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Landeshauptstadt: Bogenschießen gegen Burnout

Vor 20 Jahren zog die Heine-Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie in das neue Haus am Lehnitzsee

Wenn es gelingen könnte, Stigmatisierung und Ausgrenzung von Menschen mit psychischen Erkrankungen abzubauen, dann wäre Martin Lotze ein stückweit zufrieden. Lotze ist seit Juli kommissarischer Chefarzt der Heinrich-Heine-Klinik in Neu Fahrland, Fachklinik und Zentrum für Psychosomatik und Psychotherapie. In der Klinik, die seit 1994 in den Verbund der Dr. Ebel-Fachkliniken gehört, werden Menschen wegen Depression und Burnout, Ängsten, posttraumatischen Belastungsstörungen, Schlafstörungen, chronischen Schmerzen, Trauer und Tinnitus behandelt. Krankheitsbilder, die heute zu den am häufigsten diagnostizierten gehören, sagt Lotze. „30 Prozent aller Frühberentungen gehen auf psychische und psychosomatische Krankheiten zurück.“ Sie seien in der Regel gut behandelbar – und dennoch zögern viele Betroffene, den Schritt zum Arzt zu machen. „Weil sie sich fragen: ,Bin ich jetzt verrückt?’“

Mit dem Tag der offenen Tür am heutigen Samstag wollen die Ärzte und Mitarbeiter das 20-jährige Jubiläum feiern – aber auch Vorurteile und Schwellenängste gegenüber der Thematik abbauen und letztlich die etwas abseits am Lehnitzsee gelegene Einrichtung bei den Anwohnern bekannter machen.

Die Geschichte der Klinik reicht Jahrzehnte zurück. Der Unternehmer Carl Friedrich von Siemens ließ sich 1910 hier in der idyllischen Berliner Randlage eine repräsentative Villa errichten. Nach 1945 zogen dort die Russen ein, nutzten es fortan als Sanatorium für Offiziere. Ab 1952 war es Lungenheilanstalt in der DDR, bereits 1974 befindet sich hier auch eine psychosomatische Abteilung. Nach der Wende, 1991, wurde daraus die Heine-Klinik in neuer Trägerschaft. Der Unternehmer Ebel baute schließlich 1994 unweit der alten Villa, die an die Familie Siemens rückübertragen wurde, ein neues, modernes Klinikgebäude – drei Flügel, die sich in die sanft hügelige Waldlandschaft einfügen. Schon 2012 kam ein großes Bettenhaus dazu. Die Klinik mit 315 Plätzen, alles Einzelzimmer, ist mittlerweile meist voll belegt, sagt Lotze. 250 Mitarbeiter kümmern sich um etwa 4000 Patienten im Jahr, die hier durchschnittlich fünf Wochen bleiben. Dazu kommen auch ambulante Reha-Patienten. Etwa 80 Prozent aller Patienten sind Frauen.

Die Deutsche Rentenversicherung überweist die Patienten aus dem Umland aber auch aus ganz Deutschland. In der Reha erleben sie zunächst, dass sie mit ihren Problemen, ihrer Krankheit, nicht allein sind. Das Team von Ärzten, Therapeuten und Sozialarbeitern bietet eine Behandlung mit ganzheitlichem Ansatz: psychotherapeutische Einzel- und Gruppengespräche, Sport, Entspannung und Ergotherapie. Es gibt ein Schwimmbad, eine Sauna und ein breites Sportangebot. Beim Bogenschießen etwa lässt sich das Loslassen nach der Anspannung wunderbar üben. „Gemeinsame sportliche Aktivitäten sind wichtig. Sie zeigen, dass man selbst etwas leisten kann für das Team – man aber auch vom Team getragen wird“, so Lotze. Das ist wichtig für Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung – Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei und Bundeswehr, die ein schlimmes Erlebnis nicht verarbeiten können. „In diesen Berufen steigt die psychische Belastung“, sagt er.

Der ganzheitliche Ansatz unterscheide sie von anderen Kliniken, so der Chefarzt. Auch die relative Abgeschiedenheit sei von Vorteil: Es helfe den Patienten, sich zu entspannen.

Martin Lotze, 46 Jahre alt, hat in Marburg, München und Hannover studiert und ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Nervenheilkunde und Neurologie sowie Sozialmediziner. Seit neun Jahren ist er an der Potsdamer Heine-Klinik. Er wünscht sich, dass die Patienten nicht erst nach nach einem halben oder ganzen Jahr Krankschreibung zu ihm kommen, sondern bereits früher. Und dass mehr Aufmerksamkeit auf den Bereich Prävention gelegt wird. „Es gibt Untersuchungen, dass jeder Euro, der in präventive Maßnahmen gesteckt wird, ein Vielfaches an Behandlungskosten einspart“, sagt er.

Gerade Menschen, die in den sogenannten helfenden Berufen, also Pflegeberufen, als Lehrer oder Sozialarbeiter arbeiten, vergessen bisweilen, sich auch mal um sich selbst zu kümmern. Auch deshalb ist ihm eine Prävention in eigener Sache wichtig: Klinikmitarbeiter und ihre Familien dürfen den Wellnessbereich nutzen – als Burnoutprophylaxe.Auch für externe Nutzer stellt sich die Klinik zu Verfügung: Babyschwimmen findet im Klinikschwimmbad statt, die Rheumaliga trifft sich hier. Künftig könnte hier auch ambulante Physiotherapie stattfinden – das würde Patienten aus Neu Fahrland weite Wege ersparen, so Lotze.

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