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Konfrontation auf der Straße. Bei der ersten Pogida-Veranstaltung vergangene Woche kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen in der Innenstadt. Es sei davon auszugehen, dass sich so etwas wiederholen könnte, warnt der Verfassungsschutz.

©  Andreas Klaer

Brandenburger Verfassungsschutz warnt vor linksextremen Krawallen: Neue Ausschreitungen befürchtet

Laut Verfassungsschutz wächst die linke Szene in Potsdam wieder. Unterdessen sind erneut Kundgebungen von Pogida und AfD in Potsdam geplant - und Gegenproteste.

Potsdam - Der brandenburgische Verfassungsschutz warnt vor ähnlichen Ausschreitungen linksextremer Gruppen wie am vergangenen Montagabend in Potsdam. Angesichts der Flüchtlingsdebatte und wegen des Agierens von Gruppierungen wie der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung stelle man „eine Radikalisierung auch in der linksextremistischen Szene“ fest. Das sagte eine Sprecherin des für den Verfassungsschutz zuständigen Innenministeriums den PNN auf Anfrage.

Insgesamt geht der Verfassungsschutz für ganz Brandenburg von rund 190 Autonomen aus – Tendenz seit Jahren sinkend. Für Potsdam sei allerdings, entgegen dem Landestrend, ein Wiedererstarken der linksextremistischen Szene festzustellen – „auch im Segment der gewaltbereiten Autonomen“, wie die Sprecherin sagte. Nicht nur die Gewaltbereitschaft werde höher, es gebe auch einen „moderaten Aufwuchs“ im Personenpotenzial der Szene. Dies lasse sich seit dem vergangenen Jahr beobachten. Kontakte aus der Potsdamer Szene zu anderen linksextremistischen Gruppen seien reaktiviert worden. Und noch eine Entwicklung stellt der Verfassungsschutz fest: „Während sich die autonome Szene in Potsdam noch vor einigen Jahren zu einem großen Teil aus den extremistischen Teilen des ehemaligen Hausbesetzermilieus rekrutierte, ist inzwischen – auch durch studentischen Zuzug bedingt – ein Generationswechsel eingetreten.“

Gewaltsame Ausschreitungen beim ersten Pogida-Protest in Potsdam

Vergangene Woche hatte es nach dem ersten Versuch eines sogenannten Abendspaziergangs nach Vorbild der Pegida-Bewegung – in Potsdam: Pogida – gewaltsame Ausschreitungen in der Innenstadt zwischen Bassinplatz und Hauptbahnhof gegeben. Laut der Sprecherin des Innenministeriums sei dabei zwar nur ein Demonstrant wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs in Gewahrsam genommen worden. „Filmdokumente, deren Auswertung noch andauert, belegen indes ein weitaus höheres landfriedensbrecherisches Gewaltpotenzial an diesem Abend.“ Es sei davon auszugehen, dass sich derartige Vorkommnisse so oder ähnlich wiederholen könnten, warnte die Sprecherin.

Schon diese Woche ist für den Mittwoch ein zweiter Pogida-Abendspaziergang angemeldet. Und am Freitag will der Landesverband der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) am Alten Markt demonstrieren. Die Kundgebung soll ab 17 Uhr vor dem Landtag stattfinden – kurz nach dem offiziellen Neujahrsempfang der Stadt Potsdam im nahen Nikolaisaal. Motto des AfD-Aufzugs: „Antigewaltkundgebung für die Rechte der Frauen“ und „Protest gegen die Silvester-Vorfälle in Köln, Hamburg und Stuttgart“. Auch hier wird im Internet bereits zu Gegenprotesten aufgerufen, allerdings noch nicht von offizieller Seite.

Gegenkundgebungen geplant

Für den Potsdamer Pegida-Ableger, der sich am Mittwoch ab 18.30 Uhr am Bassinplatz treffen will, hat die Polizei bereits ein Großaufgebot angekündigt. Der Marsch soll bis 21.30 Uhr zum Hauptbahnhof führen. Auf dem Weg dorthin gibt es ein Sicherheitsrisiko: Im Landtag laden Landesregierung und Landtag an dem Abend zu einem Neujahrsempfang. Das überparteiliche Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ hat bereits ab 18 Uhr eine Gegenkundgebung angemeldet: Das Bündnis ruft „alle demokratischen und friedliebenden Bürger“ auf, „sich an der Kundgebung zu beteiligen und den rechtsextremen und fremdenfeindlichen Bestrebungen in der Landeshauptstadt eine kraftvolle Stimme entgegenzusetzen“. Genaue Informationen sollen am heutigen Montag bekannt gegeben werden. Am Nachmittag berät sich zudem das städtische Aktionsbündnis zu Strategien bei der Demo – an der Gesamtplanung zu den aus den Ruder gelaufenen Protesten gegen Pogida hatte es Kritik gegeben, unter anderem weil eine Gegenkundgebung von vor allem Stadtpolitikern am Lustgarten viel zu weit weg vom eigentlichen Geschehen stattfand, die Politik nicht deeskalierend eingreifen konnte.

Konrad-Adenauer-Stiftung kritisiert "Potsdam bekennt Farbe"-Aufruf

Kritik an dem neuerlichen „Potsdam bekennt Farbe“-Aufruf kam am Wochenende von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Deren Landesbeauftragter Stephan Raabe verwies auf die Ausschreitungen und eine KAS-Podiumsdiskussion zum Thema Flüchtlinge an der Universität Potsdam, die wie berichtet wegen Störungen von Linken fast geplatzt war. Angesichts dessen vermisse er in dem Aufruf „eine klare Abgrenzung gegen diese intoleranten, demokratische Grundrechte bekämpfenden und zerstörerischen Gruppierungen, die ein Ausweis für ein intolerantes und unsicheres Potsdam zu werden drohen“, so Raabe. Er begrüße zugleich den Demonstrationsaufruf gegen Pogida, „sofern er die Regeln der Demokratie achtet, zu dem elementar das Demonstrationsrecht für jede und jeden gehört, ob es uns politisch passt oder nicht, und sofern er zu friedlicher Meinungskundgebung und Achtung auch der Andersdenkenden anhält, was Kern von Toleranz ist.“ Weiter sagte Raabe: „Wir können als Demokraten kein Interesse daran haben, dass bei uns Weimarer Verhältnisse Einzug halten, bei denen sich am Ende Links- und Rechtsradikale bekämpfen und die Demokratie Schaden nimmt.“ Daher sei es, „gerade wenn der Stresspegel in der Gesellschaft steigt“, notwendig, sich gegen Radikale und Gewalttätige „egal welcher Couleur“ abzugrenzen, so Raabe.

Unterdessen forderte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), dass die Polizei beim nächsten Pogida-Aufmarsch „rechte Hetzstraftaten“ konsequent unterbindet. Wie berichtet hatten Pogida-Teilnehmer laut Zeugen den Hitlergruß gezeigt. Ob Ermittlungen deswegen geführt werden, konnte die Polizei vergangene Woche nicht bestätigen, weil noch nicht alle Einsatzprotokolle der beteiligten Staffeln vorlagen.

Der VVN-BdA erklärte auch, der Bassinplatz sei als Aufmarschplatz „alter und neuer Nazis generell ungeeignet“ – wegen des dortigen Friedhofs für sowjetische Rotarmisten. Vor dem Pogida-Aufzug werde der VVN-BdA daher am Ehrenmal der Roten Armee eine Gedenkveranstaltung zum 73. Jahrestag der Einkesselung der 6. Deutschen Armee bei Stalingrad durchführen.

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PNN-Autor Henri Kramer wünscht sich einen kreativen Protest gegen Pogida. Ein Kommentar >>

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