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Detailverliebt. Simon Weisse arbeitet seit 1994 mit Studio Babelsberg.

© M. Thomas

Blick in die Werkstatt: Wie ein Potsdamer Mini-Welten für Kinofilme erschafft

Simon Weisse baut Bühnenbilder im Miniaturformat – auch für den diesjährigen Berlinale-Eröffnungsfilm. Ein Besuch in seiner Werkstatt.

Potsdam - Die verschneite Berglandschaft mit dem zierlichen Reh auf der Felsspitze sieht auf der Kinoleinwand nicht nur nach Puderzucker aus. Das war auch Puderzucker. Denn der hat genau die passende Struktur für diesen Maßstab des Modells, erklärt Simon Weisse.

Der 56-Jährige lächelt, wenn er sich an die Dreharbeiten für „Grand Budapest Hotel“ erinnert. Damals, 2013, hatte er im Studio Babelsberg eine kleine Werkstatt eingerichtet. Für die Tragikomödie über ein Luxushotel im Europa der Zwischenkriegszeit baute Weisse mit seinem Team nicht nur das titelgebende Hotel samt verschiedener Landschaften maßstabsgerecht als Modell nach, sondern unter anderem auch eine Mini-Seilbahn, ein Observatorium, eine Schanze und den verschneiten Wald. Das meiste davon ist heute im Musée Miniature & Cinéma im französischen Lyon zu sehen, einem Museum, das sich auf Miniaturmodelle aus Filmen spezialisiert hat. Nur den Felsen mit dem Reh, den hat Regisseur Wes Anderson persönlich behalten.

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„The Grand Budapest Hotel“ war der erste Film, für den Modellbauer Weisse mit dem US-amerikanischen Regisseur zusammenarbeitete. Für Andersons neuestes Werk, den Berlinale-Eröffnungsfilm „Isle of Dogs – Ataris Reise“, ein im Stop-Motion-Verfahren gedrehter und von Studio Babelsberg koproduzierter Puppentrickfilm, war Weisse mit seinem bis zu 15-köpfigen Team erneut an Bord. Über Details darf er noch nicht sprechen – bis zur Premiere am Donnerstagabend gilt strengste Geheimhaltung. Bekannt ist aber der Plot: Der Film spielt im Japan der Zukunft und dreht sich um den Jungen Atari, der sich nach der Verbannung aller Hunde aus der Großstadt Megasaki City auf die „Müllinsel“ begibt, um dort seinen Hund Spots zu finden. Dabei bekommt er Hilfe von fünf Hunden. Wer den Trailer für den Film gesehen hat, ahnt, welch unglaubliche Kleinstarbeit und welche Liebe zum Detail in dem Projekt steckt. Fast zwei Jahre dauerten die Dreharbeiten in London.

Weisses Werkstatt indes liegt in einem Hinterhof in Berlin-Neukölln. Mit Silikonformen, Holz, Metall, Styropor oder Gips arbeitet er dort – für jedes Material gibt es einen eigenen Arbeitsbereich. Weil die Miniatur-Sets, auf die er sich spezialisiert hat, so klein sind, braucht er auch entsprechend passendes Werkzeug: Eine Mini-Kreissäge und eine Mini-Bandsäge stehen auf der Werkbank, auf dem Regal liegen Dutzende Rollen Klebeband.

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Ein Leben zwischen Frankreich, Deutschland und England: „Ich bin immer dahin, wo die Aufträge sind“

Zum Modellbau ist Simon Weisse, der in Frankreich aufgewachsen und in Montpellier Kunst studiert hat, vergleichsweise spät gekommen. Mit Modelleisenbahnen habe er als Kind nie zu tun gehabt, erzählt er. Aber seinen Hang zum Basteln, den habe er auch als Kunststudent gepflegt. Über seinen Vater, der als Standfotograf beim Film arbeitete, sei er immer mal wieder zu Besuch auf Filmsets gewesen. Für die Münchhausen-Neuverfilmung des britischen Regisseurs und Komikers Terry Gilliam von 1988 schließlich durfte er zum ersten Mal mitmachen, als Techniker für die Spezialeffekte. „Die haben mich alles Mögliche machen lassen“, erzählt er. Und Weisse, damals 25 Jahre alt, machte es offenbar gut. Er wurde für weitere Filme engagiert, baute unter anderem für den zweiten Teil von „Die unendliche Geschichte“ eine Modellstadt, für den dritten Teil einen Eisberg. Das war 1994 auch der erste Film, für den er mit dem Studio Babelsberg zusammenarbeitete – das erste Engagement in Babelsberg von vielen.

Eine Zeit lang pendelte Weisse zwischen Frankreich, Deutschland und England. „Ich bin immer dahin, wo die Aufträge sind“, erzählt er. In den 1990er-Jahren wurde die Arbeit für Modellbauer allerdings rar. Denn digitale Spezialeffekte wurden zunehmend besser. Musste man früher erfundene Landschaften oder Fantasie-Städte für Totalaufnahmen noch aufwendig als Modell nachbauen lassen, konnten das nun auch Experten am Rechner erledigen. „Ich dachte, ich muss mit dem Job aufhören“, sagt Weisse.

Doch er fand ein neues Arbeitsgebiet – und ist seitdem bei den großen internationalen Kinoproduktionen im Studio Babelsberg ein gefragter Mann. Es geht um die Herstellung von Spezialrequisiten. Zum Beispiel Waffen wie Schwerter für historische Filme: „Die haben wir aus Holz oder Gummi nachgebaut, damit sich die Schauspieler schön damit hauen können und trotzdem nicht weh tun“, erzählt der Freiberufler. In seiner Werkstatt hängen zum Beispiel die Degen der „Drei Musketiere“ aus dem Jahr 2011 an der Wand.

Bomben und tickende Sekundenzähler für "Homeland"

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Auch bei Science-Fiction-Streifen werden Spezialrequisiten gebraucht: Fliegende Motorräder wie in „Cloud Atlas“ oder Raumschiff-Technik für „Pandorum“. Für Steven Spielbergs „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ über den Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke baute Weisse mit seinem Team das Flugzeugcockpit des abgeschossenen US-Piloten Gary Powers in leicht abgewandelter Form nach. Denn im Original-Flugzeug wäre nicht genügend Platz für die Kamera gewesen. Für die US-Serie „Homeland“ konstruierte er Bomben mit tickendem Sekundenzähler.

Und dann kam mit Wes Anderson einer, bei dem Weisse wieder das tun konnte, was ihn ursprünglich so am Modellbau fasziniert hat: Ganze Landschaften im Miniaturformat nachbauen. Auf „Grand Budapest Hotel“ ist er bis heute besonders stolz. Bei dem Film, der 2015 vier Oscars – auch den für das Szenenbild – bekam, hatte Weisse eine größere künstlerische Freiheit als bei allen Projekten davor – und gleichzeitig einen Regisseur mit einer genauen künstlerischen Vision. „Da hat sich ein Vertrauen entwickelt mit Regie und Produktion“, sagt der gebürtige Berliner. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass Anderson und dessen Szenenbildner und Produzenten ihn für „Isle of Dogs“ wieder ins Boot holten. „Es wird wieder ein Lieblingsfilm“, glaubt Weisse.

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