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Corona-Lage in Potsdam: Nur noch sieben Tage Gratistests

Ab dem 11. Oktober gibt es bundesweit keine kostenlosen Corona-Schnelltests mehr. Was die Tests in Potsdam kosten werden und was der Gesundheitsamtschefin Sorgen bereitet.

Von Carsten Holm

Potsdam - Wer Geld sparen will, muss sich beeilen. Ab Montag, dem 11. Oktober, gibt es bundesweit keine kostenlosen Corona-Schnelltests mehr, denen sich jeder Bürger bisher wöchentlich unterziehen konnte. Für Ungeimpfte wird es teuer: In einigen Impfzentren, in Apotheken und Arztpraxen werden die Tests zwar auch weiterhin angeboten – sie kosten je nach Anbieter aber 12 bis 20 Euro. Das Kalkül der Politik ist klar: Wer geimpft ist, braucht die Tests nicht mehr. 

Kritiker wie Olaf Lücke, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Brandenburg (DeHoGa) sprechen denn auch von einem „Impfzwang durch die Hintertür“ – denn nur mit einem negativen Corona-Test ist Ungeimpften der Zugang zu Restaurants und kulturellen Veranstaltungen möglich, wie Bund und Länder am 10. August beschlossen haben. Oft kamen gerade Jüngere in die Teststellen, bevor sie am Abend Kneipen, Bars oder Restaurants aufsuchten.

Große Nachfrage nach kostenlosen Tests 

In Potsdam war die Nachfrage nach kostenlosen Tests gewaltig. Nach Angaben des Rathauses wurden von den 26 Teststellen, die durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst beauftragt wurden, und den 14 weiteren Teststellen bei Ärzten, Apotheken und Hilfsorganisationen zwischen Mai und Ende September rund 300 000 Tests vorgenommen. 

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Aber ist es angesichts der nach wie vor problematischen Corona-Lage sinnvoll, die kostenlosen Tests zu beenden, die für viele ein Anreiz waren zu erfahren, ob sie sich infiziert hatten? Vorige Woche waren wie berichtet rund 700 Kinder und Jugendliche in Potsdam in Quarantäne, 75 Kinder sowie 15 Mitarbeitende in 19 Einrichtungen wurden als infiziert registriert.

58,5 Prozent aller Brandenburger vollständig geimpft 

Zudem gehören die Brandenburger, Stand 1. Oktober, laut Robert-Koch-Institut (RKI) mit einer Quote von nur 58,5 Prozent vollständig Geimpften zu den Impfmuffeln der Republik. In Deutschland waren an diesem Tag 64,6 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, in Bremen sogar 75,1 Prozent. In seinem „Coronavirus-Update“ bei NDR-Info hat Christian Drosten, Chef-Virologe der Charité, einen exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen für die zweite Oktoberhälfte prognostiziert. Der Impffortschritt sei unzureichend, „die Zahlen sehen übel aus“.

Kristina Böhm, die Chefin des Potsdamer Gesundheitsamts, teilt Drostens Einschätzung. „Wir beobachten die Entwicklung mit Sorge, da das Impftempo weiter stagniert und sich das Infektionsgeschehen an Kitas, Schulen und Horten nicht beruhigt“, sagte sie den PNN. Die Leidtragenden seien „die Kinder unter zwölf Jahren, denen die Möglichkeit zur Impfung nicht zur Verfügung steht“. Es gebe Kinder, „die bereits wiederholt in Quarantäne mussten“. Auch wenn diese Quarantänezeit gemäß RKI auf fünf Tage verkürzt werden könne, fehle den Kindern diese Zeit. 

Schließung der Impfzentren „folgerichtig“ 

Wichtig auch für Böhm: Die kostenlosen Tests für diese Gruppe bleiben auch nach dem 11. Oktober erhalten: „Leider nehmen immer noch nicht alle Eltern für ihre Kinder diese Testung in Anspruch, ein Zwang verbietet sich.“ Die Schließung der Impfzentren ist laut Böhm dennoch „folgerichtig“, da ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehe und die Hausarztpraxen „den niedrigschwelligsten Zugang“ böten. 

Einige Apotheken bieten weiterhin Tests an. Die Ribbeck-Apotheke in Bornstedt gehört dazu, die Apotheke im Markt-Center, die Alhorn-Apotheke an der Kastanienallee und die Apotheke „Zum Schwarzen Bär“ an der Dortustraße. „Wir müssen in den nächsten Jahren wohl noch Anlaufstellen für Patienten bleiben“, sagt Inhaberin Antje Baumgardt. Der Preis für einen Abstrich werde dort „um zwölf Euro“ betragen. 

Schnelltests für etwa 15 Euro gibt es auch künftig bei der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Rat & Tat Katte an der Jägerallee 29. Weiter getestet wird in der Humboldt-Apotheke an der Heinrich-Mann-Allee, auch wenn der bürokratische Aufwand inzwischen „immens“ sei, wie Filialleiter Magnus Albrecht sagt: „Am Anfang hat es sich gelohnt, jetzt ist es eine Nullrechnung.“ 

Auch Florian Kosak, Geschäftsführer des Berliner Start-ups Unicorn Workspace und Betreiber der großen Testzentren am Kutschstallhof und auf dem Parkplatz des Stern-Centers gibt trotz sinkender Nachfrage nicht auf. Der 32jährige eröffnete am 10. Januar das erste Zentrum, die Schnelltests kosteten damals 49,90 Euro, erst im März gab es sie kostenlos. Insgesamt hielten seinen Mitarbeitern in Potsdam fast 100 000 Bürger:innen die Nase hin. Im Frühjahr waren täglich zwei bis drei Getestete positiv, im Sommer nur zwei im Monat. Auch die Johanniter-Unfallhilfe führt die Abstriche ab 11. Oktober im Johanniter-Quartier an der Zeppelinstraße 131 fort. Der Preis: 20 Euro.

Tests mit ärztlichem Attest kostenlos 

Für Menschen, die sich wegen einer Krankheit nicht impfen lassen können, bleiben die Tests mit ärztlichem Attest kostenlos. Ebenso für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und Schwangere, die Bedenken gegen eine Injektion haben. Bürgern, die einen Schnelltest brauchen, um aus einer Quarantäne entlassen zu werden, entstehen auch künftig keine Kosten. 

Ratlos ist die Potsdamer AWO-Chefin Angela Schweers, wie es nach dem Ende der Kostenfreiheit mit Schnelltests bei Veranstaltungen weitergehen soll. Denn auch für Hartz-IV-Empfänger ist eine Kostenübernahme bisher nicht vorgesehen. Zwar seien die meisten Besucher etwa der Spielnachmittage, der Skatrunden und des Frühstücks der Flüchtlingshilfe geimpft, sagt Schweers. Ungeimpfte aber würden „immer frisch getestet“. Es sei bisher nicht geklärt, ob die Kosten, die der AWO dafür entstünden, refinanziert würden. Schweers hält nichts vom Ende der kostenlosen Tests: „Menschen brauchen Gemeinschaft. Wer eine gegenseitige Gemeinschaft will, muss etwas dafür tun.“

Am Sonntag lag die 7-Tage-Inzidenz in Potsdam bei 67,5 - der höchste Wert seit Mitte Mai. Vor einer Woche hatte die Landeshauptstadt nach Angaben des Robert-Koch-Instituts eine Inzidenz von 54,9 aufgewiesen. Am Sonntag wurden wie am Samstag 20 Neuinfektionen mit dem Coronavirus vermeldet. 

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