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Maximilian Engelhardt, Anni Hauer, Nikita Tchernodarov (v. l.) haben viele Ideen, finden aber keine Veranstaltungsräume.

© Sebastian Rost

Bunker unterm Minsk: Potsdamer Techno-Produzenten träumen von Musikklub

Laut, jung, kreativ – aber heimatlos: Kollektive, die Techno, Elektro und Indie produzieren, wünschen sich in der Studentenstadt Potsdam mehr Anerkennung und Unterstützung.

Die Idee klingt vielleicht verrückt, aber nicht ganz abwegig: ein Musikklub unterm Minsk – für Elektro und Techno. „Ich habe Pläne von dem Bunker gesehen, es wäre möglich, dort so was zu bauen“, sagt Kevin Manhardt, 25 Jahre alt, Immobilienkaufmann und Technofan. Manhardt gehört zum Vorstand des Potsdamer Vereins BassKontakt, der sich vor etwa zwei Jahren gründete, um entsprechende Musikveranstaltungen zu planen. Sie sind 30 Mitglieder, dazu kommen etliche Künstler, mit denen sie zusammen arbeiten. Das Problem: Es gibt keine Räume in Potsdam, die zu ihrem Musikprofil passen. „Techno muss laut sein, unsere Anlagen sind entsprechend hochwertig und leistungsstark. Und es gibt bautechnische Raumlösungen, damit man niemanden stört.“ Aber wenn sie als Szene irgendwo anfragen, um einen Raum anzumieten, kassieren sie regelmäßig Absagen. Und auch der Projektentwickler vom Minsk habe ihnen keine Hoffnung gemacht. „Wir haben als Antwort bekommen, dass der Bunker als Museum genutzt werden soll.“

Wohin also, wenn es keine Räume gibt? Raus ins Freie, sobald das Wetter es erlaubt, und abseits im Wald Dance-Partys mit 200 oder 300 Leuten feiern. Aufwändige Technik für Ton und Licht und andere Aufbauten, manchmal auch passende Kunstobjekte, muss jedes Mal transportiert, auf- und abgebaut und zuletzt selbstverständlich auch der Müll weg gefahren werden, alles in kleinen privaten Autos – ein immenser Aufwand.

Will Neues schaffen. Kevin Manhardt vom Kollektiv BassKontakt.
Will Neues schaffen. Kevin Manhardt vom Kollektiv BassKontakt.

© Andreas Klaer

Dabei handele es sich längst hier nicht mehr um das private Hobby einer kleinen Gruppe. „Techno- und Elektro-Fans kommen aus allen Alters- und Berufsgruppen“, sagt Manhardt. Unter ihren Künstlern sind Marven Fenz, Rerïck und das Duo Tripintox, die in der Szene gut bekannt sind, so Manhardt. Er wünscht sich für dieses Musikgenre, das es ja ist, mehr Unterstützung in einer Stadt mit vier Unis und Hochschulen. Es würde ihn schon freuen, bei Mietanfragen einfach ernst genommen zu werden. Aber auf ihrer Suche nach Räumen werden sie in der Regel abgewimmelt oder bekommen gar keine Antwort. Auch die Hallen im ehemaligen RAW-Gelände waren angeblich zu baufällig, eine Zwischennutzung nicht möglich. „Aber ohne Räume keine Veranstaltungen und keine Einnahmen. Vor allem gehen die jungen Leute dann eben nach Berlin, wo es Klubs gibt, das Gretchen zum Beispiel.“

Mit diesem Problem steht BassKontakt nicht alleine. Und es betrifft nicht nur die, von manchen gern anfällig betrachtete, Technoszene. Maximilian Engelhardt und Paul Jaeger hatten im vergangenen Jahr gerade Abi gemacht und gründeten eine Plattform, wo sich junge, mit Auftrittten und PR noch unerfahrene Künstler ausprobieren können: das Projekt „AirFlair – Freie Musik für Potsdam.“ Dabei stellten sie fest: „Es fehlen in Potsdam kleine bis mittlere Räume für nicht-kommerzielle Auftritte von Künstlern“, sagt Engelhardt, weshalb er mit seinem ersten Konzert im vergangenen Juni auf den Bassinplatz ausgewichen ist: 200 Leute kamen. Wenn er neue oder unbekannte Bands in Kneipen und Cafés platzieren will, wird es schon schwierig, weil sich die Inhaber ihre Musiker selber aussuchen wollen. Und die klassischen Jugendklubs sind für Konzerte oft zu klein und verlangen gleich Raummieten von mehreren 100 Euro.

Eine neue Generation ist nachgewachsen

Orte wie Waschhaus, Spartacus im Freiland und Lindenpark haben sie als auch BassKontakt natürlich abgeklappert: meist ohne Erfolg. Hier sind, je nach Ausrichtung des Hauses, andere und oft kommerzielle Formate gefragt. Nicht selten seien es auch bauliche Einschränkungen, die den Betreibern die Hände binden. „Der Lindenpark würde gerne mit uns zusammenarbeiten, aber das geht nicht mitten im Wohngebiet.“ Engelhardts Theorie lautet: Solche Orte wurden vor 15 oder 20 Jahren gegründet und konzipiert, nach den Vorstellungen der damals jungen Wilden. Was auch völlig normal und in Ordnung ist, sagen sie. Mittlerweile sei jedoch eine neue Generation nachgewachsen, die eigene Vorstellungen von einem Kulturleben und Nachtleben hat. „Wir wollen uns nicht anpassen sondern authentisch bleiben“, so Engelhardt. „Für unserer Generation und unsere Zielgruppe gibt es in der Studentenstadt Potsdam allerdings keine Angebote.“

In Potsdam komme da noch der Mangel an Proberäumen dazu. Deshalb hat Nikita Tchernodarov, 23 und Kaufmann für Medien, sein Tonstudio im WG-Zimmer eingerichtet, klassisch unterm Hochbett. Eine Holzkabine für optimalen Schallschutz, drinnen Hightech für viel Geld. Im PB8Studio nimmt er eigene Musik auf, arbeitet aber auch mit Potsdamer Künstlern zusammen. Die Musik, Rock, Indie, Elektro, wird dann übers Internet verbreitet und vertrieben, auf Youtube, Spotify und über diverse Streamingdienste. Es sind neue Wege, weg vom klassischen CD-Format ihrer Elterngeneration. Aber auch die müssen irgendwo beginnen, nur wo, wenn es keine Bandräume oder Studios gibt? Tchernodarov und Anni Hauer, 22 und Industriekauffrau-Azubi, produzieren außerdem Musik- und Imagevideos für Potsdamer Unternehmen und machen Veranstaltungen. Dabei hat auch Hauer eher schlechte Erfahrungen mit Vermietern, selbst mit Kulturhäusern, gemacht: Sie fühlen sich nicht ernst genommen oder es sind angeblich keine freien Termine zu haben. „Aber wir wollen auch mal zeigen, was wir können.“ Und Tchernodarov sagt: „Wir wollen zudem irgendwann mal Geld mit unserer Arbeit verdienen.“

Zuhören erbeten

Wie sie gibt es viele von unten gewachsene Projekte und Initiativen in Potsdam. „Kollektive, die sich spezialisieren und vom offiziellen Kulturbegriff entfernen“, sagt Studiobetreiber Nikita Tchernodarov. Sie stecken viel Zeit, Kraft und auch Geld in ihre Projekte, investieren in Technik und andere Ausrüstung. Die meisten haben Jobs, studieren oder machen eine Ausbildung. Die Kollektive sind untereinander gut vernetzt. Dass sie viel Zeit und Geld reinstecken, ist ihr frei gewähltes Schicksal. Aber: Es wäre schön, wenn man ihnen seitens der Stadt und Politik wenigstens mal zuhört.

„Wir wollen ja eigentlich unpolitisch bleiben und nur Musik machen“, sagt Anni Hauer. „Aber unser Eindruck ist, dass die Linke offener ist für unsere Anliegen.“ Und Maximilian Engelhardt schaffte es, auf einer Veranstaltung den damaligen Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) anzusprechen und zu begeistern. Kurz darauf bekam er einen Anruf vom Fachbereich Kultur und nach einem Antrag auf Projektförderung, sieben komplizierte Seiten, so Engelhardt, gab es eine kleine Projektförderung für das Open Air auf dem Bassinplatz. Für Technik und Wareneinsatz. Seine 150 Arbeitsstunden, die er in die Organisation gesteckt hatte, waren sein Freizeitvergnügen. Große Hilfe sei der Stadtjugenddring gewesen. „Die haben uns gut beraten“. 2020 soll wieder ein AirFlair stattfinden. Am 18. April wird zudem ein – freilich kleines – Konzert im Café Elflein gespielt.

Künstler fordern ein Umdenken

Neben praktischer Unterstützung fordern sie ein Umdenken in der großen Kulturpolitik. Kürzlich habe es sogar im Bundestag eine Debatte zur Klubkultur gegeben, sagt Kevin Manhardt. So eine Diskussion wünscht er sich auch für Potsdam. „Klassik und Theater wird subventioniert – uns wimmelt man ab. Aber wir sind keine Disko, bei uns legt nicht nur ein DJ irgendwas auf. Wir arbeiten mit Musikern, Künstlern und Komponisten zusammen, die Neues schaffen.“ Etwa 1000 Anhänger dieser Kulturszene gibt es in Potsdam und somit sei das auch ein Thema für die Stadtplanung. In Potsdams nördlichen Ortsteilen fänden sich aber gar keine Angebote für Jugendliche, egal welcher kultureller Ausrichtung.

Jetzt wollen sie doch noch einmal Kontakt zur Hasso-Plattner-Stiftung suchen. Die Idee lässt sie nicht los, vielleicht kann man das kombinieren, oben tagsüber Museumsbetrieb, nachts unten im Betonbunker Klubleben. „Es wäre perfekt“.

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