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Potsdams Reisebüros kämpfen ums Überleben.

© Soeren Stache/dpa

Coronakrise: Albträume und Sorgen bei Potsdams Unternehmern

Potsdams Unternehmen sind von der Coronakrise unterschiedlich stark betroffen. Besonders hart ist es für die Reisebüros.

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Potsdam - Die Coronakrise trifft Potsdams Wirtschaft ins Mark. Betroffen sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Während es beispielsweise Baufirmen noch vergleichsweise gut geht, kämpfen etwa die Reisebüros der Stadt bereits ums nackte Überleben.
Unter Tränen schilderte Katharina Rufledt ihre aktuelle Lage. Die Inhaberin eines Reisebüros am Neuen Markt ist „nachts von Albträumen geplagt“, weil sie nicht weiß, wie sie die nächsten Wochen überstehen soll. Tagein, tagaus sei sie nur mit Stornierungen beschäftigt, erzählte sie den PNN. Alle Buchungen, die zum Höhepunkt des Geschäftsjahrs der Branche, also im Dezember, Januar und Februar, gemacht worden seien, würden nun von den Kunden abgesagt. 

Arbeiten "ohne einen Cent zu verdienen"

Weil Reisebüros ihre Provision von den Reiseveranstaltern wie TUI aber erst bekämen, wenn die Reise stattgefunden hat, stehe sie nun nicht nur ohne Einnahmen da, sie arbeite momentan zum Nulltarif. „Ich bin für meine Kunden da, ohne einen Cent zu verdienen, während die monatlichen Fixkosten weiterlaufen“, sagt Rufledt. Sie lebe vom Ersparten, das für die Altersvorsorge gedacht war, erzählt sie am Telefon, emotional hörbar aufgewühlt. Die Reisebüro-Inhaberin will, nach dem Vorbild des Vereins Dresdner Reisebüros, gemeinsam mit Potsdamer Branchenkollegen einen Offenen Brief an die Landesregierung schreiben und dort um finanzielle Unterstützung bitten. Sie fordert eine feste, nicht rückzahlbare staatliche Unterstützung für mindestens sechs Monate und darüber hinaus für den gleichen Zeitraum eine Art bedingungsloses Grundeinkommen, das zurückgezahlt oder verrechnet werden könne, sobald wieder Einkünfte vorhanden seien.

Es ist "eine Frage von Wochen, nicht Monaten"

Ebenso dramatisch beschreibt Thomas Deppe, Inhaber eines Reisebüros in der Karl-Liebknecht-Straße, seine Situation. Als ehemaliges Franchise-Unternehmen des pleite gegangenen Reiseveranstalters Thomas Cook habe er seine finanziellen Reserven aufgebraucht, um diese Krise zu überstehen. „Und jetzt kommt auch noch Corona“, sagte er den PNN. Für ihn sei es „eine Frage von Wochen, nicht Monaten, bis wir nicht mehr können“. Er müsse nicht nur Stornierungen hinnehmen, sondern dürfe ja auch keine Reisen mehr verkaufen. „Unserer Branche ist die gesamte Erwerbsgrundlage zusammengebrochen“, fasst er zusammen. Seine zwei Festangestellten befänden sich bereits in Kurzarbeit, aber das helfe finanziell kaum. In ähnlicher Situation befänden sich viele der 54 Reisebüros in Potsdam.

Appell, nicht zu stornieren

Er appellierte an die Kunden, Reisen nicht zu stornieren, sondern auf einen späteren Zeitpunkt umzubuchen. Zur Rettung der Reisebüros schlägt er indes einen anderen Weg als Rufledt vor. Die großen Reiseveranstalter sollten die Reisebüros bezahlen, als ob die Reisen stattgefunden hätten und sich das Geld vom Staat erstatten lassen. Diese dürften das nämlich, während Reisebüros bislang unter keinem Rettungsschirm stünden. Allein diese Maßnahme würde für vielleicht drei Monate das Überleben sichern. Darüber hinaus bedürfe es einer monatlichen Überlebenshilfe von mindestens 6000 Euro pro Reisebüro, sagte Dippe. 

Nur noch 100 statt 4000 Essen

Gebeutelt von der Coronakrise sind auch die Caterer. Der Potsdamer Anbieter Blauart beispielsweise hat sämtliche seiner 75 Mitarbeiter auf Kurzarbeit setzen müssen, wie Inhaber Ralf Blauert den PNN sagte. Allerdings steht nicht alles still: „Wir beliefern täglich Horte und Kitas mit Mittagessen für die Notbetreuung, Stand heute 100 Essen täglich.“ In Normalzeiten liefert der Betrieb allerdings 4000 Essen pro Tag aus. „Wir bieten unsere Kapazitäten für die weitere Notfallversorgung den Behörden und beteiligten Akteuren in dieser Krise an“, so Blauert. Ziel sei es, die Grundstruktur des Unternehmens mit seinen erheblichen Fixkosten aufrecht zu erhalten. Doch angesichts der Lage werden man „das keinesfalls ohne direkte und unmittelbare staatliche Hilfe“ schaffen. 

Baubranche noch optimistisch

Noch relativ unbeschadet durch die Krise kommen offenbar die Baubetriebe. Die Firma Günther Bau mit Sitz in der Teltower Vorstadt arbeitet noch auf allen ihrer derzeit vier Baustellen. Die 15 Angestellten hielten Abstand zueinander, krank sei bislang auch niemand, sagte Firmenchef Carsten Steinicke den PNN. Ähnlich ist die Lage bei der Potsdamer Sanierungsbau GmbH in der Berliner Vorstadt, die 25 Baustellen am Laufen hat. Noch mache sich die Krise hauptsächlich beim Materialnachschub bemerkbar. 
Einen anderen Weg hat Baudenkmalpfleger Roland Schulze eingeschlagen. Er hat seine Firma bereits am 16. März für zwei Wochen vorsorglich geschlossen. Einige der 72 Festangestellten haben auf das Arbeitszeitkonto zurück gegriffen,nähmen Resturlaub oder mußten sich um die Kinder kümmern. Er habe die Zeit genutzt und die aktuell 20 Baustellen neu organisiert, damit der Kontakt der Handwerker minimiert werde, sagte Schulze den PNN. Er hoffe, dass in Kürze alles wieder  anläuft, dann aber geordnet.

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