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Aus Abwasserproben wird RNA-Material extrahiert und auf das Coronavirus getestet - hier eine Aufnahme aus Hamburg.

© Daniel Reinhardt/dpa

Corona-Abwassermonitoring in Potsdam: Noch keine Infektionslage in Echtzeit

Seit März wird Potsdams Abwasser auf das Coronavirus untersucht. Ergebnisse soll es ab Herbst geben - noch ist unklar, inwiefern sie auch veröffentlicht werden.

Potsdam - Die Daten könnten gerade in der aktuellen Phase der Pandemie – steigende Zahlen, aber eingeschränkte Testmöglichkeiten – wichtige Aufschlüsse über die tatsächliche Infektionslage geben: Seit März wird Potsdams Abwasser regelmäßig auf das Coronavirus untersucht. Potsdam ist neben 19 weiteren Kommunen Teilnehmer eines EU-geförderten und vom Robert Koch-Institut (RKI) begleiteten Pilotprojekts der Bundesministerien Umwelt, Gesundheit und Forschung (PNN berichteten). Eine systematische Auswertung der Daten wird es aber frühestens im September geben. In welcher Form diese dann auch öffentlich gemacht wird, ist noch offen.

Wie schon zum Projektstart antworteten die Stadtwerke auf eine PNN-Anfrage zum Thema nur schmallippig. Ein Sprecher verwies auf den Projektträger, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Auch für ein Foto bei der Probenentnahme stehen die Stadtwerke derzeit nicht zur Verfügung, hieß es.

In Rostock, ebenfalls Pilotkommune, läuft die Probenentnahme automatisiert.
In Rostock, ebenfalls Pilotkommune, läuft die Probenentnahme automatisiert.

© Bernd Wüstneck/dpa

Die Probenentnahme in Potsdam laufe planmäßig, sagte Projektleiterin Verena Höckele, die am KIT die Abteilung Wassertechnologie leitet, den PNN. Zweimal pro Woche werde eine Probe aus dem Zulauf des Klärwerkes entnommen, erklärte sie – „grundsätzlich eine Routinearbeit“. Die Proben würden dann durch ein Labor, mit dem die Stadtwerke auch sonst zusammenarbeiten, analysiert. Dabei müsse die Wasserprobe zunächst molekularbiologisch aufbereitet und das RNA-Genmaterial extrahiert werden. Dieses werde dann mittels PCR-Test auf das Coronavirus untersucht.

Abwasser liefert schnellere und genauere Daten zur Infektionslage

Denn Infizierte scheiden das Virus auch über Stuhl und Urin aus – ganz unabhängig davon, ob eine Infektion schon diagnostiziert und per PCR-Test bestätigt wurde und damit in den vom RKI ausgewiesenen Inzidenzwert einfließt. Das Abwassermonitoring kann also genauere Daten liefern. Und ist auch schneller, wie Projektleiterin Höckele erklärt: Man gehe derzeit davon aus, dass man auf diesem Wege einen Vorlauf von vier bis zehn Tagen zur offiziellen Statistik habe. Das RKI hatte bereits im März erklärt, dass man sich von der Abwasserüberwachung die Früherkennung von ansteigenden Trends insbesondere in Zeiten niedriger Inzidenzen, wenn sich weniger Menschen testen lassen, erhoffe.

Die Daten aus Potsdam und den anderen Kommunen sollen künftig nicht nur mit den Inzidenzwerten abgeglichen werden. Es gibt auch verschiedene Begleitparameter, die speziell für jede Kläranlage erhoben werden, erklärt Verena Höckele. Dabei geht es zum Beispiel um den Durchfluss. „Wenn es starken Regen gibt, ist der Durchfluss viel höher.“ Das müsste bei der Interpretation der Daten berücksichtigt werden. Auch ein Vergleich mit anderen Standorten soll später möglich sein.

Die Dateninfrastruktur wird bis September/Oktober aufgebaut

Momentan gibt es diese Ergebnisse aber noch nicht. Die Dateninfrastruktur dafür – das Herzstück des Projekts – werde aktuell aufgebaut, erklärte Höckele. Das soll bis September/Oktober abgeschlossen sein. Dann gibt es auch den Zugriff auf die Daten – zumindest für die Projektteilnehmenden. Inwieweit die Daten auch für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, habe man den Standorten freigestellt. Von den Stadtwerken heißt es auf PNN-Nachfrage dazu: „Wann und in welcher Form die Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, wird derzeit noch zwischen den Projektpartnern abgestimmt.“

Wie es nach Abschluss der Pilotphase im März 2023 weitergeht, wird in einer Steuerungsgruppe der drei Ministerien unter Beteiligung von Verantwortlichen aus Ländern und Kommunen entschieden. Auf der Basis der Pilotphase sollen dafür Empfehlungen erarbeitet werden.

Grundsätzlich ist über das Abwasser auch die Überwachung anderer Krankheitserreger möglich. „Man kann das Abwasser mehr für solche gesundheitsbezogenen Fragestellungen nutzen“, sagt Verena Höckele. Das RKI nennt unter anderem Influenza, Hepatitis, Masern oder Polio (Kinderlähmung). In Israel etwa sei über das Abwassermonitoring die Wiedereinschleppung des Poliovirus – ein sogenannter „stiller Ausbruch“ – frühzeitig erkannt worden. Die Gesundheitsbehörden hätten dann mit der Verabreichung zusätzlicher Schluckimpfungen reagiert. Auch antibiotikaresistente Keime können im Abwasser nachgewiesen werden. Denkbar sei auch die Nutzung in Mastbetrieben zur Früherkennung von Ausbrüchen der Afrikanischen Schweinepest oder der Geflügelgrippe.

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