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Hollywood auf der Glienicker Brücke: Merkel zu Besuch bei Hanks und Spielberg

Der Eiserne Vorhang steht wieder: Seit Freitag dreht Steven Spielberg die wichtigsten Szenen für seinen Agententhriller auf der Glienicker Brücke. Das war auch der Bundeskanzlerin einen Setbesuch wert

Von Peer Straube

Das große Rätselraten beginnt um 15.10 Uhr. Der Kerl da drüben, mit dem grauen Mantel und dem schwarzen Hut – ist das nun Tom Hanks oder nicht? Franziska Schmidt ist sich nicht sicher. Von der Statur her könnte es passen. Der vermeintliche Star steigt in eine schwarze Limousine aus den 60er-Jahren und nährt damit weitere Spekulationen. Schmidt steht am Freitagnachmittag an den Absperrungen vor der Villa Schöningen an der Glienicker Brücke. Seit 10 Uhr morgens harrt der Tom-Hanks-Fan bereits aus. Wenn sie heute keinen Blick auf ihr Idol erhaschen kann, vielleicht klappt’s ja am Sonntag. Dann will Schmidt noch einmal vorbeikommen.

So nah wie diesmal kommt man einer Hollywood-Produktion tatsächlich nur selten. Seit Donnerstagabend ist die Glienicker Brücke zwar gesperrt, weil Steven Spielberg hier Schlüsselszenen für einen Kalten-Kriegs-Thriller drehen will, Arbeitstitel „St. James Place“. Doch ein paar Lücken für Schaulustige finden sich trotzdem. Vom Absperrgitter an der Villa Schöningen sind es nur ein paar Dutzend Meter bis in die Vergangenheit. Rund 100 Kulissenbauer der Babelsberger Filmstudios haben über Nacht den Eisernen Vorhang in beängstigend echt aussehender Weise wiederauferstehen lassen. Schlagbäume, Panzersperren und Stacheldraht versperren die Durchfahrt, vor den Wachhäuschen patrouillieren Grenzsoldaten, in der Mitte der Brücke hängt – riesengroß – das DDR-Wappen mit Hammer und Zirkel im Ährenkranz. Eine dünne Schneedecke vervollständigt die Szenerie, die beklemmend wirken würde, wäre sie nicht umgeben von Techniktransportern, Kränen für große Scheinwerfer und zahlreichen Sicherheitsleuten in neongelben Westen.

Spielberg werde hier den „Höhepunkt des Films“ drehen, sagt Eike Wolf, Sprecher der Babelsberger Filmstudios. „St. James Place“ erzählt die Geschichte des ersten Agentenaustauschs auf der Glienicker Brücke. Am 10. Februar 1962 wechselten auf der damaligen Grenzbrücke zwischen Potsdam und Westberlin der KGB-Spion Rudolf Abel und der CIA-Spion und Air-Force-Pilot Francis Gary Powers die Seiten. Eingefädelt hatte die spektakuläre Aktion Abels US-Anwalt James Donovan, der in Spielbergs Film von Tom Hanks dargestellt wird.

Auf den warten vor der Villa Schöningen nicht nur die Schaulustigen. Zahlreiche Journalisten und Fotoreporter hoffen, dass sich der Star blicken lässt. Doch Henning Molfenter muss sie enttäuschen. Hanks komme erst spät am Abend, sagt der 47-Jährige, der den Film für Studio Babelsberg koproduziert. Gedreht wird an diesem Freitag in Potsdam überhaupt nicht. Spielberg sitzt auf der Berliner Seite der Brücke und filmt von dort aus die Ankunft der Ostblock-Agenten. Zumindest ist das zu hören: Es ist 15.56 Uhr, als der Ruf „Action“ übers Wasser hallt – die erste Klappe an dem symbolträchtigen Bauwerk ist gefallen.

Nur wenige Minuten später fällt ein Trupp Komparsen ins Museumscafé der Villa Schöningen ein. Als DDR-Grenzer und sowjetische Soldaten kostümierte Statisten dürfen sich aufwärmen. Mit dabei ist auch der Unbekannte, den Franziska Schmidt für Tom Hanks gehalten hat, flankiert von weiteren Männern, die ebenfalls schwere graue Mäntel und schwarze Hüte tragen. „Wir sind alle vom KGB“, sagt er. Wie man sich da fühlt? „Gut. Außerdem komme ich aus dem Westen“, sagt der Mann grinsend. Mehr als mit dem Auto zur Brücke zu fahren, auszusteigen und finster dreinzublicken haben die KGB-Leute nicht zu tun.

Inzwischen ist die Dunkelheit hereingebrochen und die Scheinwerfer tauchen die Brücke in ein gespenstisches Licht. „Unglaublich, das sieht aus wie vor 25 Jahren“, murmelt Peter Haseloff beeindruckt. Der Berliner kennt die historischen Grenzanlagen auf der Brücke noch. Auch seine Begleiterin Antje Steinhöfel, die in Potsdam wohnt, ist beeindruckt. Gerade zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls sei es spannend, dass die Geschichte des Agentenaustauschs auf der Brücke verfilmt werde. Das findet offenbar auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die um 21 Uhr auf Berliner Seite zu einem Setbesuch eintraf und mit Spielberg und Hanks sprach.

Die insgesamt rund 350 Filmleute werden die Glienicker Brücke noch bis Montag in Beschlag nehmen. Laut Molfenter sind diese Aufnahmen gleichzeitig auch der Schlussakkord für die Dreharbeiten, eine letzte Sequenz entstehe in der kommenden Woche lediglich noch in einem Flugzeug in Berlin-Tempelhof. Laut dem Internet-Branchendienst Imdb soll der Film am 12. November 2015 in den deutschen Kinos anlaufen. Auch in den USA startet er zum Jahresende, wenn die Studios ihre vermeintlich besten Pferde ins Nominierungsrennen um Filmpreise schicken. Ob Molfenter dem Film, der immerhin nach einem Drehbuch der Coen-Brüder („Fargo“) entsteht, Oscarchancen einräumt, sagt er nicht. Die Antwort fällt salomonisch aus. „Wir freuen uns immer, wenn wir Preise gewinnen.“

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