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Der Betreuungsschlüssel an Potsdamer Kitas soll besser werden, fordert Die Linke, Kita-Träger und Potsdamer Eltern.

© dpa (Symbolbild)

Betreuungsschlüssel in Potsdamer Kitas: "Zu Lasten der Kinder"

Die Potsdamer Linke-Fraktion fordert, dass die Stadt für mehr Personal in den Kitas 4,5 Millionen Euro zusätzlich zahlt. Mit einem Brandbrief kritisieren auch 15 Kita-Träger den ungenügenden Betreuungsschlüssel.

Potsdam - Bisher verlief die Debatte über die mangelhafte Kita-Qualität in Potsdam immer ähnlich: Die Stadt verwies darauf, für die Finanzierung des Kita-Personals nicht zuständig zu sein. Die rot-rote Landesregierung verwies auf geplante punktuelle Verbesserungen für ganz Brandenburg, von denen in den mit Erziehern besonders dünn besetzten Potsdamer Kitas aber nur wenig zu spüren ist. In diese festgefahrene Debatte will die Potsdamer Linke-Stadtfraktion nun Bewegung bringen: mit Klagedrohungen gegen die Landesregierungen und der Forderung, dass die Stadt in Vorleistung gehen und 4,5 Millionen Euro pro Jahr mehr für Kita-Qualität ausgeben soll. Entsprechende Anträge für die laufende Haushaltsdebatte stellte Fraktionsvize Stefan Wollenberg am Mittwoch vor Journalisten vor: „Die Situation in den Kitas ist zunehmend unhaltbar.“

Konkret will die Linke als größte Oppositionskraft im Stadtparlament erreichen, dass Potsdam für mehr Personal in den Kitas 4,5 Millionen Euro zusätzlich zahlt. Das sei noch die Minimalvariante, sagte Wollenberg. Im vergangenen November hatte die Stadt berechnet, dass es 26,7 Millionen Euro pro Jahr kosten würde, damit der vom Kita-Gesetz vorgesehene Personalschlüssel an Potsdamer Krippen und Kitas auch eingehalten wird. Das Geld könne die Stadt zunächst schultern, so Wollenberg – und verwies auf Mehreinnahmen aus Gewerbe- und Einkommenssteuer in den vergangenen Jahren. So hatte die Stadt erst zuletzt im Haushalt für 2014 ein Plus von 21 Millionen Euro erzielt – 29 Millionen Euro mehr als geplant.

Gutachten soll zeigen, wie Potsdam das Land finanziell in die Pflicht nehmen kann

Zudem will die Linke aber auch, dass sich die Stadt das Geld beim Land zurückholt. „Im Zweifel muss die Stadt klagen“, so Wollenberg. Dafür solle sich das Rathaus zunächst ein externes Rechtsgutachten einholen, wie die Stadt das Land beim Thema Kita-Personal finanziell stärker in die Pflicht nehmen kann – damit eben der tatsächliche Betreuungsbedarf in Potsdam finanziert wird. In diesem Zusammenhang machte Wollenberg auch deutlich, dass die Linke in Potsdam anders als die Linke und auch die SPD im Land das Thema Betreuungsqualität prioritär finde – im Gegensatz zum von der rot-roten Landesregierung angestrebten Einstieg in die Beitragsfreiheit für den Kita-Besuch.

Bekanntlich ist die Situation in Potsdam besonders angespannt, weil um die 40 Prozent aller Kita- und Krippenkinder täglich zehn Stunden betreut werden sollen – das Land aber nach Angaben von Kita-Trägern nur 7,5 Stunden bezahlt. Auch eine Erhebung der Bertelsmann-Stiftung hatte festgestellt, dass der schlechte Betreuungsschlüssel an Potsdamer Kitas vor allem dadurch zustande kommt, dass das Land bei der Finanzierung die in Potsdam überdurchschnittliche nötige Betreuungszeit nicht berücksichtigt. Falls die Stadt einen Rechtsstreit gegen das Land verliere, müsse sie die 4,5 Millionen Euro dennoch zahlen, forderte Wollenberg – schließlich würden die Eltern auch über ihre Beiträge die Betreuungszeiten von mehr als acht Stunden bezahlen, bisher nur ohne entsprechende Gegenleistung in Sachen Qualität. „Wenn juristisch festgestellt wird, dass eben doch die Stadt und nicht das Land zur Zahlung verpflichtet ist, dann ist eben auch die Stadt Potsdam in der Pflicht“, so Wollenberg.

Unterstützung kam von der Kita-Elterninitiative „Jetzt!“, die im vergangenen Jahr mehr als 7500 Unterschriften für eine bessere Kita-Betreuung in Potsdam gesammelt hatte. Sprecherin Wiebke Kahl, auch Mitglied im erstmals gewählten Kita-Elternbeirat der Stadt, sagte den PNN: „Ich begrüße die Initiative der Linken außerordentlich.“ Das bisherige gegenseitige Zuschieben der Finanzierungsverantwortung zwischen der Stadt Potsdam und dem Land Brandenburg behindere die Erarbeitung konstruktiver Lösungsansätze – das geforderte Rechtsgutachten könne hier Klarheit schaffen. In der Frage der Vorfinanzierung sei nun die Stadtpolitik in der Pflicht, „Kita-Kinder, Eltern und Erzieher mit den bekannten Problemen nicht allein zu lassen“.

Betreuungsschlüssel gehe "zu Lasten der Kinder"

Auch die Kita-Träger verlangen Maßnahmen. Der ungenügende Betreuungsschlüssel gehe „zu Lasten der Kinder“, heißt es in einem aktuellen Schreiben von 15 Potsdamer Kita-Betreibern an den Jugendhilfeausschuss. Für die Zuwendung und die Förderung, „worauf jedes Kind einen Anspruch hat“, gäbe es nicht mehr die erforderliche Zeit. Zugleich bestehe eine erhebliche Überlastung des Personals: „Die Unterbesetzung geht zu Lasten der Gesundheit und verschleißt unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.“ Auch die Träger fordern, dass die Stadt finanziell in Vorleistung geht. Weigere sich das Land, die Kosten zu übernehmen, empfehlen auch die Träger eine Klage der Stadt – und zwar vor dem Landesverfassungsgericht.

Dagegen fielen die Reaktionen in der Stadtpolitik zurückhaltend aus. SPD-Fraktionschef Pete Heuer verwies auf die wachsende Verschuldung der Stadt im Zuge der Investitionen in neue Schulen und den Verkehr. Die Forderung der Vorfinanzierung von Kita-Personal mit städtischen Mitteln komme dabei der Ausstellung eines ungedeckten Schecks gleich, sagte Heuer. Auch der CDU/ANW-Fraktionsvorsitzende Matthias Finken sagte, wenn Potsdam einmal beginne zu zahlen, werde das Land sich nie finanziell beteiligen. Die Rechtslage müsse vorher geklärt werden. Grünen-Fraktionschef Peter Schüler sagte, juristisch habe man schlechte Karten, wenn man bei unterschiedlichen Rechtsauffassungen dennoch in Vorleistung gehe. „Auch wenn ich die Position verstehen kann, dass man so einen Streit nicht auf dem Rücken von Kindern austragen sollte.“ Die Stadt verwies lediglich auf laufende Haushaltsverhandlungen. Und das Land? Ein Sprecher des Bildungsministeriums teilte mit: „Die Kindertagesbetreuung ist im Kern eine kommunale Aufgabe.“ Das Land beteilige sich laut Kita-Gesetz an den Kosten der Kindertagesbetreuung eben nur durch einen Zuschuss.

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Der Personalmangel an Potsdamer Kitas muss endlich wirksam bekämpft werden. Die aktuelle Initiative der Linken ist da ein wichtiges Signal, meint PNN-Autor Henri Kramer in seinem Kommentar.

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