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Buchvorstellung: Glücksorte in Potsdam

Am schönsten ist Potsdam auf versteckten Sitzbänken und da, wo die Reiher stelzen Ein neues Buch der Gästeführerin Sybille Wesenberg zeigt die „Glücksorte“ der Stadt.

Potsdam - Mit der Stille kommt der Reiher. Obwohl es an den Wasserspielen der Freundschaftsinsel gar nicht so still ist. Immer rauscht es leise. Oder summt. Oder die Vögel machen Lärm. Der Reiher stelzt mal hier, mal da, wie ein Hausherr auf Kontrollgang. Sybille Wesenberg findet dort von Zeit zu Zeit das Glück. Die Freundschaftsinsel nur wenige Schritte entfernt vom architektonisch verunglückten Potsdamer Hauptbahnhof hat es als kleines Paradies in das Buch „Glücksorte in Potsdam“ geschafft. Das Taschenbuch aus dem Droste Verlag, geschrieben von Sybille Wesenberg, erschien kürzlich und soll Einheimischen wie auch Touristen die Augen für die kleinen Schönheiten am Wegesrand öffnen oder beim Besuch der großen Attraktionen den Blick auf besondere Details lenken.

Für das Buch hat die Autorin ihre Heimatstadt, die sie durchaus kannte, vielerorts noch einmal neu entdeckt. Dabei kam ihr zu Gute, dass sie sechs Jahre im mittelamerikanischen Belize lebte und nach ihrer Rückkehr mit teils verklärtem, teils ganz neuem Blick ihre alte Heimatstadt betrachtete. Außerdem brauchte sie einen neuen Job und begann mit Mitte 50 bei der IHK eine Ausbildung zur Gästeführerin. Und obwohl sie hier aufgewachsen war und als Kind im Park Sanssouci gespielt hatte, habe sie noch einmal richtig viel gelernt über die Stadtgeschichte. „Potsdam ist viel mehr als Fridrich II. Es gab hier neun Könige und jeder prägte die Stadt anders.“

Neben ihrer Arbeit als Stadtführerin fotografiert Wesenberg viel für ihre Homepage. „Eines Tages meldete sich der Droste Verlag mit der Frage, ob ich als Auskennerin und Fotografin dieses Buch schreiben würde.“ Wesenbergs Buch ist jetzt Nummer 55 aus der deutschlandweiten Reihe der „80 Glücksorte“. Es passt in jeden Rucksack oder jede Manteltasche und bietet Inspirationen für große und kleine Stadtspaziergänge und Ziele zum Verweilen. Teilweise liegen diese im Umland, auch Schloss Caputh, Schloss Paretz, die Caputher Seilfähre „Tussy II“ und die museale Handweberei in Geltow sind unter den glücklichmachenden Orten.

Bei den Potsdamer Orten finden sich zudem einige Cafés und inhabergeführte Geschäfte zum Stöbern oder für Regenwetter, und im Lieblingsplattenladen kann man in Ruhe nach dem Sammlerglück suchen. Die Bäckerei Braune macht mit ihren Brötchen schon lange die Potsdamer glücklich, und die Eisfrau in Babelsberg sowieso. Die moderne Bibliothek mit ihren bequemen Sesseln war ein Tipp von Freunden und das Werner-Alfred-Bad an der Hegelallee musste mit, weil Wesenberg dort einst schwimmen lernte. Heute kann man im alten Schwimmbecken einkaufen gehen und herrlich Kaffeetrinken – eine besondere Atmosphäre.

Die Draußen-Orte reichen von bekannten Schlössern bis zu Straßenzügen wie dem Kiez rund um Erlöserkirche und Geschwister-Scholl-Straße. Kenn ich doch, denkt man als Potsdamer, aber wer hier nicht gerade wohnt, wird sich vielleicht wundern, wie schön es in den vergangenen Jahren geworden ist. In Babelsberg empfiehlt die Autorin eine bewusste Erkundung des Weberplatzes, auf dem der letzte der etwa 3000 Maulbeerbäume, die die Weber einst für ihre Seidenherstellung brauchten, steht. Das Babelsberger Kino Thalia ist auch ein Tipp. Klingt banal, ist aber zu Recht auf der Liste, weil es eben eines der besten Programmkinos in Deutschland ist.

Am stärksten ist das Buch bei den Glücks-Tipps, die etwas versteckt liegen und an denen man als Potsdamer oft einfach vorbeirennt. Oder die man schnöde vergessen hat. Wer weiß, wo das Mühlenberg-Belvedere liegt? Die Bank auf der versteckten Aussichtsplattform neben dem Winzerberg, wo früher ringsum viele Windmühlen standen, hat man meist für sich allein und kann in Ruhe die Stadt von oben anschauen. Mehr romantische Bänke gibt’s in der Schwanenallee, mit Blick auf den Jungfernsee. Sehr privat ist man oft am Schloss Lindstedt, das abseits der Touristenströme im Wald liegt. Dort empfiehlt Wesenberg den Blick auf die zauberhaften Putten im Garten. Die Kellertorwache ist auch so ein vergessener Ort. In dem restaurierten Zollhaus am alten Stadtkanal, der hier auf etwa 150 Meter tatsächlich mit Wasser gefüllt ist, waren früher Steuereintreiber und Wachpersonal stationiert. Der eine trieb Geld ein, der andere passte auf, dass die Soldaten nicht abhauten. Dort war das Glück damals relativ. Sichere Glücksorte findet die Autorin vor allem in der Natur, auf dem Pfingstberg mit dem Pomonatempelchen darin oder den Seerosen wie auf der Freundschaftsinsel. „Potsdam ist ein romantischer Ort“, sagt Wesenberg, „deshalb kommen die Touristen hierher und auch wir sollten daran nicht vorbei hetzen.“

— Sybille Wesenberg: Glücksorte in Potsdam. Fahr hin und werd glücklich. Taschenbuch, 169 Seiten, Droste Verlag, Düsseldorf 2019, 14,99 Euro

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