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Unter anderem mit der Clownsshow „Picknick mit Hans und Franzi“ kamen die Kinder auf ihre Kosten. 

© Andreas Klaer

Clown-Ensemble und Kinderschminken: Eine kurze Pause vom Krieg

Rund 150 Ukrainer:innen, ihre Kinder und Helfer:innen kamen zum Begegnungstag im Treffpunkt Freizeit. Für kurze Zeit schien das Geschehen in ihrer Heimat in den Hintergrund zu treten.

Von Carsten Holm

Potsdam - Es war beeindruckend und für ein paar Stunden beruhigend, wie am gestrigen Sonntag rund 150 Ukrainerinnen mit ihren Kindern und deutschen Gastgeber:innen den Begegnungstag im Treffpunkt Freizeit genießen konnten – so, als hätte der Krieg, der gleichzeitig in der Ukraine tobte, eine kurze Pause gemacht. Bald 50 Mädchen und Jungen sprangen kreischend und federnd auf einer Hüpfburg, verfolgten mit offenen Mündern und immer wieder aufbrausender Begeisterung, als die Russin Jana Serafannikova aus St. Petersburg Cluschas Märchen aus der russischen Mythologie aufführte. Bunt und fröhlich gekleidet, ein Feuerwerk von Einfällen für Vier- bis Zwölfjährige. Der Auftritt eines Clown-Ensembles des Hans Otto Theaters brachte nicht nur die Jüngsten zum Lachen, viele meldeten sich auch zum Kinderschminken an.

Viele ahnten und ihre Mütter wussten, was die Kinder zuhause in den zerstörten Städten und auf der Flucht erlebt und durchlitten hatten – aber all die Erinnerungen schienen ab 15 Uhr für drei Stunden in den Hintergrund zu treten.

Auch Kinderschminken wurde angeboten.
Auch Kinderschminken wurde angeboten.

© Foto; Andreas Klaer

Ukrainische Bortsch-Suppe und Waffeln mit Apfelmus

Aber auch für die Frauen und Mütter bot sich eine gute Gelegenheit, sich auszutauschen über ihr neues Leben in Potsdam, von dem niemand weiß, wie lange es andauern wird. Und zum Essen gab es, als sei es ein Gruß aus der Heimat: ukrainische Bortsch-Suppe, die ein georgischer Koch anbot, und Waffeln mit Apfelmus.

Als Uwe Rühling, pädagogischer Leiter des Treffpunkts Freizeit, die rund 150 Ukrainerinnen mit ihren Kindern und ihre Potsdamer Gastgeber:innen, die Geflüchtete bei sich zuhause aufgenommen haben, bei schönstem Vorsommerwetter im Garten begrüßte, erinnerte er an die Entstehungsgeschichte des Hauses: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs habe die russische Militäradministration den Auftrag gegeben, einen Ort zu schaffen, an dem vom Krieg geplagte Kinder ihre Freizeit endlich wieder kreativ gestalten können sollten. „Und jetzt“, so Rühling, „kommen Menschen aus der Ukraine zu uns, die Opfer der Armee sind, die doch wissen muss, was ein Krieg mit Kindern und Familien macht“.

Vor der Flucht zehn Minuten Zeit, um eine Tasche zusammenzupacken

Letztlich Glück hatten die 38 Jahre alte Olga, eine Kardiologin, ihr zwölf Jahre alter Sohn Nestor und der Kater Richi, die gleich am 24. Februar aus der längst von der russischen Armee besetzten Stadt Melitupol im Süden der Ukraine flüchteten und schließlich in Potsdam landeten. „Wir hatten zu Hause zehn Minuten Zeit, um eine Tasche zusammenzupacken. Dann mussten wir fliehen“, sagt die Ärztin. 

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Das Ehepaar hatte seine Wohnung in der Innenstadt von Melitupol gerade renoviert: „Jetzt wissen wir nicht einmal, ob sie noch existiert.“ Es ging über Lwiw nach Polen, dann weiter über Nürnberg nach Potsdam, wo sie bei Andrej Daiker in dessen Wohnung nahe des Rathauses Unterschlupf fanden. Er ist in Dnipro unweit von Mariupol geboren und lebt seit 20 Jahren hier. Stolz zeigt er ein Tattoo auf seinem linken Unterschenkel: Es ist das Wappen der Ukraine.

Andrej Daiker, selbst aus der Ukraine, hat Olga und ihren Sohn Nestor bei sich aufgenommen. 
Andrej Daiker, selbst aus der Ukraine, hat Olga und ihren Sohn Nestor bei sich aufgenommen. 

© Andreas Klaer

Die Ärztin Olga macht sich große Sorgen um ihren Mann, der Verkaufsleiter in einem Onlineshop ist und in der Ukraine zurückbleiben musste. Mehrmals am Tag telefonieren sie und ihre Sohn mit ihm, sie sind „in ständiger Angst um ihn“. Und wenn er mit ihnen geflüchtet wäre? „Dann hätte ich ihm nicht mehr in die Augen sehen können“, sagt sie. Und ihr Sohn ist „stolz darauf, dass mein Vater unser Land verteidigt“. Die Kardiologin würde sich sehr freuen, wenn sie die erforderlichen Qualifikationen schaffen würde und in Potsdam als Ärztin arbeiten könnte. „Das ist zwar ein langer Weg, aber ich möchte auf Dauer niemandem auf der Tasche liegen“, sagte sie den PNN.

Als „sehr schwierig“ beschrieb die Russin Vera Volkova aus Moskau ihre Lage. Sie ist als Au-pair-Mädchen nach Hamburg gekommen, hat an der Fachhochschule Potsdam Kommunikation und Design studiert, zwei Kinder und arbeitet jetzt für die Potsdamer Arbeiterwohlfahrt (Awo) in der Ukraine-Hilfe. Sie lehne den Krieg ab und könne deswegen nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren. „Ich versuche, hier zwischen Ukrainern und Russen zu vermitteln, indem ich helfe. Mich hat der Krieg wirklich zerrissen, aber die Arbeit bei der Awo macht mich wieder ganz“, sagte sie den PNN.

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