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Gedenkfeier für Lothar Bisky. Besucher kondolieren in der Volksbühne.

© dpa

Landeshauptstadt: Brückenbauer in der Welt belegter Brötchen

Weggefährten und Freunde wie Andreas Dresen und Gregor Gysi nahmen Abschied von Lothar Bisky

Von Matthias Meisner

„Es tut so weh, so weh“, sagt Gregor Gysi zum Schluss seiner Ansprache. Er ist der erste Redner am Samstag in der Berliner Volksbühne bei der Gedenkfeier für seinen Genossen Lothar Bisky. 500 Verwandte, Freunde und Weggefährten haben sich versammelt zu Ehren des Linken-Politikers und ehemaligen Rektors der Potsdamer Filmhochschule (HFF), der am 13. August gestorben war, kurz vor seinem 72. Geburtstag. Als „unbegrenzt tolerant“ lobt Gysi seinen langjährigen Mitstreiter: „Er hatte einen durch und durch guten und anständigen Charakter.“

Auch die anderen, die das Wort ergreifen, sind voll des Lobes über den lebenslustigen und liebenswürdigen Mann. Der frühere brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe erinnert an den gemeinsam bestrittenen „Brandenburger Weg“ – das versöhnliche Verhältnis zwischen Opposition und Regierung. Er nennt den langjährigen PDS-Fraktionsvorsitzenden im Landtag „ein Vorbild für eine integrierende politische Kultur“ und preist ihn als Brückenbauer, wobei der Linke dann „nicht selten zwischen den Ufern gestanden“ habe.

Bisky hatte Anfang der 1990er-Jahre den Untersuchungsausschuss im Potsdamer Landtag geleitet, der die Stasi-Vorwürfe gegen den SPD-Politiker aufklären sollte. Er kam zum Schluss, dass Stolpe ein „Mann der Kirche“, aber auch ein „loyaler DDR-Bürger“ gewesen sei. Stolpe ist im Saal der einzige Sozialdemokrat von Rang. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz immerhin lässt ein Grußwort für den von ihm hoch geschätzten „Ehrenmann“ verlesen. Auch Altbundespräsident Horst Köhler ist da – und der frühere SED-Generalsekretär und DDR-Staatsratsvorsitzende Egon Krenz. Die Spitzen der anderen Parteien fehlen, obwohl alle eingeladen waren.

Acht Jahre sind vergangen, seitdem der Bundestag Bisky viermal in Folge durchfallen ließ, als der für das Amt des Parlamentsvizepräsidenten vorgeschlagen war. Obwohl Bisky gemeinhin als äußerst aufgeschlossener Politiker galt, fällt den anderen Parteien der entspannte Umgang selbst an diesem Gedenktag nicht leicht. Als „böse Demütigung“ rügt Stolpe die Nicht-Wahl Biskys 2005. Gysi sagt, er habe das damals den anderen Parteien sehr übelgenommen, mehr noch als Bisky selbst. Auch Heinz Vietze, einer der wichtigsten politischen Weggefährten Biskys, spricht dieses Thema an. „Das Kleinkarierte, das Denunziatorische, der spürbare Hass“, hätten Bisky zu schaffen gemacht – und das von Menschen, „die doch eigentlich schon von Geburt an Demokraten sind“.

Bisky wurde schon vor Wochen im engsten Kreis auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte beigesetzt. In der Volksbühne war für viele die erste Gelegenheit, Abschied zu nehmen. Zwei Stunden macht die Linke Pause vom Wahlkampf, ihre Prominenz ist fast vollzählig erschienen. Nur Sahra Wagenknecht, von Bisky mal „Njet-Maschine“ genannt, demonstriert in Bochum für Umverteilung. Dafür sitzt Oskar Lafontaine, der die Partei jahrelang zusammen mit Bisky führte, in der ersten Reihe, obwohl es das Spitzenduo nicht immer leicht miteinander hatte.

Als Bisky HFF-Rektor war, zählte der Regisseur Andreas Dresen zu seinen Studenten. „Was machtest du plötzlich in diesen Elefantenrunden?“, fragte Dresen sich damals, als Bisky in die „Welt der belegten Brötchen“ gegangen war, wie er seinen Lehrmeister zitierte. „Es wirkte, als hättest du dich dorthin nur verirrt, mit deinem verlegenen Lachen, deiner graden Einfachheit.“ Dresen sagt, er habe begriffen, dass Bisky in die Politik gegangen ist – „dass du dort geblieben bist, nicht“. Nach der Feier sucht Gysi nach Dresen. Er will ihm sagen, dass ihm diese Bemerkung sehr zu denken gibt. Matthias Meisner

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