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Protest in Potsdam: Eine Demonstrantin und ihre Botschaft.

© Andreas Klaer

Corona-Verschwörungstheorien: Ängste vor dunklen Mächten im Hintergrund

Verschwörungsgläubige protestieren gegen die Coronaverordnungen - auch in Potsdam. Ein Mix aus "besorgten Bürgern", aber auch Impfgegnern, Extremisten und Antisemiten versammelt sich. 

Potsdam - Am Samstag wollen in Potsdam wieder etwa 50 Menschen gegen die Verordnungen zur Coronaeindämmung demonstrieren. Solche Proteste finden bundesweit statt, bei manchen nehmen Rechtsextremisten und AfD-Politiker teil. In Potsdam gehen bisher vor allem Esoteriker auf die Straße – und verbreiten dabei teils krude Behauptungen.

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Am Brandenburger Tor wird seit einigen Wochen jeden Tag protestiert, gesungen und meditiert. Am Freitag kamen etwa 20 Personen. Anmelderin ist die Potsdamer Heilpraktikerin Constanze Contudo, die nach eigenen Angaben bisher nicht politisch aktiv war. Jetzt hält sie täglich Reden. Viele ihrer Klienten seien „traumatisiert“ durch das Kontaktverbot und andere Maßnahmen, sagte sie am Freitag.

Gefälschte Coronastatistiken und "5000 Euro Schweigegeld"

Dass das Coronavirus lebensgefährlich sein kann, glaubt Contudo nicht. Die Therapeutin hat andere Ängste. Hinter der Krise könne ein Plan stecken, vermutet sie: „Was wäre, wenn dunkle Mächte im Hintergrund eine neue Weltordnung errichten wollen?“ In der Pose der kritischen Fragestellerin erzählte Contudo am Freitag auch eine haarsträubende Geschichte: Die amtlichen Coronastatistiken seien gefälscht. Patienten, die an anderen Ursachen gestorben seien, würden als Covid-19-Tote ausgegeben. Die Angehörigen erhielten „5000 Euro Schweigegeld“. Das will Contudo im Internet erfahren haben. Als die PNN später nachfragen, woher diese Geschichte genau kommt, bricht Contudo das Gespräch abrupt ab. Begründung: Sie spüre „viel Negatives“ vom Reporter.

Die Schweigegeld-Geschichte überzeugt nicht einmal alle Anwesenden. Das gehe ihr nun etwas zu weit, sagt die nachfolgende Rednerin. Aber es gibt einen gemeinsamen Nenner: Immer, wenn sich ein Redner gegen Impfungen ausspricht, ist der Beifall besonders laut. Die meisten Passanten hingegen schauen eher skeptisch. Auch die Cafébesucher, die mit Abstand zueinander an Straßentischen sitzen, klatschen nicht mit. „Das ist ja wie die Speaker’s Corner in London“, sagt ein älterer Herr und schüttelt sichtlich amüsiert den Kopf. Ein Fahrradfahrer findet das Treiben der Impfgegner weniger lustig. „Ihr Spinner!“, ruft er erbost, als ein Redner vor „Impf-Kartellen“ warnt.

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Impfkritiker seien anfällig für "antisemitische Argumentationsmuster"

„Gerade in Krisenzeiten neigen viele Menschen zu Verschwörungserzählungen“, sagt Dorina Feldmann von der Fachstelle Antisemitismus am Moses Mendelsohn Zentrum. Das sei keinesfalls harmlos. „Die Proteste in einigen Orten Brandenburgs bewegen sich hart an der Grenze zum Antisemitismus.“ Es gäbe Anknüpfungspunkte für Rechtsextremisten, die ebenfalls die Wissenschaft ablehnten und die „Gesundheit des Volkskörpers“ gegen düstere Mächte verteidigen wollten. „Die sogenannten Impfkritiker bewegen sich in einem esoterischen Milieu, das sehr anfällig ist für antisemitische Argumentationsmuster“, sagt Feldmann.

Die meisten Impfgegner weisen derartige Einwände zurück. Sie sehen darin haltlose und böswillige Verleumdungen. Oft verstehen sie sich selbst sogar als linksalternativ oder sehen sich als Anhänger der Anthroposophie nach Rudolf Steiner. Vielen ist nicht einmal bewusst, dass auch die NSDAP gegen eine angeblich „verjudete Schulmedizin“ hetzte.

Verfassungsschutz beobachtet die Bewegung

Der Brandenburger Verfassungsschutz beobachtet die neue Protestbewegung jedenfalls bereits. Das Milieu sei „dynamisch, heterogen und noch nicht durchgehend organisiert“, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Unter den Teilnehmern fänden sich „besorgte Bürger“, die Angst um ihre demokratischen Grundrechte hätten. Aber auch „Antisemiten, Globalisierungsgegner, Verschwörungsfantasten, Reichsbürger, Impfgegner und Extremisten“. Es sei noch zu früh, um abzuschätzen, was sich aus dieser Gemengelage entwickeln könnte. Auffällig sei aber, dass die AfD an vielen Orten „eine zentrale Leitfunktion“ einzunehmen versuche, so der Sprecher. Wie die Potsdamer AfD zu den Protesten steht, ist noch unklar. Eine PNN-Anfrage ließ der Ortsverband bisher unbeantwortet.

Für die Versammlung am Samstag hat das Gesundheitsamt die Auflage erteilt, dass alle Teilnehmer den Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten müssen. Dennoch könnte es eng werden. Am vergangenen Samstag kamen laut PNN-Informationen etwa 50 Personen. Mehr sind nach der aktuellen Rechtslage nicht erlaubt.

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