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Eine Kfz-Zulassung ist momentan nur mit Termin möglich, aber der ist schwer zu bekommen.

© Andreas Klaer

Bürokratie in Potsdam: Wochenlanges Warten auf eine Fahrzeug-Zulassung

Die Kfz-Zulassungsstelle in Potsdam ist hoffnungslos überlastet. Autobesitzer sind wütend und Autohändler klagen über finanzielle Einbußen.

Potsdam - Imme Friedrich hat ein neues Auto gekauft, aber sie kann es nicht nutzen. Die Kfz-Zulassungsstelle hat ihren Antrag noch nicht bearbeitet. Nicht einmal einen Termin habe sie bekommen, sagt die Potsdamerin. “Mehrere Tage lang habe ich versucht, jemanden unter der angegebenen Telefonnummer zu erreichen. Allein an einem einzigen Vormittag habe ich 197 Mal angerufen! Aber immer war entweder die Leitung besetzt oder es ging einfach keiner ans Telefon.” 

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Dann sei sie selbst zur Behörde in die Helene-Lange-Straße gegangen. Doch dort habe man sie nicht hineingelassen. Ein Sicherheitsmann habe sie an die Behördenhotline 115 verwiesen. “Da ist dann tatsächlich jemand ran gegangen,” erinnert sich Friedrich. Ihre Freude darüber währte aber nicht lange, denn einen Termin konnte ihr die Bearbeiterin auch nicht geben. Man habe ihr nicht einmal sagen können, wie und wann sie einen Termin erhalten könnte, empört sich Friedrich.  

"Unfreundlich, unfähig, unverschämt"

Bei Google kann man nicht nur Restaurants und Geschäfte bewerten, sondern auch Behörden. Die Potsdamer Zulassungsstelle kommt in vielen Rezensionen schlecht weg: “Telefonisch so gut wie nie erreichbar”, klagt ein Nutzer und ein anderer schreibt: “Unfreundlich, unfähig, unverschämt.” Zwischendurch gibt es allerdings auch immer wieder begeistertes Lob. Offenbar polarisiert die Behörde. Viele User bewerten mit dem Minimum von einem Stern, andere mit dem Maximum von fünf. Dazwischen gibt es so gut wie nichts. 

Manche haben nach eigenen Angaben sofort einen Termin bekommen und sind mit der Bearbeitung vor Ort zufrieden. Andere beklagen verzweifelt oder wütend, sie hätten wochenlang warten müssten und seien dann auch noch unfreundlich behandelt worden. Die Terminvergabe über die Internetseite des Rathauses funktioniert seit dem Hackerangriff vor einigen Monaten nicht mehr. Angezeigt wird nur eine Fehlerseite: “503 Service Unavailable".

Termine können seither ausschließlich telefonisch vereinbart werden. Dazu muss man aber erst jemanden erreichen. Das ist nicht so einfach, denn es fehlen Mitarbeiter.  

Bis die Zulassung fertig bearbeitet ist, muss das Auto stehen bleiben. Das ist ärgerlich für Käufer und Händler. (Archivbild)
Bis die Zulassung fertig bearbeitet ist, muss das Auto stehen bleiben. Das ist ärgerlich für Käufer und Händler. (Archivbild)

© dpa

Nur ein einziger Bearbeiter muss laut Rathaus alle Anrufe bei der Kfz-Zulassungsstelle entgegen nehmen. Bei der allgemeinen Behördennummer 115 seien es zehn, teilte eine Sprecherin mit. Das klingt zwar viel. Doch diese Hotline ist für alle Bürgeranfragen zuständig. Und zumindest Imme Friedrich konnte sie keinen Termin für die Kfz-Zulassung geben. Das Rathaus begründet die Engpässe mit der Coronakrise. “Aufgrund der Einhaltung der geltenden Abstands- und Hygieneregeln können nicht alle Mitarbeiter zur gleichen Zeit arbeiten", teilt die Sprecherin mit.

Auch vor der Krise gab es Probleme

Scrollt man allerdings weiter nach unten in den Google-Bewertungen der Zulassungsstelle wird deutlich: Auch vor der Krise beschwerten sich schon viele Bürger über lange Wartezeiten. “Könnte man null Sterne vergeben, würde ich das zweifellos tun", schrieb zum Beispiel jemand vor zehn Monaten. Das Rathaus verspricht Besserung: In der KFZ-Zulassungsstelle und im Bürgerservice würden je zwei Arbeitsplätze zusätzlich eingerichtet. Wann das genau passieren soll, teilt sie nicht mit. Die Online-Terminverwaltung soll ab der 26. Kalenderwoche wieder zur Verfügung stehen, also in etwa zwei Wochen. 

Bei der Zulassungsstelle in Werder (Havel) sieht es unterdessen nicht viel besser aus. Die Lage sei “mehr als prekär”, teilt die Kreisverwaltung Potsdam-Mittelmark mit, weil vier Mitarbeiter in der Kfz-Zulassung fehlen würden. Die zuständige Fachbereichsleitung habe bereits Anträge auf Stellenbesetzung und Krankheitsvertretung auf den Weg gebracht. Doch auch diese Verfahren seien noch in Bearbeitung. Um in der Zwischenzeit Abhilfe zu schaffen, wird laut Verwaltung ab Montag (15. Juni 2020) die Bootszulassung ausgesetzt. Die dortigen zwei Mitarbeiter werden dann vorübergehend die Kfz-Zulassungsstelle verstärken. Boote können daher bis auf Weiteres nur beim ADAC oder beim Wasser- und Schifffahrtsamt in Brandenburg an der Havel zugelassen werden. 

Die Situation könnte sich noch verschärfen

Für Autokäufer ist es ärgerlich, lange auf die ersehnten Papiere warten zu müssen. Für Autohäuser kann die Wartezeit aber sogar finanzielle Einbußen und Risiken bedeuten. Eine Bearbeitungsdauer von drei bis vier Wochen sei normal in Potsdam, sagt ein Autohändler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die Zulassungsstelle würde täglich nur 60 Vorgänge bearbeiten, was viel zu wenig sei. Denn das umfasse nicht nur Neuzulassungen, sondern auch Ummeldungen, Stilllegungen und vieles mehr. “Nur mit Beziehungen”, komme man überhaupt zeitnah an einen Termin. 

Für die Autohändler bedeute die Verzögerung hohe Kosten, denn die meisten Kunden würden eine Finanzierung in Anspruch nehmen. Der Händler müsse den Kaufpreis gegenüber dem Hersteller vorstrecken. Die Bank zahle aber erst, wenn die Anmeldung abgeschlossen sei. Derweil fielen hohe Zinsen an. Auch Prämien des Herstellers gebe es vorher nicht. Das könne das Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten bringen. Dieses Problem würde sich weiter verschärfen, prognostiziert der Unternehmer. Die Autohersteller hatten in der Krise ihre Produktion gestoppt, jetzt können sie bald wieder liefern. Deshalb werde es in den kommenden Wochen deutlich mehr Autos und mehr Autokäufe geben, also auch mehr Zulassungsanträge, sagt der Händler.

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Imme Friedrich hat sich unterdessen an einen privaten Zulassungsdienst gewandt. Doch eine Zulassung hat sie immer noch nicht bekommen, denn auch auf diesem Weg muss der Antrag durch die Behörde bearbeitet werden. “Eigentlich wollten wir mit dem neuen Wagen in den Urlaub fahren”, sagt sie. Nun müsse sie einen teuren Mietwagen nehmen. Das starrsinnige und desinteressierte Verhalten der Beamten erinnere sie an die DDR-Zeiten: “In dieser Verwaltung hat sich seit damals nicht viel geändert”. 

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