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Landeshauptstadt: Bieten für Beuys, Dix und Matisse

Bei der Kunstauktion im Oberlinhaus kamen Werke bekannter Künstler unter den Hammer. Die Erlöse fließen in einen Sinnesgarten

Diese Bilder werden nun auch Menschen zugutekommen, die sie niemals sehen werden. Wer bei der Benefiz-Kunstauktion am gestrigen Sonntagabend in der Oberlinkirche ein Werk ersteigerte, der tat sich selbst etwas Gutes und füllte außerdem den Spendentopf des Oberlinhauses. Dort wird derzeit für ein ganz besonderes Projekt gesammelt: einen Sinnesgarten für Menschen, die sehbehindert und außerdem hörbehindert sind. „Wer nicht sehen und hören kann, der ist in seiner ganz eigenen Welt gefangen. Für den ist es sehr schwer, nach außen zu kommunizieren“, sagte Matthias Fichtmüller, theologischer Vorstand des Oberlinhauses, zur Begrüßung der Besucher, die zur Auktion gekommen waren. 15 Prozent des Erlöses der Auktion gehen nun an den Oberlinverein, etwa 1500 Euro, so hieß es nach ersten Schätzungen, könnten dabei zusammengekommen sein. Für den Sinnesgarten ist das wieder ein kleiner Baustein.

Insgesamt werden in dieses Projekt etwa 300 000 Euro investiert. Das ist ganz im Sinne der Tradition des Oberlinhauses. 1887, als das erste taubblinde Kind, die zehnjährige Herta Schulz, ins Oberlinhaus kam, begann in Babelsberg die Arbeit mit taubblinden Menschen, Oberlin war deutschlandweit beispielgebend. Heute besuchen 32 taubblinde Kinder und Jugendliche die Oberlinschule, viele von ihnen leben im benachbarten Wohnheim. Der Sinnesgarten soll ein ergänzendes Angebot für sie und alle Potsdamer, Nachbarn, Spaziergänger sein. „Wir wollen Inklusion erleben“, so Fichtmüller. Auf dem Areal von etwa 20 mal 30 Metern entlang der denkmalgeschützen Mauer in Alt Nowawes entsteht ein Garten, den sich diese Menschen mit ihren verbliebenen Sinnen – riechen, fühlen, schmecken – erschließen können. Verschiedene Bodenbeläge, Wasserläufe, Sandkisten und vor allem sinnliche Pflanzen wie Kräuter sind geplant.

Die Besucher der Kunstauktion bekamen zur Begrüßung und Einstimmung Rosmarinzweige geschenkt – eine Einladung, diese Zweiglein mit Händen und Nase zu entdecken. Dann aber stand die Kunst im Mittelpunkt. Der Leipziger Kunsthändler und Auktionator Michael Ulbricht war mit fast 100 Werken angereist, die seit Samstag in der kleinen Oberlinkirche zu besichtigen waren. Gut 200 Interessenten nutzten diese Gelegenheit, auch als kleine Galerie. Zur Versteigerung kamen gut 100 Besucher, etwa die Hälfte beteiligte sich am Bieterprozess.

Die Versteigerung kam zwar zunächst nur zögerlich in Gang, dann aber lockte der Auktionator das Publikum doch aus der Reserve. Immerhin hatte er durchaus ein paar Schätzchen dabei: limitierte bis seltene Drucke, Lithografien, Zeichnungen, Skizzen, Gemälde waren unter den Objekten. Die Künstler zählten überwiegend zur alten und neuen Leipziger Schule, Werner Tübke und Willi Sitte, Max Klinger und Otto Dix, Neo Rauch und Rosa Loy. Von Picasso und Matisse waren Zeichnungen, von Chagall kleinere Gemälde dabei, ebenso Holzschnitte und Siebdrucke aus den 20er- bis 50er-Jahren.

„Wir hatten es schon sportlicher“, sagte Nicky Ulbricht, der seinem Vater bei der Auktion assistierte. Viele Besucher wussten genau, was sie wollten, hielten sich ansonsten zurück. Spontane Bietgefechte gab es nur wenige und manches ging auch zurück. Eine Familie aus Fichtenwalde ersteigerte allerdings gleich mehrere Bilder, darunter auch einen nummerierten Picasso-Druck, Mutter und Säugling, für etwa 400 Euro. Dafür durfte der elfjährige David die Bieterkarte hochhalten. Das Bild, so sagte er, sei für die Mama und die erst zwei Monate alte Schwester Lilien. Anschließend nutzte, wie so mancher Besucher, der Familienvater ein fußläufig gelegenes Geldinstitut. Bei einer Ersteigerung wird in der Regel bar bezahlt.

Auch Katherine Biesecke, die die Taubblinden-Abteilung am Oberlinhaus leitet, investierte in Kunst, ebenso Oberlin-Vorstand Matthias Fichtmüller selbst. Er nahm gestern einen kleinen Siebdruck von Joseph Beuys mit der handgeschriebenen Zeile „Ich mühe mich mit Kraftverschwendung“ nach Hause.

Obwohl noch nicht alles Geld für den Sinnesgarten beisammen ist – zwei Drittel, etwa 200000 Euro, fehlen noch – wolle man nun loslegen. Spätestens 2016 soll alles fertig sein, inklusive Holzbiberburg. Katherine Biesecke freute sich gestern bereits über ein Angebot des Vereins der Freunde der Freundschaftsinsel. Vorsitzender Jörg Näthe habe plastische Reliefs, die eine Künstlerin angefertigt habe, die aber derzeit nicht öffentlich zu sehen sind, angeboten.

Nach der Auktion gingen noch einige Werke im Ausverkauf an neue Besitzer. Und auch wer nicht gekauft hatte, freute sich über Unterhaltung und neue Einblicke in die Kunst. „Ich habe heute viel gelernt“, so das Fazit von Matthias Fichtmüller.

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