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Hier drinnen rumort es: Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ordnet die Machtverhältnisse im Rathaus neu.

© Andreas Klaer

Betrugsvorwürfe: Anklagen im Fall der Potsdamer Familienpartei

Im Spenden-Skandal um die Potsdamer Familienpartei wirft die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten Verstöße gegen das Parteiengesetz, sowie Untreue und Betrug vor. Das im Gesetz vorgesehene Strafmaß reicht bis zu zehn Jahren.

Ende November 2009 war es ein Paukenschlag: Eine Razzia der Staatsanwaltschaft im Rathaus, Betrugsvorwürfe unter anderem gegen zwei Stadtverordnete der Familienpartei. Sie sollen öffentliche Gelder für die Parteienfinanzierung erschlichen haben, hieß es. Drei Jahre später hat die Staatsanwaltschaft Potsdam ihre Ermittlungen abgeschlossen und Anklage erhoben. Jetzt entscheidet das Landgericht, ob es einen Prozess gibt. Das bestätigte der Sprecher des Gerichts, Ralf-Dietrich Schulz, den PNN auf Anfrage.

Die Vorwürfe sind bisher einzigartig in der Potsdamer Kommunalpolitik. Es geht um die Familienpartei-Stadtverordneten Brian Utting, der seit Ende 2009 sein Mandat ruhen lässt, und den damals zurückgetretenen Dieter Gohlke. Ihnen und in geringerem Umfang zwei weiteren Potsdamern werfen die Ermittler Verstöße gegen das Parteiengesetz sowie verschiedene Untreue- und Betrugsdelikte vor, zum Teil begangen in besonders schwerem Fall. Gegenstand der Anklageschrift sind laut Gerichtssprecher Schulz mehrere Hundert Einzelvorgänge, die auf knapp 40 Seiten aufgeführt werden. Das im Gesetz vorgesehene Strafmaß für die angeklagten Taten reicht bis zu zehn Jahren Haft. Die Vorwürfe seien von den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren „überwiegend nicht eingeräumt worden“.

Konkret wird den vier jetzt Beschuldigten von den Ermittlern vorgeworfen, Parteigelder für Privatzwecke verwendet zu haben und durch das Verschieben von Geldern ein scheinbares Spendenaufkommen für eine Partei vorgetäuscht zu haben, um staatliche Zuschüsse für diese zu erschleichen. Der Staat bezuschusst jede Parteispende mit 38 Cent pro Euro. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sollen Gelder von Parteikonten zunächst abgezogen und dann als vermeintliche Spenden wieder eingezahlt worden sein, um für diese Beträge die staatlichen Zuschüsse zu kassieren. Die in der Anklage dargestellten Vorgänge umfassen insgesamt sechsstellige Summen, sagte Schulz. Ende 2009 war noch von 20 000 Euro die Rede, die so 2007 und 2008 beschafft worden seien.

Die Affäre hatte Ende 2009 für Wirbel in der Kommunalpolitik gesorgt. Damals bildete die Familienpartei eine Fraktionsgemeinschaft mit der FDP und war zusammen mit SPD, CDU/ANW und Grünen Teil der ein Jahr zuvor gebildeten Rathauskooperation von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Nach Beginn der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen trennte man sich. Aufgeflogen war der mutmaßliche Betrug nach der Anzeige von Bankangestellten. Ursprünglich waren mehr als zehn Personen verdächtigt worden.

Nach PNN-Informationen sollen die nunmehr vier Beschuldigten unterschiedlich aktiv gewesen sein: Gohlke wird die Beteiligung an mehr als drei Viertel der Fälle vorgeworfen, Utting an ein paar Dutzend, die anderen mutmaßlich Beteiligten sollen weniger Taten zum Teil gemeinsam, zum Teil einzeln begangen haben.

Gerichtssprecher Schulz sagte, wann die Entscheidung fällt, ob die Anklage zugelassen wird und wann gegebenenfalls eine Verhandlung stattfinden könne, sei noch nicht absehbar – daher ist auch nicht klar, ob sich die Beschuldigten tatsächlich strafbar gemacht haben.

Gohlkes Anwältin Nadine Rappanier betonte auf PNN-Anfrage, ihr Mandant habe frühzeitig nach Beginn der Ermittlungen die Vorgänge, die jetzt Gegenstand der Anklage sind, offengelegt und mit der Staatsanwaltschaft kooperiert. Aus der Familienpartei sei Gohlke, obwohl er für sie Stadtverordneter war, bereits 2006 ausgetreten. Die Vorwürfe würden sich auch nicht auf die Ausübung seines Mandates als Stadtverordneter beziehen, sagte Rappanier. „Gleichwohl wiegen die Vorwürfe schwer, wie Herrn Gohlke nur allzu bewusst ist.“ Er begrüße daher, dass mit der Anklage nun ein juristischer Abschluss in Reichweite gekommen sei. Rappanier wörtlich: „Er bedauert sein Verhalten, das er selbstkritisch als das Ergebnis fehlgeleiteten politischen Ehrgeizes erkennen musste, zutiefst, und steht folgerichtig auch zu seiner Entscheidung, sich vollständig aus dem politischen Geschehen zurückzuziehen.“

Utting verwies auf Anfrage auf seinen Verteidiger. Sein Anwalt Guido Frings sagte lediglich, nach Eingang der Anklage würden die Vorwürfe nun geprüft. Die Anklage gegen Utting und Gohlke nicht kommentieren wollte Heinrich Oldenburg, der Finanzvorstand der Familienpartei. Er verwies auf das laufende Verfahren. Utting war nach Bekanntwerden der Vorwürfe aus der Partei ausgeschlossen worden – auch unter Verweis auf Unregelmäßigkeiten im Rechenschaftsbericht des Landesverbands der Familienpartei.

Wegen des Spenden-Skandals droht der Familienpartei weiter eine Geldstrafe, sagte ein Sprecher der dafür zuständigen Bundestagsverwaltung den PNN. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft werde dies geprüft. Laut dem Parteiengesetz muss bei rechtswidrig erlangten Spenden eine Summe in dreifacher Höhe an den Bund gezahlt werden.

Die Familienpartei war seit 2003 im Stadtparlament mit je zwei Stadtverordneten vertreten, holte bei den vergangenen zwei Kommunalwahlen jeweils um die 4,5 Prozent der Stimmen. Die Familien- und die nicht mehr aktive Elternpartei sind sogenannte Splitterparteien von bundesweit geringer Bedeutung.

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