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Landeshauptstadt: Bogenschießen und Salbe kochen

Beim „Räuberleben“ im Volkspark erkundet der Naturpädagoge Lucas Nagel mit Neugierigen von 6 bis 66 Jahren die Wildnis vor der Haustür

Echte Räuber kann so schnell nichts umhauen: Schon gar nicht ein verregneter und grauer Sommertag. Denniz und Taylan sind zwar die Einzigen, die sich am gestrigen Sonntagnachmittag auf den Weg in den Volkspark zur Veranstaltung „Im Wald, da sind die Räuber!“ gemacht haben, doch der Natur- und Wildnispädagoge Lucas Nagel lässt sich dadurch nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Er geht bei diesem Waschküchenwetter mit den beiden Grundschülern und Taylans Eltern eben nicht wie geplant in den tropfnassen Waldpark, sondern erst einmal auf die riesige Wiese vor der Biosphäre.

Die sieht ziemlich zerwühlt aus. An mehreren Stellen ist die Grasnarbe herausgerissen und auf den Kopf gedreht. „Wer kann das gewesen sein?“, fragt er die beiden Jungen, die sich hier wie echte Räuber im Spurenlesen üben sollen. Denn für diese war es ja enorm wichtig, zu wissen, wer im Wald unterwegs war. Wildschweine oder Raben, schlagen die Jungs vor, doch Lucas will es genauer wissen. Er geht mehrmals in die Hocke, um eine typische Wildschweinspur zu entdecken. „Ich sehe eine Tatze!“, ruft Taylan. Doch leider Fehlanzeige.

Lucas Nagel verspricht den beiden, ihnen echte Wildschweinspuren zu zeigen, die er in der Nähe des Grünen Klassenzimmers im Remisenpark entdeckt hat. Dahin ist die Gruppe jetzt unterwegs. Mit einem Auftrag: In die grüne und die weiße Schüssel, die Lucas mitgebracht haben, sollen mindestens zwei Hände voll Spitzwegerichblätter gesammelt werden, aus deren Saft dann gemeinsam eine heilkräftige Salbe gekocht wird. Der Wildnispädagoge zeigt die schmalen Lanzenblättchen und lässt alle die noch geschlossenen Pflanzenknospen kosten. Zuerst sind sie ein wenig bitter auf der Zunge, doch dann entfaltet sich typischer Champignongeschmack im Mund.

Weiter geht es zum Remisenpark. Zwischendurch weist der 43-Jährige mit dem braunen Zopf immer wieder auf heilkräftige Pflanzen am Wegesrand und die Erwachsenen erfahren einiges über Schafgarbe, Sauerampfer und Brennnesseln. Lucas Nagel ist seit acht Jahren freiberuflicher Natur- und Wildnispädagoge. Davor hat er Bühnentanz studiert und lange als freier Theaterfotograf in Berlin gearbeitet. Aber er wollte raus aus der Großstadt, erzählt er. In seinen Angeboten für Schulklassen im Treffpunkt Freizeit kann er Kunst und Natur manchmal auch in (Theater-)Projekten verbinden.

Jetzt weist der inzwischen studierte Sozialpädagoge die beiden Jungen erstmal darin ein, wie sie sich am besten an den großen hölzernen Wohnwagen des Grünen Klassenzimmers anschleichen, ohne von anderen gesehen zu werden. Doch die beiden Räuber rennen einfach los, denn Lucas hat ihnen versprochen, neben dem Salbenkochen auch noch Bogenschießen auf der Wiese auszuprobieren.

Kurz darauf brodelt der gewaschene und zerrupfte Spitzwegerich im Topf über einem Campingkocher in heißem Olivenöl, das langsam aber sicher die grüne Farbe des Krautes annimmt. Das grasige Aroma lässt einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Doch es kommt noch besser: Die Kinder dürfen kleine Klümpchen von Fichtenharz, das Nagel gesammelt hat, langsam in das jetzt von den Blättern befreite Öl rühren. Um die Salbe vom flüssigen in den typischen Salbenzustand zu überführen, wird dem Ganzen noch etwas Bienenwachs hinzugefügt.

Denniz und Taylan können es kaum erwarten, die dampfende Salbe in kleine Plastikdöschen zu füllen und selbst zu beschriften. Fichtenharzsalbe mit Spitzwegerich steht jetzt in kindlichen Lettern darauf. Und: Sie erfahren, wozu sie diese gebrauchen können. Spitzwegerich hilft nämlich nicht nur bei Husten, sondern auch gegen lästige Mückenstiche und allerlei Schrammen, die sich Räuber immer wieder mal holen, heilen damit schneller ab, erklärt Lucas Nagel.

Während Denniz und Taylan beim Aufbau für das Bogenschießen helfen, erzählt der Wildnispädagoge noch weiter von seiner Arbeit. Er arbeite nicht nur mit Kindern, sondern auch mit Jugendlichen mit Suchtproblematik. Die begleite er bei drei- bis viertägigen Auszeiten in der Natur.

An diesem Sonntagnachmittag haben erstmal die beiden Jungen und die Erwachsenen augenscheinlich Freude daran gefunden, sich mit der Natur zu ihren Füßen zu beschäftigen. In der insgesamt vierteiligen Reihe „Im Wald, da sind die Räuber!“ wird das Erkunden im Grünen in diesem Jahr noch einmal im Oktober möglich sein. Beim nächsten Termin des vom Landwirtschafts- und Umweltministerium geförderten Projektes geht es dann um „Feuermachen ohne Streichhölzer“ und „Wilde Küche aus Wald und Wiese“. Echtes Räuberwissen eben.

Nächster Termin: Sonntag, 9. Oktober, von 14 bis 17 Uhr. Der Kostenbeitrag beträgt 5 Euro pro Teilnehmer inklusive Parkeintritt. Anmeldung unter Tel.: (0331) 62 06 421.

Astrid Priebs-Tröger

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