der zweiten Tür wird ein Schalter eingerichtet, an dem die bereits verpackten Lebensmittel ausgehändigt werden, so Eisenblätter. Außerdem werde unter den Mitarbeitern geschaut, wer Vorerkrankungen hat, damit diese vorerst nicht an den Ausgabetagen arbeiten. „Ich hoffe, dass wir so einigermaßen den Betrieb und die Versorgung unserer Kunden aufrechterhalten können, denn wenn die Tafel wegfällt, dann sind unsere Kunden natürlich doppelt bestraft“, sagt Eisenblätter. Gleichzeitig hat Eisenblätter in jüngster Zeit bereits einen leichten Rückgang der Kundschaft beobachtet: „Einige Ältere bleiben zu Hause“, sagt sie.

Auch in Werder (Havel) gibt es in der Tee- und Wärmestube eine kleine Ausgabestelle der Tafel: Hier ist die Situation etwas überschaubarer, da es in der Einrichtung nur einen kleinen Raum gibt, wo die Lebensmittel an einem Tresen ausgegeben werden, sagt Peter Koske, Geschäftsführer der Ernst von Bergmann Sozial gGmbH, die die Leitung innehat: „Es dürfen sich in diesem Raum maximal drei Personen mit großem Abstand zueinander aufhalten, die Mitarbeiter der Tafel geben die Lebensmittel mit Mundschutz und Handschuhen aus.“ Vor der Werderaner Tee- und Wärmestube stehe zudem ein Schild, um Besucher darauf hinzuweisen, dass jeder sich bitte die Hände desinfizieren solle. Wer die Lebensmittelausgabe betrete, müsse aber ohnehin die Hände desinfiziert haben, so Leiter Peter Koske.

Auch die Stadt Potsdam überlegt derzeit, die Hilfe für ältere Personen und andere Hilfsbedürftige zu koordinieren. Man führe derzeit Gespräche mit zwei großen Wohlfahrtsträgern um ein Angebot zu organisieren, hieß es seitens der Stadt. Unter anderem sei eine Hotline vorstellbar, bei der die Hilfe angemeldet und vermittelt werden könne. Das könne man allerdings nicht selbst leisten.

An der Grenze der Belastbarkeit

Der Arbeiter Samariter Bund ist in Potsdam schon jetzt an der Grenze der Belastbarkeit angekommen. Wie Sprecherin Cindy Schönknecht den PNN sagte, habe man keine Kapazitäten für weitere Angebote wie Einkaufs- oder Fahrservice sowie Kinderbetreuung. Man setze auf gegenseitige Hilfe in der Nachbarschaft. „Potsdam muss jetzt füreinander da sein.“

Die Einrichtungen des Bezirksverbands der Arbeiterwohlfahrt (AWO), der für Potsdam und Potsdam-Mittelmark zustäündig ist, sind seit dem gestrigen Freitag für den Publikumsverkehr geschlossen. Die Nachbarschaftshilfe der AWO ist per Mail unter info@awo-potsdam.de zu erreichen. (hoc)

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