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Brigitte Grell kam 1937 aus Hannover nach Potsdam.

© Andreas Klaer

Brigitte Grell feiert ihren 100. Geburtstag: Dorn im Zensor-Auge

Brigitte Grell ist ein Urgestein des Potsdamer Journalismus und der kirchlichen Publizistik: Trotz Repressionen ließ sich die promovierte Germanistin in der DDR nicht einschüchtern. 

Potsdam - Freudestrahlend erwartet Brigitte Grell in ihrem Domizil, im Evangelischen Seniorenzentrum Emmaushaus, ihre Gäste – und erweckt den Eindruck, dass sie sich gern mit Pressekollegen trifft. Aktuelles in der Medienwelt interessiert sie, Erinnerungen an vergangene Zeiten werden wach. Und die sind wahrlich umfangreich, immerhin feiert Brigitte Grell, Urgestein des Potsdamer Journalismus und der kirchlichen Publizistik, heute ihren 100. Geburtstag.

Die promovierte Germanistin übernahm 1951 die Chefredaktion des evangelischen Sonntagsblatts „Potsdamer Kirche“, fünf Jahre nachdem die Sowjetische Militäradministration die Genehmigung für das Erscheinen der Kirchenzeitung gab. Als Superintendent Konrad Stolte dem damaligen Bischof Otto Dibelius die Presselizenz zur Gründung der Wochenzeitung vorlegte, meinte dieser nur: „Lieber Konrad, nach sechs Wochen wird euch der Stoff ausgehen.“ Noch heute freut sich Brigitte Grell, dass der Bischof sich geirrt hat.

Grell wurde in der Garnisonkirche konfirmiert

Als 15-Jährige kam die in Hannover Geborene 1937 nach Potsdam. „Der Hauptgrund war, dass meine Mutter sich von meinem Vater, ein Berufsoffizier, trennen wollte. Beide hatten unterschiedliche Ansichten in Sachen Politik. War mein Vater dem Nationalsozialismus ergeben, so war Mutter aktives Mitglied der Bekennenden Kirche“, erzählt Brigitte Grell, die von der Mutter geprägt wurde. Die Tochter stand der Oppositionsbewegung evangelischer Christen ebenfalls nah. 

In der Garnisonkirche wurde sie konfirmiert, ein Ort, an dem die Deutschen Christen sowie die Bekennende Kirche nicht unbedingt ihre Stärke zeigten. „Die Kirche war hier eher ein neutraler Boden“, so Brigitte Grell. Zur Frage, wie sie zum Wiederaufbau der Kirche steht, sagt sie: „Dass der barocke Turm wieder Potsdam prägt, finde ich großartig. Er könnte auch als Fingerzeig gegen Krieg, Antisemitismus oder Hass fungieren. Doch das Kirchenschiff benötigen wir nicht. Es gibt genügend Kirchen, die zu Gottesdiensten oder Konzerten einladen.“ 

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Brigitte Grell strebt nach dem Garnisonkirchen-„Ausflug“ wieder zurück zur Geschichte der „Potsdamer Kirche“. Als Redakteurin veröffentlichte sie 1950 einen weitsichtigen Artikel unter dem Titel „Die unzuverlässigen Protestanten“. Er bezog sich zwar auf die in Franco-Spanien verdächtigen evangelischen Christen, konnte aber auch als Positionsbeschreibung der Protestanten in der DDR gelesen werden. So schrieb sie, dass man dem Staat klar machen sollte, warum evangelische Christen in Situationen unterschiedlich reagieren, warum die Protestanten nicht zu allem Ja sagen, dass man mit ihnen als zu vereinnahmende Partner nicht rechnen sollte.

Vom DDR-Presseamt sollte ihr Team „auf Linie“ gebracht werden

Woche für Woche mussten Brigitte Grell und ihr Team vor dem Erscheinen der Ausgabe erleben, dass sie vom DDR-Presseamt „auf Linie“ gebracht werden sollten. „So manche staatliche Repression mussten wir ertragen. Besonders war das Presseamt ängstlich, wenn eine Landessynode anstand, weil in ihr so manche Bewertung zur Bildungs- oder Wehrpolitik der DDR zur Sprache kam. Bibelauslegungen lasen die Zensoren mit besonderer Aufmerksamkeit, vermuteten sie doch darin eine verschlüsselte Kritik am Staat“, erzählt Brigitte Grell. „Wenn den Zensoren dieser oder jener Beitrag ein Dorn im Auge war, wurde die Zeitung von der Post an die Abonnenten einfach nicht ausgeliefert.“

Dennoch ließ sich Brigitte Grell nicht einschüchtern. Das Sonntagsblatt kam regelmäßig zu den Gemeindemitgliedern, um ihnen zu helfen, als Christen die Gegenwart zu meistern und Zukunft zu gestalten. Es gab Berichte aus der Kirchenleitung, von Tagungen der Synode oder aus den Gemeinden und der Ökumene. Auf theologische Auseinandersetzungen legte Brigitte Grell Wert. 

Wichtig waren auch die Ankündigungen von Gottesdiensten oder Vorträgen, denn die meisten Zeitungen der DDR-Parteien lehnten deren Veröffentlichung ab. Bis 1984 war sie Chefredakteurin der „Potsdamer Kirche“. Ihre Bestrebungen, die Breite des kirchlichen Lebens der Landeskirche und der DDR brennglasartig widerzuspiegeln, gingen auf. Kurz nach der Wende fusionierte die Zeitung mit dem Wochenblatt „Die Kirche“. 

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