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Gemütlich, plüschig, lecker. Im „Heider“ gibt es Torten der Traditionsbäckerei Rabien. Hier treffen sich Touristen, Spaziergänger, Potsdamer Stammgäste. In der DDR kam hier auch die Szene der Andersdenkenden zusammen, Künstler, Intellektuelle und Punks. Und die Stasi hörte bis zuletzt mit.

© Andreas Klaer

Café Heider in Potsdam: Potsdams neues altes Wohnzimmer

Das Café Heider ist die Potsdamer Institution. Jetzt hat das Kaffeehaus am Nauener Tor einen neuen Betreiber, der kein Unbekannter in Potsdam ist. Was er vorhat.

Potsdam - Es hat sich schnell herumgesprochen, obwohl René Dost es gern ohne viel Aufhebens über die Bühne gebracht hätte. Der Potsdamer Gastronom hat das „Café Heider“ am Nauener Tor übernommen. „So ist es“, sagt er in seinem neuen Büro im Dachgeschoss des Holländerhauses. Er habe sich an die Heilige Kuh der Potsdamer Kaffeehausszene gewagt.

Das ist ja an sich nichts Schlimmes, in der Potsdamer Gastronomie ändern sich fast täglich die Zuständigkeiten. Aber Dost ist nicht unumstritten. Vermutlich weil man ihn schnell mit seinen XXL-Restaurants in Verbindung bringt. Mit Riesenschnitzeln und Masse statt Klasse. „Gastrokönig“ nannte ihn kürzlich eine Potsdamer Zeitung, weil er mit seiner Firma in Potsdam demnächst sogar fünf Restaurants betreiben wird. Das Wort fand er nicht gut. „Wenn die wüssten, wie viel ich arbeite. Das ist ein Sieben-Tage-die-Woche-Job“, sagt Dost.

Seit dem 1. August das "Heider" aufgefrischt

Dost ist ein Typ: drahtig, keine Haare, ein eher bissiges Lächeln. An den Handgelenken klimpern Klunker. An Selbstbewusstsein mangelt es nicht. Er hat es so gemacht wie Hans Riegel, der Haribo-Mann, hat aus seinen Initialen den Namen der Firma gebastelt. Hat in den vergangenen Wochen seit dem 1. August nicht nur das „Heider“ aufgefrischt, sondern auch den Dachboden von Gerümpel befreit und sich dort für einen Chef angemessen eingerichtet. Mit Konferenztisch, Sofalandschaft und Bar, daneben Schreibtisch und ein riesiger Textildrucker.

Dost ist 47, im Geschäft ist er, wenn man es genau nimmt, seit fast eben so vielen Jahren. Denn seine Eltern führen, als er geboren wird, die Gaststätte „Brückenkopf“ in Ketzin. „Ich hatte zwar ein Kindermädchen, aber ich stand schon mit zwei Jahren bei Mutter hinterm Tresen“, sagt er. Der Vater kocht. Dost macht einen sehr guten Zehnte-Klasse-Abschluss und lernt dann im Potsdamer Klosterkeller erst Restaurantfachmann, dann Koch. Die politische Wende kommt und er macht sich selbstständig – mit einem Imbisswagen. 50 000 D-Mark kostet das Ding, er verschuldet sich dafür. Ein Jahr läuft alles gut, dann soll der Mietvertrag für die Standfläche nicht mehr verlängert werden. Er kämpft und kann ein Jahr rausschlagen, dann muss er weg und landet erst mal wieder in Ketzin. Macht Lieferservice, Firmenlunch und Essen auf Rädern. Bald ist der Wagen zu klein, er baut das Wohnhaus um zu seiner ersten Gaststätte.

Raus aus Ketzin, rein nach Potsdam

So hätte er alt werden können, aber das war ihm zu langweilig. „Ich hatte eine richtige Plautze und einen Schnurrbart, das ging gar nicht“, sagt er heute. Damals musste er raus aus Ketzin, er legte los und gründete ein Restaurant nach dem anderen, in Wildau, Frankfurt /Oder, Berlin und Potsdam. In Babelsberg gehören das „Lindencafé“, ein ähnlich traditionsreiches Kaffeehaus wie das „Heider“, und das „Burgerbüro“ zur Redo-Gruppe. Seit August nun auch das „Café Heider“ und demnächst kommt das ehemalige „Daily Coffee“ dazu. Am gestrigen Freitag war der letzte Tag, dann ist für zwei Wochen geschlossen – es wird renoviert und umgebaut zur „Daily Coffee Burger Bar“. Es soll Frühstück und ab mittags Burger im eher niedrigeren Preissegment geben. „Heider“ und „Daily Coffee“ hat bis zuletzt Heike Zabel geführt, die sich, so sagt es Dost, aus familären Gründen aus beiden Geschäften zurückzieht.

Da hat Dost eben zugegriffen. Und er will noch mehr: Aus dem ehemaligen „Barokoko“, das einmal Florentine Joop gehörte, bevor sie wegen der exorbitant hohen Miete hinschmiss, will er das „Heider Bräu“ machen, Eröffnung im März 2017. Mit einer eigens für ihn hergestellten Biersorte und weiteren Craft-Bieren. Zu essen gibt es Potsdamer Landküche. Das Brauhaus soll als Kommunikationsgastronomie funktionieren. „Sehr modern, offene, lockere Architektur, Bier zum selber Zapfen“, sagt Dost. „Das macht den Leuten Spaß.“

Dass ihm dann die halbe Gastroszene am Nauener Tor gehört, findet Dost gut. Er habe gute Verträge aushandeln können und will Synergieeffekte nutzen, der Redo-Gast soll wählen können. Wer mit der Betriebsfeier nicht ins „Café Heider“ passt, der geht eben ins „Heider Bräu“.

"Das Wohnzimmer der Stadt"

Das Traditionscafé, gegründet 1878 als Konditorei Kessler, will er weitgehend unangetastet lassen. Und hat erst mal neue Markisen angebaut: „Das Wohnzimmer der Stadt“ steht jetzt drauf. „Die Leute denken, der macht uns das Heider kaputt – ist doch Quatsch“, sagt Dost. Ein bisschen renoviert hat er trotzdem – bei laufendem Betrieb, also nachts. Hat gemalert und das dunkle Holz an den Wänden sowie die Holzmöbel aufgearbeitet. Hat den kleinen Salon, der ganz früher Mokkabar war, mit neuen rot-plüschigen Möbeln und Lampen ausgestattet. Auch im Obergeschoss ist viel passiert, eine Polsterbank über eine komplette Wand, Kronleuchter und eine indirekt beleuchtete Wand sollen Gemütlichkeit in der Beletage, wie sie jetzt heißt, entstehen lassen. Auch der niedliche, private Balkon soll wieder genutzt werden, sobald es warm ist. Neu ist das Geschirr – Hedwig Bollhagen, weiß-rosa Pastell. Wenn hier ein Teller runterfällt, tut das weh.

Was bleibt? Das Personal und die Karte, selbstverständlich, sagt Dost. Und die Traditionen. Gerade hat er mit den Potsdamer Turmbläsern wegen der Adventskonzerte telefoniert. Felix Dubiel soll wieder Klavier spielen, Dost streichelt zärtlich über das weiße E-Piano, das er extra dafür angeschafft hat.

„Brunch ist out, ich will schönes Frühstück machen“

Nachgelegt hat er bei den Torten. Die Auswahl war ihm zu klein. „Ich will, dass in dieser großen Vitrine zu jeder Zeit mindestens 20 stehen“, sagt der Chef nachdrücklich. Die Torten kommen immer noch aus der Konditorei Rabien, früher Postdamer Hofbäckerei, dazu gibt es – das ist neu – Käsekuchen der Bäckerei Neuendorff. Unverändert bleibt der Schnitzeltag. Auch im „Lindencafé“ gibt es Schnitzel, sagt er, aber nur im „Heider“ sind sie aus Kalbfleisch und mit einer speziellen Panade, Österreich-Import, gebacken. Schwimmend in Butterschmalz. Wellig müssen die echten Wiener sein. Rausgeschmissen hat er den offenen Sonntagsbrunch, gibt’s ab sofort nur auf Bestellung. Es sei an der Zeit gewesen. „Brunch ist out, ich will schönes Frühstück machen“, sagt der neue Chef.

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