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Heitere Geschichte. Gerlinde Jäkel entschied den Wettbewerb für sich.

© A. Klaer

Bildungsforum: Als der Präsident nach Potsdam kam

Den 13. Mai 1998 wird Gerlinde Jäkel wohl nie vergessen – und einige andere, die am Samstag in der 4. Etage des Bildungsforums sind, nun auch nicht mehr.

Potsdam - Denn was sie an jenem Tag erlebt, hat sie aufgeschrieben und beim Schreibwettbewerb zur 25. Brandenburgischen Seniorenwoche eingereicht. Die Arbeitsgruppe „Zeitzeugen“ des Seniorenbeirates der Stadt hatte zu diesem Wettbewerb unter dem Motto „Daran hat vor 30 Jahren keiner gedacht“ aufgerufen. Jäkel ist eine von zehn Autoren, die eingeladen wurden, ihre Texte im Bildungsforum zu präsentieren – und sie gewinnt dabei im Publikumsentscheid den ersten Platz.

Als sie ihre Geschichte „Unbeabsichtigtes Spalier“ vorliest, sorgt das für große Heiterkeit im Publikum: Denn Jäkel will am besagten Tag im Jahr 1998 eigentlich nur mit ihrer 5. Klasse der Zeppelin-Grundschule einen Wandertag an den Düsteren Teichen bei Bornim verbringen. Sie gerät aber in eine Geschichte, über die sie sich noch heute mit ihren ehemaligen Schülern amüsiert, wie sie erzählt. Und in dieser spielt niemand sonst als der damalige US-Präsident Bill Clinton eine wichtige Rolle. Die Rucksäcke der Kinder sind schon gepackt, da verkündet die örtliche Presse nämlich dessen Besuch in Potsdam – ausgerechnet am Wandertag, ausgerechnet am Neuen Palais.

Der Weg durch den Park Sanssouci zu den Düsteren Teichen würde also komplett gesperrt sein. Durch eine Verkettung verschiedener Umstände schafft die Gruppe jedoch sowohl den Hin- als auch den Rückweg quer durch den Park und steht am Ende unfreiwillig Spalier, als der Präsident mit seiner Limousine vorbeifährt – die Kinder winken, Clinton fühlt sich geehrt. Einmal auf Augenhöhe mit dem amerikanischen Präsidenten zu sein, das hätte sich die heute 80-Jährige wohl vorher kaum vorstellen können.

So heiter wie Jäkels Geschichte sind die eingereichten Beiträge der Senioren jedoch längst nicht alle. Andere erinnern sich daran, etwa mit dem DDR-System in Konflikt geraten und dafür im Gefängnis gewesen zu sein oder an die ersten wirtschaftlich schwierigen Jahre nach der Wende, in denen auch Potsdamer in Armut abrutschten. So erzählt die Gewinnerin des zweiten Platzes, die 82-jährige Ingeborg Gerlach, von der Gründung der Suppenküche in Potsdam, an der sie aktiv beteiligt war und bei der ihr ausgerechnet vom damaligen Sozialdezernenten Steine in den Weg gelegt worden seien, weil es nach dessen Ansicht keine Armut in Potsdam gegeben habe. Heute sei die Einrichtung überall anerkannt, leider aber auch, weil Armut in Deutschland leider immer mehr zunehme, schließt sie ihre Erzählung, die auch den Namen „Die Potsdamer Suppenküche“ trägt.

Für den 3. Platz haben die Zuhörer an diesem Tag die Geschichte von Beatrice Linke ausgewählt, die auf ihre Zeit als „Reichsbahn-Obersekretär“ am ehemaligen Potsdamer Hauptbahnhof Pirschheide zurückblickt – eine Arbeit, die sie als schönste Zeit ihres Berufslebens bezeichnet. Dass dieser Ort mit seinen Hunderten Beschäftigten einmal an Bedeutung verlieren könnte – das hätte sie damals wohl nicht gedacht.

„Kein Leben ist so klein, dass es nicht wert ist, darüber zu schreiben“, sagt Wolfgang Puschmann vom Seniorenbeirat vor den Lesungen, und spiegelt damit die Sicht auf das Tableau der Geschichten, die nicht immer große Weltgeschichte reflektieren. Festgehalten werden diese Texte in einer Anthologie, die vom Seniorenbeirat jährlich herausgebracht wird. So wird durch detaillierte Einsichten der Lebensalltag der Menschen in der Vergangenheit auch für nachfolgende Generationen greifbar.

Andrea Lütkewitz

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