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Co-Working in Potsdam: Willkommen im Dschungel

Noch ist das Co-Working-Angebot in Potsdam eingeschränkt. Aber die Nachfrage der Start-ups ist da, und 2018 sind in der Landeshauptstadt mehrere neue Bürogemeinschaften geplant.

Potsdam - Über dem braunen Ledersofa hängen geflochtene Holzlampen, daneben steht eine große Topfpflanze auf dem Teppich. Es könnte ein Wohnzimmer sein – wäre da nicht das Tablet an der Wand, mit aktuellen Terminen in einer säuberlich ausgefüllten Tabelle. Der Raum im Hinterhaus der Potsdamer Hauptpost Am Kanal gehört zur Bürogemeinschaft des Mietwerks. 18 Arbeitsplätze gibt es hier, verteilt auf 240 Quadratmeter in mehreren Räumen, die tage- oder monatsweise an Start-ups oder Selbstständige vermietet werden. Viele arbeiten im Online-Bereich, E-Commerce, sind Webdesigner oder Softwareentwickler, aber auch eine Doktorandin ist dabei. Viele Ein- oder Zweimannfirmen, die innerhalb des letzten Jahres gegründet wurden.

Seit April 2016 gibt es den Co-Working-Space, wie sich die geteilten Büros im jungen Firmensprech nennen. „Ich will genau diese Mischung aus Büro und Wohnzimmer“, betont der Geschäftsführer des Mietwerks, Matthias Noack. „Es ist mir wichtig, dass eine Community entsteht, dass sich die Leute hier wohlfühlen und auch gegenseitig unterstützen.“

170 bis 350 Euro pro Monat kosten die Arbeitsplätze in der Regel

Der 31-Jährige gründete die Bürogemeinschaft, weil er selbst so ein Angebot in Potsdam suchte. Er hatte sich mit seiner IT-Firma selbstständig gemacht. Dauerhaft wollte er nicht allein im Homeoffice in Michendorf arbeiten. Noack schaltete eine Kleinanzeige auf Ebay, noch bevor er Räume gefunden hatte. „Innerhalb von zwei Tagen hatte ich schon sechs oder sieben Anfragen von Interessenten“, beschreibt Noack. Seit der Gründung kämen kontinuierlich Nachfragen, derzeit sei das Mietwerk komplett ausgebucht.

Co-Working: Ein Konzept, das in Berlin gerade in der Start-up-Szene schon seit Jahren verbreitet ist. Eine flexible Lösung, wo junge Firmen oder Freelancer mit dem Laptop anrücken können und wo es neben Arbeitsplätzen oft auch Kaffee und Obst gibt.

Auch in Potsdam gibt es mittlerweile einige Angebote im Co-Working-Bereich, aber die Zahl bleibt überschaubar. 170 bis 350 Euro pro Monat kosten die Arbeitsplätze in den bestehenden Angeboten in der Regel. Recht günstig gibt es einen Arbeitsplatz in der Alten Feinbäckerei in Potsdam-West. Das Angebot ist eher simpel, ein Tisch, ein Stuhl, Internet. Freie Plätze gibt es nur selten. Im Officium in der Nauener Vorstadt oder im Business-Center Potsdam in der Nördlichen Innenstadt kann man dagegen aus Listen auswählen, welche Dienstleistungen man zusätzlich buchen möchte, ob Postablage oder Buchhaltung.

Viele Anfragen, obwohl es bislang kaum Werbung gab

Bisher gibt es weniger als zehn Co-Working-Angebote in Potsdam, doch es werden mehr: Das Mietwerk expandiert, und auch sonst gibt es Pläne für neue Bürogemeinschaften. Im Frühjahr soll der zweite Standort des Mietwerks eröffnen. 550 Quadratmeter Bürofläche hat Noack dafür am Leipziger Dreieck, direkt am Hauptbahnhof, im ehemaligen Sudhaus der Brauerei angemietet. 50 Arbeitsplätze sollen dort entstehen, einige in kleinen Räumen, andere wie im derzeitigen Mietwerk in größeren Gemeinschaftsbüros. Dazu noch Meetingräume und zwei Dachterrassen für Events. „Ich habe kaum Werbung gemacht und trotzdem schon mehrere Anfragen“, sagt Noack.

Auch in Babelsberg sollen 2018 weitere Co-Working-Flächen entstehen. KW Development baut dort derzeit das Multifunktions-Filmstudio „Studio Five“. Nach Angabe der Firma sollen dort durch den Umbau des Foyers „zusätzliche Nutzflächen für Co-Working mit integrierten Konferenzräumen“ entstehen. Auch im denkmalgeschützten Lokschuppen in der Babelsberger Medienstadt könnten nach dem aufwendigen Umbau auf einer Teilfläche Bürogemeinschaften entstehen.

„Einige Leute kommen hier her, weil die Förderung besser ist als in Berlin“

Stefan Frerichs, Chef der Potsdamer Wirtschaftsförderung, sieht in der Entwicklung „keineswegs einen kurzfristigen Trend“. Er kennt die Angebote, wenn sich junge Firmen an die Stadt wenden und Büros suchen, gibt er eine Liste der bestehenden Angebote weiter. „Die Gründerszene gerade im IT-Bereich steht hier gerade erst am Anfang“, davon ist Frerichs überzeugt. Damit spielt er auch darauf an, dass Potsdam seit Juni als einer von deutschlandweit zwölf Digital Hubs auserkoren wurde – mit der Spezialität Medientechnologie. „Gerade in der Gründerphase brauchen diese Firmen kleine, flexible Büroflächen.“ Co-Working sei durchaus nachgefragt, denn die Szene suche nach Orten, an denen sie mit Gleichgesinnten zusammen arbeiten können.

Genau das genießt auch Ben O’Rourke. Der Projektmanager für eine Sportfirma ist in England aufgewachsen, lebt aber seit mehreren Jahren in Deutschland. Zunächst in Berlin, auch dort arbeitete er schon in verschiedenen Co-Working-Büros. „Aber dann wurde meine Tochter geboren, meine Frau und ich haben etwas Ruhigeres gesucht mit mehr Grün“, beschreibt O’Rourke. Sie zogen nach Potsdam und der junge Brite war einer der Ersten im Mietwerk. Seither hat er einen Arbeitsplatz im so genannten Dschungel, dem größten Raum, mit grüner Pflanzentapete und von der Decke baumelnden Blumentöpfen. „Zu Hause arbeiten wollte ich nicht, da bekommt man ja eine Macke“, sagt O’Rourke. Der Kontakt mit den anderen Leuten sei ihm wichtig, ab und zu gehe es auch um Fachfragen. „Hier wird Deutsch gesprochen, das finde ich angenehm, in Berlin läuft alles nur auf Englisch“, sagt O’Rourke.

Er ist nicht der Einzige im Mietwerk, der aus Berlin nach Potsdam gewechselt ist. „Einige Leute kommen hier her, weil die Förderung besser ist als in Berlin“, berichtet Noack. Aber es fehle an Büroflächen in zentraler Lage, mit guter Verkehrsanbindung, so der Mietwerk-Chef.

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