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Bürgerinitiative in Potsdam: Kampf dem Plastik

Die Bürgerinitiative Potsdamer Plastik-Piraten geht regelmäßig auf Müllsammel-Tour im Stadtgebiet. Sie kämpft unter anderem gegen Plastik in den Gewässern und gibt Tipps zum nachhaltigeren Konsum.

Potsdam - Viele kennen das: Man geht im Wald oder Park spazieren und am Wegesrand fallen einem immer wieder Plastik-Verpackungen, leere Flaschen, Papier oder sonstiger Abfall ins Auge. Oft würde man sich am liebsten bücken und den Müll aufsammeln, aber in den meisten Fällen zuckt man mit den Schultern und geht resigniert weiter.

Nicht so die Potsdamer Plastik-Piraten: Die Bürgerinitiative besteht schon seit 2016 unter dem Dach des Naturschutzverbandes BUND und veranstaltet viermal im Jahr öffentliche Müllsammelaktionen, organisiert plastikfreie Veranstaltungen oder zeigt bei Infoabenden Alternativen zu Plastikverpackungen auf.

Das Ausmaß der Vermüllung vor der eigenen Haustür erstaunt die Plastik-Piraten dabei stets aufs Neue: „Wir stoßen immer wieder auf größere Ansammlungen von Hausrat“, sagt Anja Zubrod, die Jugendbildungsreferentin des BUND Brandenburg. „Viele Bürger nutzen Wälder offensichtlich als erweiterte Mülleimer.“ So erlebten es die Plastik-Piraten gleich bei ihrer allerersten Sammeltour, als sie sich ein kleines Waldstück nördlich des Volksparks vornahmen: „Da sind wir auf eine wilde Mülldeponie mitten im Wald gestoßen“, berichtet Plastik-Pirat Ulrich von Wedel. „Die war schon überwachsen und je mehr wir eingesammelt haben, desto mehr kam zum Vorschein.“

„Ein Rentner hat mir sogar mal die Hand geschüttelt“

Von Wedel war es auch, der die Idee für die Gründung der Bürgerinitiative hatte – und zwar bei einem Spaziergang im Wald: „Meine zwei Kinder sagten immer wieder: Hier liegt Müll, da liegt Müll und da auch“, sagt von Wedel. Doch er wollte sich nicht nur beschweren – er wollte etwas tun und den Müll öffentlichkeitswirksam einsammeln. „Ich habe den BUND angesprochen und dort war man sofort begeistert“, sagt von Wedel.

Die Plastik-Piraten sind keine feste Gruppe, sondern rufen zu ihren vierteljährlichen Aktionen jeweils öffentlich auf, etwa über ihre Seite im sozialen Netzwerk Facebook. 20 bis 25 Teilnehmer von jung bis alt nehmen an den Sammelaktionen teil und erfahren dabei viel positives Feedback: „Viele Passanten finden das toll, ein Rentner hat mir sogar mal die Hand geschüttelt“, sagt von Wedel. Auch die Stadt Potsdam unterstützt die Plastik-Piraten und stellt ihnen kostenlos Hand-Greifer, Müllsäcke und Handschuhe zur Verfügung.

Doch es geht um mehr als nur darum, die eigene Stadt sauber und ordentlich zu halten: „Mikroplastik und das ganze Plastik in den Weltmeeren wird gerade viel thematisiert – aber wo kommt es her? Unter anderem aus unseren Flüssen“, sagt Zubrod: „Und in Potsdam haben wir sehr viele Flüsse.“

Wie viel Plastik landet in unseren Gewässern?

Um die Vermüllung der Meere schon im Ursprung zu bekämpfen, machen die Plastik-Piraten ihre Sammelaktionen daher meist in Nähe von Potsdamer See- und Flussufern, zum Beispiel an der Havelbucht: Hier führte die Initiative mit Unterstützung des Stand-up-Paddling-Anbieters Sup Trip und der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) 2017 eine große Aktion durch, bei der nicht nur das Ufer der Havel sondern auch der Fluss selbst entmüllt wurde: „Matratzen, Wahlplakate, Fahrräder – es ist wirklich unglaublich, was die Leute alles dort entsorgt haben“, sagt von Wedel. „Die Taucher vom DLRG haben nahe Hermannswerder sogar einen kleinen Müllstrudel gesehen.“

Um herauszufinden, wie sehr die Potsdamer Gewässer mit Mikroplastik belastet sind, haben von Wedel, Zubrod und ihre Mitstreiter 2017 auch an einem Forschungsprojekt des Bundeswissenschaftsministeriums teilgenommen, das zufälligerweise auch „Plastik-Piraten“ heißt: Dafür entnahmen sie Wasserproben aus Nuthe und Havel. Die Ergebnisse sind noch nicht bekannt.

Am besten ist natürlich, wenn erst gar kein Plastik ins Wasser gelangt: Wie man auf unnötige Verpackungen verzichten kann, verraten die Plastik-Piraten bei ihren Infoveranstaltungen. „Man sollte im Supermarkt schauen, dass man zum Beispiel keine Bananen oder Gurken kauft, die noch in Plastik eingewickelt sind“, sagt Zubrod. „Auch bei Kosmetikartikeln gibt es viele Alternativen ohne Verpackung, zum Beispiel feste Seife statt Duschgel.“ Eine Möglichkeit seien auch Geschäfte, die ihre Produkte mit weniger Verpackungen verkaufen, so wie das „MaßVoll“, Potsdams erster Laden ohne Verpackungen, der im Mai am Luisenplatz eröffnen soll.

Unterstützung von „Refill“ und „Putzdam"

Eine andere Initiative, die die Plastik-Piraten unterstützen, ist „Refill“. Sie stammt aus England stammt und ist mittlerweile auch in Deutschland populär: Geschäfte, die Passanten kostenlos Trinkwasser anbieten wollen, können einfach einen „Refill“-Aufkleber an ihr Schaufenster kleben und jeder, der will, kann sich dort kostenlos seine Wasserflasche auffüllen lassen. So werden unnötige Plastikflaschenkäufe reduziert. „Wir haben Kontakt zu denen aufgenommen, die wollen das auch hier in Potsdam starten“, sagt Zubrod.

Etwas, das die Stadt Potsdam selbst tun könnte, wären mehr Mülleimer: „Gerade an der Havelbucht gibt es viel zu wenige“, kritisiert von Wedel. Dort liege immer wieder viel Müll herum, weshalb am vergangenen Wochenende unter anderem dort von vielen Studierenden Abfall eingesammelt wurde. „Putzdam“ hieß die Aktion, die nun jährlich stattfinden soll und vom Verein für Hochschulsport, der BUND-Jugend, dem Studentenwerk und der Stadtentsorgung Potsdam (Step) durchgeführt wurde (PNN berichteten). Die Plastik-Piraten freuen sich über die Mitstreiter und werden der Havelbucht im Sommer ebenfalls einen Besuch abstatten: Am 2. Juni wird erneut zu Land und zu Wasser der Müll beseitigt.

Denn leider reicht eine einmalige Aktion nicht: Immer wieder wird neuer Müll achtlos zurückgelassen. Das Aufräumen ist eine Sisyphos-Arbeit, aber von Wedel stört das nicht: „Man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen“, zitiert er Albert Camus. „Es ist immer ein tolles Gefühl, Müll eingesammelt zu haben.“

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