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Die Rewe-Kassierer sind durch Plexiglasscheiben geschützt.

© Andreas Klaer

Coronakrise in Potsdam: Gute Nachrichten von einem Einzelhändler

Rewe-Händler Siegfried Grube ist eine Institution in der Stadt. Als einer der ersten hat der 81-Jährige seinen Markt für die Krise gewappnet. Die Versorgung sieht er als gesichert an.

Von Peer Straube

Potsdam - Siegfried Grubes Auftritt lässt keinen Zweifel aufkommen, wie ernst er das Coronavirus nimmt. Zum Gespräch erscheint der Rewe-Händler mit Schutzmaske und Handschuhen, man platziert sich im gebührenden Sicherheitsabstand. 

Grube, am Sonntag 81 Jahre alt geworden, ist Potsdams wohl bekanntester Lebensmittelhändler, als langjähriger Chef des Rewe-Marktes im Markt-Center eine Institution in der Stadt. Jetzt, wo sich sein Sohn Thomas wegen eines Spanien-Aufenthaltes noch in häuslicher Quarantäne befindet, managt der Senior den Laden – und hat ihn als einen der ersten in der Stadt fit für die Coronakrise gemacht.

Siegfried Grube trägt Schutzmaske und Handschuhe.
Siegfried Grube trägt Schutzmaske und Handschuhe.

© Andreas Klaer

Bereits Anfang März, also gut eine Woche, bevor überhaupt der erste Coronafall in Potsdam auftrat, legte Grube für sein Personal strengere Regeln fest: Zutritt im Frühstücksraum für maximal zwei Personen und auch das nur mit dem nötigen Sicherheitsabstand, es gilt ein „konsequentes Handwaschprogramm“. Seit zwei Wochen reglementiert er auch den Zugang zum Markt. Höchstens 50 auf einmal dürfen in den Laden. Um das durchzusetzen, ist seit vergangener Woche der Eingang zur Breiten Straße hin geschlossen. Wer einkaufen will, stellt sich im Center an, mit Abstand selbstverständlich. An der Kasse markieren Klebestreifen den Raum, den man zum Vordermann lassen muss. Seit ein paar Tagen sichern Plexiglasscheiben die Kassierer vor einer Tröpfcheninfektion durch Kunden. Die Einkaufskörbe und die Griffe der Einkaufswagen werden laufend desinfiziert. Alles generalstabsmäßig organisiert.

Die Kunden kommen seltener und kaufen mehr

Um 40 bis 45 Prozent sei der Kundenstrom in den letzten Tagen zurückgegangen, schätzt Grube. Das bedeute aber nicht, dass weniger eingekauft werde. Die Menschen kämen nur weniger oft, vielleicht einmal pro Woche statt alle zwei Tage und bevorrateten sich – was Grube vernünftig findet. 

Auch in seinem Markt gab es vorübergehend die obligatorischen Engpässe: Nudeln, Konserven, Desinfektionsmittel, Toilettenpapier. Allein bei Letzterem wurden in einer Woche Mengen verkauft, die sonst für drei Wochen reichten, der Absatz von Nudeln stieg um die Hälfte. Um zu verstehen, warum man mit dem Nachschub nicht hinterher kam, muss man die Lieferketten kennen. Grube erklärt das Prozedere: Die Produzenten schicken ihre Waren an die Großlager der Lebensmittelketten, im Fall von Rewe befinden sie sich in Oranienburg und Berlin-Mariendorf. 

Toilettenpapier gehört zu den "Kolo"-Waren

Toilettenpapier gehört wie Nudeln oder Kaffee zu den „Kolo-Waren“, wie Grube es nennt. Der Begriff ist eine Abkürzung für Kolonialwaren und stammt noch aus der Zeit, als Händler Produkte wie Kaffee, Tee oder Zucker aus den Kolonien bezogen. Heute werden diese „Kolo“- oder Trockenwaren dreimal wöchentlich per Lkw aus den Lagern in die Märkte ausgeliefert. Weil aber ein Laster nicht nur Toilettenpapier laden kann, sondern auch bei den anderen Artikeln für Nachschub sorgen muss, überstieg die Nachfrage zeitweise das Angebot. 

Bei den meisten der 16.000 Artikel im Markt habe es ohnehin keine Probleme gegeben, sagt Grube. Frischwaren wie Obst und Gemüse werde täglich geliefert, das gleiche gelte für Fleisch und Wurst. Die Ware sei vorhanden, Hamsterkäufe seien daher unnötig, sagt Grube energisch. Die Großhandelslager der Lebensmittel seien voll. Und für den absoluten Ernstfall gebe es noch 150 Lager mit Staatskonserven des Bundes. „Damit kann die Bevölkerung wochenlang versorgt werden.“ 

Rationiert wird nur noch WC-Papier

Inzwischen habe sich das Verhalten der Kunden aber normalisiert, rationiert werde aktuell nur noch das WC-Papier. Eine Palette werde morgens ausgepackt, eine abends, „damit jene, die arbeiten gehen, auch noch etwas bekommen“.

Grube ist stolz auf seine rund 50 Mitarbeiter, das merkt man. „Die sind so motiviert, wie ich sie selten erlebt habe“, sagt er. Das Verantwortungsgefühl sei enorm gestiegen, die Angestellten machten sich verstärkt bewusst, dass sie in einer Schlüsselposition arbeiten, einen Versorgungsauftrag zu erfüllen haben. Um den Stress für die Mitarbeiter zu minimieren, hat Grube die Öffnungszeiten eingeschränkt. Statt von 7 bis 22 Uhr ist jetzt nur noch von 8 bis 20 Uhr geöffnet.

Kunden geben Präsentkörbe ab

Doch auch bei den Kunden ist die Wertschätzung für die Arbeit der Lebensmittelhändler gewachsen. Erst am Vortag habe eine Kundin einen Präsentkorb mit Pralinen, Bonbons und anderen Naschereien für die Mitarbeiter abgegeben, erzählt Grube. Gleiches taten zwei Schwestern des nahen St. Josefs-Krankenhauses. Auch Gabriele Augustin hat eine Packung mit Osterpralinen in ihrem Einkaufskorb, die sie für die Marktangestellten kaufen will. Die 70-Jährige ist Stammkundin und findet es wichtig, den Menschen hier „Respekt zu zollen“. Dirk Spengler lobt die Sicherheitsmaßnahmen im Markt. „Die haben hier wirklich schnell reagiert“, sagt der 48-Jährige, der ebenfalls Stammkunde ist. 

Mitarbeiter freuen sich über den Respekt

Wie Grube ist auch der erste Marktassistent Jens Bauer sehr angetan von den Reaktionen der Kunden. Beinahe täglich würden Präsente abgegeben, was früher niemals vorgekommen sei. „Die Menschen nehmen viel mehr Rücksicht auf unsere Arbeit“, sagt er. „Ich freue mich, dass endlich anerkannt wird, was in unserer Branche geleistet wird.“ Und nach einer Pause fügt er hinzu: „Es wäre schön, wenn das auch nach der Krise so bleibt.“

Grube ist sich sicher, dass das noch lange dauern wird – mindestens ein halbes Jahr. „Wir stehen noch ganz am Anfang“, sagt der 81-Jährige. Und, so komisch es klingt: „Die Abstandsregeln haben die Menschen wieder einander näher gebracht, weil sie sich gegenüber einander jetzt besser verhalten.

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