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Christopher Street Day: Potsdams buntes Jubiläum

Seit 25 Jahren wird in der Stadt der Christopher Street Day gefeiert. Das Leben für Homosexuelle ist seither einfacher geworden, Hürden gibt es aber trotzdem noch.

Potsdam - Der DEFA-Film „Coming Out“ bedeutet viel für Jirka Witschak. Als er 1989 zum ersten Mal im Babelsberger Kino gezeigt wurde, traute er sich allerdings nicht, in eine Vorstellung zu gehen. Sein Schwul-Sein empfand er damals noch als gesellschaftliches Tabu. Stattdessen schaute er den Streifen heimlich im ZDF. Der Film von Heiner Carow, in dem sich ein junger Lehrer in einen Jugendfreund verliebt, löste in der DDR eine Debatte über Homosexualität aus. Er bewegte auch Witschak dazu, auf sein inneres auch ein äußeres Coming-out folgen zu lassen – also nicht nur sich selbst, sondern auch anderen seine Homosexualität einzugestehen. Heute ist er Mitglied der Schwulenberatung Katte und Mitorganisator des Christopher Street Days, der in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen in Potsdam feiert.

Die Potsdamer Community zelebriert den Christopher Street Day im Gegensatz zu vielen anderen Städten nicht mit einer großen CSD-Parade, sondern in Form einer Aktionswoche, in der bei vielen Veranstaltungen vor allem über unterschiedliche Sexualitäten aufgeklärt werden soll. Organisiert wird der CSD im Projekt gayBrandenburg des Vereins Katte, dessen Vorsitzender Witschak ist. Seit 1993 wird der Christopher Street Day in der Landeshauptstadt gefeiert. Anlass war damals das 1000-jährige Stadtbestehen, geblieben ist die Veranstaltung bis heute.

Polizeiwillkür für sexuelle Minderheiten damals an der Tagesordnung

Die Geschichte des CSDs begann in New York. Im Jahr 1969 kam es in der namensgebenden Christopher Street zu Protesten gegen die Polizei, die zu diesem Zeitpunkt von homo- und transphoben Strukturen durchzogen war. Polizeiwillkür stand für sexuelle Minderheiten damals auf der Tagesordnung. Aus den mutigen Protesten der Schwulenszene wurde eine jährliche Tradition. Zehn Jahre nach den Anfängen in New York feierten erstmals deutsche Städte den CSD: In Berlin, Köln und Bonn gingen 1979 Homosexuelle auf die Straße und setzten so ein Zeichen für ein tolerantes Miteinander.

An den ersten Christopher Street Day in Potsdam erinnert sich Witschak noch gut, auch wenn er damals noch nicht daran teilgenommen hat. „Ich habe das Plakat gesehen, habe mich aber nicht getraut hinzugehen.“ Die gesellschaftliche Stimmung zu sexuellen Minderheiten sei im Jahr 1993 noch eine andere gewesen. „Es war ein schwieriges Thema so kurz nach der Wende. Im Osten wurde Homosexualität quasi totgeschwiegen“, sagt Witschak.

Als er später begann, mit seiner Homosexualität offen umzugehen, hätten sich ihm viele Hürden aufgezeigt. „Es war vor allem an Orten wie dem Arbeitsplatz schwierig. Man hat es nebenbei erwähnt, geguckt, wie die Leute reagieren. Es gab aber leider viele Menschen, die massive Schwierigkeiten mit dem Thema hatten.“

"Mittlerweile kann man ein Coming-out online verfolgen"

Heute, 25 Jahre nach dem ersten CSD in Potsdam, habe sich viel getan. Vor allem durch die Möglichkeiten des Internets kann man sich leichter mit anderen Menschen verbinden und austauschen. „Früher stand man immer vor der Frage: Wo finde ich Gleichgesinnte? Mittlerweile kann man ein Coming-out online verfolgen“, sagt Witschak. Es sei einfacher geworden, Anschluss zu finden.

Trotzdem betont er, dass Homosexuelle noch lange nicht vollständig in die Gesellschaft aufgenommen sind. „Die neuen Errungenschaften bedeuten nicht, dass man nicht mehr in der Schule oder am Arbeitsplatz gemobbt werden kann. Das passiert auch heute noch.“ Ob man sich dabei im ländlichen Raum oder in Berlin aufhalte, sei oftmals egal. Man könne immer zum falschen Zeitpunkt in der falschen Straße sein.

Umso wichtiger sei es, dass Veranstaltungen wie der Christopher Street Day stattfinden und so einmal jährlich die Aufmerksamkeit auf die queere Szene lenken würde. Auch ohne Parade muss sich Potsdam dabei nicht hinter Berlin verstecken. Seit Samstag finden zahlreiche Aktionen statt. So gab es etwa einen „Regenbogengottesdienst“ am Samstag in der Nagelkreuzkapelle. Noch bis zum 17. Mai kann man bei Diskussionen, Festen und Hissungen der Regenbogenflagge dabei sein.

SV Babelsberg will die Regenbogenfahne im Karli hissen

Einer der Höhepunkte ist für die Organisatoren der Queensday, der am 5. und 6. Mai im Holländischen Viertel stattfindet. Viele Transsexuelle in bunten Kostümen zelebrieren ihren Lebensstil auf der Straße. „Der Queensday ist auch in Berlin weit bekannt. Er ist bewusst eine Abgrenzung zu dem, was dort los ist“, so Jirka Witschak. So sieht man in Potsdam etwa keine entblößten Geschlechtsteile. Der Anreiseweg aus Berlin gehört noch zu den kürzeren: „Auch Holländer kommen zum Queensday! Wir haben deshalb dieses Jahr zum ersten Mal eine Travestiekünstlerin aus den Niederlanden bei uns.“

Auch einen neuen Kooperationspartner für den Potsdamer CSD gibt es: Der SV Babelsberg 03 wird im Karl-Liebknecht-Stadion die Regenbogenflagge hissen und am 11. Mai zum Talk „Heteros fragen, Homos antworten“ einladen. Die Zusammenarbeit führe nicht nur zu neuen Programmpunkten, sondern setze auch ein wichtiges Zeichen für die Fußballszene. Der Babelsberger Verein ist einer der ersten deutschen Fußballclubs, der sich am CSD beteiligt. „Ein besonderer Gewinn für den Christopher Street Day, aber auch ein wichtiges Zeichen für Potsdam selbst“, sagt Jirka Witschak.

Carolin Kulling

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