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Landeshauptstadt: Böse Briefe auf Ahornfurnier

Bis zur Gesamteröffnung von Schloss Babelsberg will Thomas Kühn Kaiserin Augustas Schreibtisch restaurieren

Bis zur Gesamteröffnung von Schloss Babelsberg will Thomas Kühn Kaiserin Augustas Schreibtisch restaurieren Von Erhart Hohenstein Der kostbare Aufsatzschreibtisch der Kaiserin Augusta, der noch bis Kriegsende in ihrem Arbeitszimmer im Schloss Babelsberg stand, ist eine Ruine. Links oben hat jemand das Ebenholz zertrümmert, um an die darunter liegenden Schubkästen und Geheimfächer zu kommen. Darin vermutete der Täter wohl Kostbarkeiten. Abgebrochen und verschwunden sind drei der sechs kleinen seitlichen Türmchen, Filialen genannt, auch die filigranen Schnitzereien der Vorderfront blieben nur zur Hälfte erhalten. In diesem traurigen Zustand kam der Schreibtisch, der zuletzt im Neuen Palais aufbewahrt wurde, in die Holzrestaurierungswerkstatt der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Dort wurde er gestern von der Kustodin der Möbelsammlung der Stiftung, Dr. Afra Schick, und Werkstattleiter Thomas Kühn vorgestellt. Kühn hat die Wiederherstellung des kostbaren Stücks zur Chefsache gemacht. Fünf bis sieben Jahre wird er – neben seiner Leitungstätigkeit – wohl brauchen, bis das edle Stück vollen Glanz zurückgewonnen hat. Der Aufsatzschreibtisch war von dem Koblenzer Hoftischler Johann Peter Mündnich in neogotischen Formen angefertigt und 1851 auf einer Ausstellung – vermutlich der Weltausstellung in London – gezeigt worden. Dadurch wurde die Kronprinzessin auf ihn aufmerksam, die seit 1829 mit dem späteren Kaiser Wilhelm I. verheiratet war. Der 1,66 Meter hohe, 1,42 Meter breite und 0,79 Meter tiefe Schreibtisch setzt sich aus einem Unterbau aus Eiche und dem einer gotischen Kathedrale nachgestalteten Aufsatz aus Ebenholz zusammen. Für die Furniere wurde vorwiegend Ahorn verwendet. Die für die Restaurierung benötigten Hölzer sind bereits eingekauft. Die Schnitzereien des ein Kirchenportal darstellenden Mittelteils, an den Filialen und der Front der Schubkästen zeigen so winzige Details, dass der Künstler dabei ein Vergrößerungsglas verwendet haben muss. Bei der Untersuchung des Schreibtischs hat Thomas Kühn wahrscheinlich dessen Namen entdeckt: I. A. Leisering steht auf einem winzigen Wappen und der Zusatz et exec (entworfen und vollendet). Selbst der Spediteur, der das teure Stück nach Babelsberg brachte, hat sich verewigt: Jakob Trögner, 1851. Über Leisering ist weiter nichts bekannt, das Fuhrunternehmen aber ist in Koblenz aktenkundig. Bei der Restaurierung kommt Thomas Kühn ein Messbild aus dem Jahr 1929 zugute. Aber auch diese Fotografie kann nicht alle Fragen beantworten. Es zeigt die Portaltür des Mittelteils in geschlossenem Zustand. Dahinter muss sich unter einem aus Ebenholz geschnitzten Rippengewölbe, das erhalten ist, die Darstellung eines Raumes oder Häuschens befunden haben, dessen Aussehen nicht überliefert und nicht mehr zu rekonstruieren ist. Thomas Kühn wird bei seiner Arbeit durch die Papierrestauratoren der Stiftung unterstützt. Die ebenholzschwarzen filigranen Schnitzereien, die Maßwerk sowie Blattornamentik zeigen, sind nämlich mit Goldpapier unterklebt, so dass sich ein ganz eigentümlicher Farbkontrast ergibt. Dieses Papier muss ebenso restauriert bzw. erneuert werden wie die graue Auflage auf der Schreibtischplatte. Thomas Kühn hofft, dass der Abschluss der Restaurierung mit der Gesamteröffnung des Schlosses Babelsberg zusammenfällt, das sich bekanntlich im langwierigen und schwierigen Prozess seiner umfassenden Sanierung befindet. Im Arbeitszimmer Augustas soll der Aufsatzschreibtisch wieder den zentralen Platz einnehmen. Die Kaiserin, die im Alter schwer krank und schließlich an den Rollstuhl gefesselt war, verbrachte schreibend und lesend oft den ganzen Tag an diesem Platz. Die aus dem Hause Sachsen-Weimar stammende Prinzessin hatte eine umfassende klassische Bildung genossen und galt als außerordentlich klug, besaß aber auch eine gehörige Portion Boshaftigkeit. Vor allem wegen ihrer Einmischung in die Politik und überzogenen finanziellen Forderungen für ihre Hofhaltung geriet sie häufig mit ihrem kaiserlichen Gemahl in Streit. Wenn der eskalierte, soll sie nur noch schriftlich mit ihm verkehrt haben. Ihre zornerfüllten Briefe schrieb sie an besagtem Schreibtisch.

Erhart Hohenstein

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