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Seit 2002 sitzt der Online-Händler in Kleinmachnow.

© Andreas Klaer

Chance oder Risiko für Einzelhandel: Wird Potsdam eine Ebay-City?

Der Online-Marktplatz will mit der Stadt und ihren Händler:innen kooperieren. Es gibt aber Skepsis.

Potsdam - Potsdamer Händler:innen könnten ihre Produkte bald über eine eigens gestaltete Einstiegsseite bei dem bekannten Online-Marktplatzanbieter Ebay verkaufen: Der amerikanische Branchenriese will mit der Stadt Potsdam und dem Einzelhandel kooperieren. Das bestätigten die Deutschlandzentrale des Unternehmens und die Stadtverwaltung auf PNN-Anfrage. Allerdings gibt es bei den Händler:innen durchaus Bedenken und offene Fragen, ob sich so eine Zusammenarbeit wirklich lohnt. 

Die Verhandlungen haben dabei erst begonnen. Ein Sprecher der Stadtverwaltung sagte den PNN, die ebay GmbH sei mit einem Kooperationsvorschlag auf die Wirtschaftsförderung der Stadt zugekommen: „Gemeinsam mit den Händlervertretungen wird dieser Vorschlag zurzeit ergebnisoffen diskutiert.“ Ebay-Sprecherin Daphne Rauch erklärte, man spreche über Möglichkeiten, dass die Potsdamer Händler:innengemeinschaft über den Ebay-Marktplatz verkaufen könne. Konkretere Aussagen seien aber noch nicht möglich. 

Allerdings sagte Potsdams Wirtschaftsförderer Stefan Frerichs am Dienstagabend im Bauausschuss, es gehe um einen lokalen Marktplatz unter dem neuen Label www.ebay-city.de. Schon im April plane Ebay mit acht größeren Städten eine umfangreiche überregionale Marketingoffensive für das neue Format, ergänzte er: "Das ist hochspannend." Vor allem die Reichweite für die Händler und die Stadt sei mit dieser Variante sehr groß, hieß es.

Die Händler:innen sind skeptisch

Bei den Händler:innen, hart getroffenen durch die Coronakrise, sind die Verhandlungen bekannt. Allerdings gebe es durchaus Skepsis, ob Ebay der richtige Partner sei, sagte Eike Neubarth, Vorsitzender des Innenstadt-Händlernetzwerkes Ici Potsdam, den PNN. Wenn, dann gehe es um ein langfristiges Projekt, machte er deutlich – mit dem Ziel, dass sich der Potsdamer Einzelhandel gemeinsam vermarkten könne. Dazu gebe es viele verschiedene Vorstellungen, sagte Neubarth. Zu den Gründen für Zweifel zählen nach PNN-Informationen zum Beispiel die nötige andauernde Pflege der Internetinhalte, aber auch die Höhe der Verkaufsprovision, das Kundenbewertungssystem oder das Ebay-Image als Second-Hand-Anbieter.

Ebay fühlt sich verwurzelt

Auch bei Ebay sind die Bedenken bekannt. Dazu sei man „in intensiven Gesprächen, um diese aus dem Weg zu räumen beziehungsweise Aufklärungsarbeit zu leisten“, sagte Ebay-Vertreterin Rauch. Schon heute gebe es viele Potsdamer Händler:innen, „die erfolgreich über unseren Online-Marktplatz verkaufen“. „Und: Unser Deutschlandsitz ist seit 2002 in Dreilinden, vor den Toren Potsdams, und viele unserer Mitarbeiter:innen leben in Potsdam. Wir fühlen uns hier sehr verwurzelt“, so Rauch. 

Das Unternehmen sei aufgrund seines Geschäftsmodells „immer Partner und nie Wettbewerber des Handels“. Das zeigte sich beispielsweise mit einem Soforthilfeprogramms im Rahmen der Coronakrise – eine Hilfe, die nun unter dem Schlagwort „Ebay Durchstarter” verlängert wurde. Dabei können Händler:innen ein kostenfreies Premium-Shop- Abonnement nutzen, für drei Monate wird die sonst fällige Verkaufsprovision erlassen. Dazu gibt es eine persönliche Beratung des Unternehmens.

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Sprecherin Rauch sagte, etwa die Hälfte der zehntausenden gewerblichen Ebay-Verkäufer:innen in Deutschland seien auch stationäre Händler:innen. Wegen der Krise sei man auch mit anderen Städten und Gemeinden im Gespräch, „die die Möglichkeit für ihre Händler, zusätzlich zu ihrem stationären Geschäft über einen beliebten und etablierten Online-Marktplatz wie Ebay ihre Waren zu verkaufen, als erfolgsversprechend beurteilen“. 

Nun gelte es, in partnerschaftlichen Gesprächen mit der Stadt und den Händler:innen „nachhaltige Modelle zu finden, wie erfolgreiche, lokale Online-Marktplätze geschaffen werden können“. Wirtschaftsförderer Frerichs sagte im Ausschuss, man dürfe das Angebot von Ebay nicht einfach arrogant ablehnen.

Geschäfte verdienten 90.000 Euro mehr

Wie so eine Zusammenarbeit aussehen kann, hat Ebay bereits mit einem Projekt in Mönchengladbach (Nordrhein-Westfalen) zeigen wollen. Schon 2016 zog das Unternehmen dort eine Erfolgsbilanz: Der Einzelhandel hätte über den Online-Marktplatz hohe Umsatzzuwächse im In- und Ausland generieren können, pro Geschäft habe dies ein durchschnittliches zusätzliches Jahresumsatzplus von rund 90.000 Euro bedeutet, hieß es in der damals verfassten Pressemitteilung. Allerdings zeigte sich laut einem Bericht der Rheinischen Post auch: Die Beteiligung an den Online-Marktplätzen habe bei Händler:innen weder zu höheren Besucherzahlen noch zu mehr Einkäufen im Laden selbst geführt.  

Die Ebay-Debatte trifft den Handel in einer schwierigen Lage – im Zuge der Coronakrise haben in der Innenstadt schon einige Läden aufgeben müssen, die Aussichten für viele Geschäfte scheinen derzeit unklar. Im vergangenen Jahr war es immerhin gelungen, die drohende Schließung des wichtigen Warenhauses und Handelsankers Karstadt zu verhindern.

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