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Das Klinikum "Ernst von Bergmann" in Potsdam.

© Andreas Klaer

Coronakrise im Bergmann-Klinikum: Transparenzoffensive gegen zerstörtes Vertrauen

Das Bergmann-Klinikum will mehr Transparenz wagen:Eine neue Internetseite informiert über Lage vor Ort. Mitarbeiter schildern ihre Sicht auf die Krise.

Potsdam - Nach dem schweren Corona-Ausbruch am Bergmann-Klinikum wirbt das unter neuer Leitung stehende kommunale Gesundheitsunternehmen mit einer Transparenzoffensive um Vertrauen. Seit Dienstag ist unter https://corona.kevb.de eine Internetseite zu finden, auf der die Corona-Lage im Krankenhaus dargestellt ist. „Die Daten werden zweimal täglich aktualisiert“, so das Klinikum. 

Auf der Homepage wird die Zahl der bislang behandelten Covid-Patienten genannt – derzeit 139 – , ebenso die Zahl der im Bergmann-Klinikum mit und an Corona verstorbenen Menschen, derzeit 42. Aufgelistet werden Daten zu den bisher mehr als 8400 Abstrichtests bei Mitarbeitern, die 200 Infektionen aufdeckten. Keine Angaben gibt es dazu, ob bereits klar ist, wie viele der Infizierten sich im Klinikum mit dem gefährlichen Virus angesteckt haben. Ferner listet die Seite die Verhaltensregeln für Angehörige und Patienten im Klinikum auf. Angegeben wird die aktuelle Bettenauslastung, derzeit nur 21 Prozent. Seit 1. April gilt wegen des Corona-Ausbruchs ein Aufnahmestopp für neue Patienten. 

Wie berichtet setzt das Klinikum für eine bessere Kommunikation nach außen auch auf eine Düsseldorfer Spezialagentur für Krisenkommunikation, die sich ihre Arbeit nach eigener Preisliste mit Tagessätzen von bis zu 2500 Euro vergüten lässt.

Neue Internetseite mit Mitarbeiterinterviews

Auf der neuen Internetseite stellt das Klinikum auch die Sicht von Mitarbeitern dar. Unter anderen wird dort der Stationsleiter der Augenklinik, Martin Krause, zitiert: „Viele Mitarbeiter fühlen sich an den Pranger gestellt. Das ist unfair, was die Medien gerade mit uns machen!“ 

Die bisherige Geschäftsführung des Hauses hatte jedoch bereits Fehler im Umgang mit dem Corona-Ausbruch eingeräumt und ist von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) beurlaubt worden. Eine Untersuchungskommission soll für Aufklärung sorgen, die Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungen. Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) hatten festgestellt, dass unter anderem Umzüge von Patienten innerhalb des Hauses die Virusübertragung begünstigt haben könnten – gerade in der besonders betroffenen Geriatrie. 

Nun sollen Hans-Ulrich Schmidt und Tim Steckel als Interims-Geschäftsführung einen Neustart verantworten. Am Dienstag gab es nach PNN-Informationen ein erstes Treffen von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) und Landeskrisenstabs-Chef Michael Ranft mit Schmidt und Steckel. Dabei soll über die wichtigsten Punkte des neuen Konzepts gesprochen worden sein.

Ein Pressegespräch mit ausgewählten Mitarbeitern

Zu den Neuerungen am Klinikum in Sachen Transparenz zählte am Dienstag auch ein Pressegespräch mit Mitarbeitern des Hauses. Ihre Aussagen wurden über Videotelefonie aus dem Klinikum in eine Pressekonferenz im Tagungszentrum Villa Bergmann übertragen. Schon in seiner Einladung vom Freitag verwies das Klinikum darauf, dass die Mitarbeiter nur über ihre Arbeit berichten wollten und „keine Fragen zu den derzeitigen politischen Auseinandersetzungen um das Klinikum beantworten möchten“. 

Auch Fotos waren nicht erlaubt. Zu Wort kam per Video Bettina Schade, die Leiterin der Pfleger auf der neu eingerichteten Corona-Normalstation mit aktuell knapp 30 Patienten. Dort habe „niemand Angst, sich zu infizieren“. Es sei genügend Schutzmaterial vorhanden. Auch die neue Internetseite listet den Umfang des Bestands auf – so sollen Schutzkittel noch zwei Wochen, Handdesinfektionsmittel noch mehr als 20 Monate reichen.

Wegen der Besuchsbeschränkungen sei man für die Patienten vielfach auch als Seelsorger tätig. Diese könnten per Videotelefonie mit Angehörigen sprechen. Leider sei dafür aber nur ein Tablet auf der Station vorrätig, so Schade. Sprecherin Theresa Decker versicherte, bei Mehrbedarf würden zusätzliche Geräte zur Verfügung gestellt. Schade bestätigte auf Nachfrage auch Anfeindungen gegenüber Klinikmitarbeitern: „Wir lachen ja mal – doch Spaß zwischen uns wurde auch negativ ausgelegt.“

Die Arbeit ist anstrengender

Auch Oberärztin Susanne Röber von der Covid-Intensivstation mit derzeit sieben Patienten meldete sich zu Wort. So sei der Arbeitsalltag allein durch das Tragen der Schutzkleidung anstrengender geworden. „Die Kittel sind nicht atmungsaktiv, man schwitzt.“ Man bemühe sich auch um sterbende Patienten, ihr Leiden werde mit Medikamenten reduziert. Von italienischen Verhältnissen sei man weit entfernt, sagte der Zentrumsleiter für Intensivmedizin, Michael Oppert. Einen PNN-Bericht, in dem eine Angehörige einer Corona-Patientin im Klinikum mehr Fürsorge im Umgang mit den Infizierten anmahnte, kommentierte Oppert so: Zwar sei die Schilderung nicht an den Haaren herbeigezogen, ihn habe der Bericht auch betroffen gemacht. „Aber unsere Leute im Haus empfinden die Lage anders.“

Weniger Geburten im Klinikum

Bei dem Pressegespräch kam auch die Lage auf der Geburtsstation zur Sprache, wo aktuell die Partner aus Infektionsschutzgründen nicht bei der Entbindung dabei sein dürfen. Dazu sagte Gynäkologie-Chefarzt Bernd Köhler, inzwischen bekomme man – nach erheblichen Akzeptanzproblemen am Anfang – auch positives Feedback von Frauen, dass es an nichts fehle. Allerdings verzeichne man ein Viertel bis ein Drittel weniger Geburten als gewöhnlich. Manche Paare sind also offensichtlich auf andere Häuser ausgewichen. Bisher sei man von Corona verschont geblieben, alle Schwangeren würden kurz vor der Entbindung getestet. Auch die Hebammen würden regelmäßig kontrolliert.

"Ziemlich leer"

Chefarzt Oppert schilderte, angesichts von derzeit noch 235 Patienten vor Ort wirke das 1100-Betten-Haus derzeit „ziemlich leer“. Gleichwohl seien mehr als 2200 Mitarbeiter im Einsatz, davon etwas mehr als 400 Ärzte. Vielfach würden andere Tätigkeiten wahrgenommen, etwa für den Krisenstab im Haus oder die Corona-Testungen. Auch für Fortbildung werde Zeit genutzt, hieß es. Sorge bereite unter anderem, ob es nach einer noch nicht absehbaren Wiederaufnahme des Normalbetriebs eine Bugwelle jetzt nicht behandelter Patienten gibt. „Großen Kummer“ bereite ihm auch, dass man wegen des Aufnahmestopps nun für die Behandlung von zum Beispiel Schlaganfällen nicht mehr zur Verfügung stehe, obwohl auch solche Krankheiten akut behandelt werden müssten. „Es tut uns leid, dass wir da so reingeschlittert sind.“

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