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Eine Potsdamer Umfrage hat die Last der Corona-Pandemie abgefragt. 

© Sebastian Gabsch PNN

Bürgerumfrage in Pandemiezeiten: Junge Potsdamer leiden unter Corona

Die Stadtverwaltung hat eine Bürgerbefragung unter mehr als 2400 Potsdamer zu Belastungen in der Pandemie ausgewertet. Einige Befunde sind bedrückend.

Allgemeiner Corona-Frust, größere Einkommensverluste und starke persönliche Belastungen durch Homeschooling und Heimarbeit – gerade in Familien und für jüngere Menschen: All solche Pandemie-Erfahrungen der vergangenen beiden Jahre hat die Stadt Potsdam versucht mit einer Bürgerbefragung in Zahlen zu fassen. Die Ergebnisse dazu hat das Rathaus am Dienstag auf seiner Internetseite veröffentlicht. Die PNN geben einen Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse.

Hat die Lebensqualität gelitten?

Offensichtlich. So gaben insbesondere in der zweiten Corona-Welle ab November 2020 rund 53 Prozent der Befragten an, dass ihre Lebensqualität stark oder sehr stark eingeschränkt sei – nur rund 15 Prozent empfanden dies nicht oder wenig. Erhöhte Negativ-Werte habe es bei Schülern, Auszubildenden und Studierenden gegeben, ebenso bei Menschen mit Migrationshintergrund und in Miet-Haushalten mit vielen Personen. Damals galten bekanntlich verschärfte Kontaktsperren, ebenso waren Restaurants und viele Freizeiteinrichtungen geschlossen. Rund 30 Prozent sahen so auch ihren psychischen und emotionalen Gesundheitszustand stark oder sehr stark belastet, ebenso ihre familiäre Lage. Jedoch habe sich daraus nur bei fünf Prozent der Wunsch entwickelt, aus Potsdam wegziehen zu wollen.

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Ferner vergleicht die Stadt die Werte der Umfrage auch mit einer Erhebung aus 2018. Damals gaben noch 72,5 Prozent eine gute oder sehr gute seelische Gesundheit an – 2021 waren das 59,6 Prozent. Auch die soziale Eingebundenheit wurde nun wesentlich schlechter bewertet als 2018. Knapp 15 Prozent kreuzten hier in der Pandemie die negativen Aussagen an, fast zehn Prozentpunkte mehr als vorher. Vor allem jüngere Altersgruppen hätten schlechte Bewertungen abgegeben, so ein Stadtsprecher. So schätzte nur noch knapp die Hälfte der befragten Personen im Alter von unter 25 Jahren das Wohlbefinden insgesamt als mindestens „gut“ ein – 2018 fanden das noch mehr als 75 Prozent. Ein schlechtes Wohlbefinden attestieren sich 15 Prozent der befragten 16- bis 25-Jährigen. Es ist auch die jüngste Altersgruppe, die am ehesten befürchtet, einsam oder sozial isoliert zu sein – nämlich zu 41,5 Prozent. Ebenso hätten sich 43 Prozent große Sorgen um die Gesundheit von Angehörigen und Freunden gemacht, gerade auch unter 30-Jährige. Um die eigene Gesundheit waren 27 Prozent der Befragten besorgt.

Gab es mehr Stress im Beruf?

Vielfach schon. Rund 19 Prozent gaben an, man habe mehr Arbeit als vor der Pandemie leisten müssen, gerade bei Personen mit höheren Einkommen. Allerdings konnten auch mehr Menschen zu Hause arbeiten: Während der Homeoffice-Anteil bei Haushalten mit einem monatlichen Einkommen von über 4000 Euro rund 58 Prozent beträgt, liegt er bei Geringverdienern bei nur 24 Prozent. Generell hat sich im Zuge von Corona der regelmäßige Homeoffice-Anteil – vor der Pandemie rund zehn Prozent – laut den Ergebnissen auf etwa 40 Prozent erhöht. Wie sich das konkret auf die Zufriedenheit auswirkte, wurde nicht abgefragt.

Wie war die Lage in den Familien?

Herausfordernd. Etwa 80 Prozent der Befragten mit schul- oder betreuungspflichtigen Kindern antworteten, dass sie die Situation gerade mit geschlossenen Kitas und Schulen als Belastung empfunden haben – wobei mehr als ein Drittel dies als „sehr starke“ Belastung erlebte. Keine oder geringe Belastung kreuzten nur rund 16,5 Prozent der befragten Familien an. Aufgefangen wurden die Betreuungslücken laut Befragung vorwiegend von den Frauen. Demnach übernahmen sie die tägliche Betreuung der Kinder – parallel zur Tätigkeit im Homeoffice – doppelt so häufig wie Männer.

53 Prozent aller Befragten sahen in der zweiten Corona-Welle im Herbst 2020 ihre Lebensqualität eingeschränkt.
53 Prozent aller Befragten sahen in der zweiten Corona-Welle im Herbst 2020 ihre Lebensqualität eingeschränkt.

© Ottmar Winter

Gerade für das Homeschooling wird vielfach Verbesserungsbedarf artikuliert. So empfanden 53 Prozent die Hilfe durch die Lehrer als zu gering, die Bereitstellung der Lehrmaterialen, auch digital, beklagten rund 45 Prozent. Mehr als 31 Prozent ärgerten sich auch über zu viele Aufgaben in dieser Zeit, vor allem unter den befragten Schülern. Einen Zugang zu Computern und ins Internet hatten laut der Umfrage zumindest rund 95 Prozent der Befragten. Festgestellt wird auch: Sowohl bei Alleinerziehenden als auch bei Personen mit Migrationshintergrund seien die abgefragten Möglichkeiten für das Homeschooling geringer ausgeprägt. 4,6 Prozent der Befragten gaben auch an, nie jemanden für die Betreuung der Kinder gefunden zu haben.

Wie viele Potsdamer hatten Existenzangst?

Mehr als ein Viertel der Teilnehmer musste laut der Umfrage mit weniger Geld als vor der Pandemie auskommen. Knapp zehn Prozent stellten deutliche Einkommensverluste fest, 17 Prozent geringere Verluste. Dabei gab es durchaus Unterschiede in verschiedenen Personengruppen: So gaben 39 Prozent der Teilnehmer mit Migrationshintergrund an, mit Geldverlusten leben zu müssen. Unter den Selbstständigen und Freiberuflern waren es sogar fast 66 Prozent. Auch sei der Problemanteil mit zunehmender Haushaltsgröße gewachsen, hieß es. Jeder zehnte Teilnehmende habe dazu noch von Schwierigkeiten berichtet, die Miete fristgerecht zu bezahlen – gerade unter befragten Studenten sei das ein Anteil von 25 Prozent gewesen. Vor allem die finanziell Schwächeren waren laut der Erhebung betroffen. „Je höher das monatliche Haushaltsnettoeinkommen ist, desto geringer ist der Anteil derjenigen, die Einkommensverluste erleiden mussten“, stellt das Rathaus in seiner Mitteilung zur Umfrage fest. Und: Senioren seien von solchen Problemen am wenigsten betroffen gewesen.

Sind Corona-Infoangebote vielen bekannt?

Nein. Die von der Stadtverwaltung bereitgestellten Info-Angebote zum Thema Corona erreichen längst nicht jeden. Die Corona-Hotline im Rathaus hatten zum Zeitpunkt der Befragung nur rund 18 Prozent genutzt – hier allerdings viele Senioren oder behinderte Menschen. Dabei zeigten sich mehr als 55 Prozent tendenziell eher oder sehr unzufrieden mit der Service-Rufnummer. Zu den Gründen dafür fand keine Abfrage statt. Die städtische Corona-Internetseite mit neuen Zahlen und Entwicklungen nutzten immerhin 34 Prozent, ein Viertel kannte das Angebot allerdings auch gar nicht.

Ist die Impfbereitschaft in Potsdam hoch?

Zumindest die Teilnehmer der Umfrage gaben eine hohe Impfwilligkeit an. So meinten 84,2 Prozent, sie seien entweder bereits geimpft oder wollten das noch tun. 4,5 Prozent schlossen das aus, der Rest gab sich unentschieden. Das sei besonders unter Menschen mit Migrationshintergrund verbreitet, ebenso bei Alleinerziehenden und Erwerbslosen.

Wie ist die Datenbasis für die Umfrage?

Recht groß. Insgesamt wurden zwischen April und Juni des vergangenen Jahres mehr als 5000 Fragebögen zufällig in der Stadt versendet – insgesamt 2471 Potsdamer antworteten, was einem Rücklauf von 44,7 Prozent entsprach. Das sei mehr als bei bisher allen anderen Umfragen dieser Art gewesen, so das Rathaus.

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